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23.06.2010

Sarah Sorge zur Änderung des Gesetzes für die hessischen Universitätskliniken und des Hessischen Hochschulgesetzes

Vielen Dank Herr Präsident. Meine Damen und Herren, liebe Frau Ministerin, eine motivierte Gesetzeseinbringung sieht weiß Gott anders aus.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Spieß hat es eben schon gesagt: Es gibt eine Reihe von Problemen zu bewältigen. Es ist aber auch so, dass wir vor noch nicht so langer Zeit, vor einer Stunde würde ich jetzt schätzen, dass wir darüber gesprochen haben, was die Landesregierung in den vergangenen Jahren getan hat. Die Privatisierung der Uni-Kliniken gehört zu einem Punkt, den Sie sich immer auf die Fahnen schreiben. Wir haben diesen Weg immer kritisiert und kritisch begleitet. Dass man sich aber einen Punkt, den man sich selber immer auf die Fahnen schreibet und herausstellt, hier nicht aufnimmt und nicht positiv verkauft, zeigt, dass zurzeit sehr wenig Esprit in der Landesregierung vorhanden ist.

Jetzt haben wir noch die Situation, dass ca. einen Monat, bevor dieser Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht wurde, die Evaluation des Wissenschaftsrats zur Privatisierung der Unikliniken eingegangen ist. Diese Evaluation findet überhaupt keinen Niederschlag in diesem Gesetzentwurf. Das finde ich schade. Wenigstens in der Rede hätten Sie sich doch auf die Stellungnahme des Wissenschaftsrats beziehen können. Das finde ich alles schon sehr erstaunlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir erinnern uns einmal kurz zurück: Die Unikliniken in Gießen und Marburg wurden vor fünf Jahren fusioniert und im Jahr 2006 privatisiert. Dieser Prozess wurde auch damals schon vom Wissenschaftsrat begleitet. Die Bewertung durch den Wissenschaftsrat nach drei Jahren war Teil der damaligen Versprechen, die die Landesregierung in den zum Teil – wir erinnern uns alle – sehr heftigen Auseinandersetzungen um die Privatisierung der Unikliniken gegeben hat. Diese nun vorliegende Evaluation in diesem Prozess vollkommen zu ignorieren, ist zum einen fahrlässig, aber zum anderen vollkommen unverständlich.

Das Gutachten des Wissenschaftsrats lobt zum Teil, zum Beispiel die Investitionen in das Uniklinikum und damit auch in Forschung und Lehre. Es setzt sich teilweise auch sehr kritisch, beispielsweise mit der Schwerpunktbildung der Fachbereiche oder auch mit der fehlenden Aufbruchstimmung, mit der Privatisierung auseinander.

Der Wissenschaftsrat erwartet zu Recht, dass der Prozess endlich mit einer abgestimmten Strategiebildung in Gießen und Marburg endlich vorankommt. Er benennt sehr deutlich – das sollte Ihnen zu denken geben – die Verantwortung des Landes, diesen Prozess endlich aktiv zu fördern. Er schlägt beispielsweise einen externen wissenschaftlichen Beirat vor. Sie müssen nicht alles aufnehmen, was der Wissenschaftsrat vorschlägt. Sie sollten es aber wenigstens zur Kenntnis nehmen und Ihre politische Position dazu bewerten. Das ist doch das Mindeste, was man verlangen kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Wissenschaftsrat hat zu einer sachlichen und differenzierten Diskussion aufgerufen. Das halte ich für richtig. Wir GRÜNE sind dazu gerne bereit. Wir waren dazu auch während des Privatisierungsprozesses immer bereit. Allerdings müssen die Information und das Aufeinandereingehen auch von der anderen Seite kommen. Herr Spieß hat es gerade angesprochen. Wir haben uns im Wissenschaftsausschuss darauf verständigt, dass wir erst einmal die Stellungnahme des Wissenschaftsrats im Ausschuss diskutieren und danach die Anhörung zum Uniklinikengesetz durchführen. Bei all diesen Anhörungen gehört auch dazu, dass man zuhört, dazulernt und die Argumente auch aufnimmt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das scheint bisher bei der Landesregierung nicht der Fall zu sein, wenn man sich diesen Gesetzentwurf anguckt, und vor allem auch, wenn man sich das anhört, was die Landesregierung nach diesem Gutachten des Wissenschaftsrat in die Öffentlichkeit gefiltert hat, nach dem Motto: Der Wissenschaftsrat lobt, der Wissenschaftsrat sagt, alles ist toll, wir haben das super gemacht. – Sie haben aber überhaupt nicht gelesen, was dort eigentlich steht. Da stehen nämlich ganz genau Hausaufgaben drin, zum einen für die Unikliniken selbst und zum anderen sehr definiert und ausgewiesen nach den Verantwortlichkeiten was Aufgabe des Landes ist. Hierzu sollten Sie Stellung beziehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der wichtigste Streit, aus meiner Sicht, bei der Diskussion um die Privatisierung des Uniklinikums, war die Sicherung der Freiheit von Forschung und Lehre.

Hierzu bekennt der Wissenschaftsrat in seiner aktuellen Stellungnahme, dass er die Auswirkungen nach so kurzer Zeit noch gar nicht beurteilen kann. Insofern haben wir zu dem wichtigsten Punkt überhaupt noch keine Stellungnahme, wie sich das entwickelt hat. Deswegen ist es unverständlich, dass eine der wenigen Sachen, die in dem vorliegenden Gesetzentwurf geändert werden, ausgerechnet wieder die Schwächung der Stellung der Wissenschaftsfreiheit ist. Die Passagen nämlich, die sich im aktuellen Gesetz auf die Definition der Wissenschaftsfreiheit im Hochschulrahmengesetz beziehen, werden gestrichen und durch einen kleinen Verweis auf die Hessische Verfassung ergänzt. Das ist eine Schwächung der Wissenschaftsfreiheit, obwohl eine Stärkung nötig wäre. Warum sie das neu regeln, ist wirklich unverständlich.

Es ist so, dass das Hochschulrahmengesetz ausläuft. Das ist mir auch bekannt. Man könnte aber beispielsweise eins zu eins die Formulierung des Hochschulrahmengesetzes in die Gesetzesnovelle aufnehmen. Man könnte sich aber auch, weil man das einzige Land ist, das ein privatisiertes Uniklinikum hat, in dem Gesetzentwurf noch ergänzend damit beschäftigen. Alles das bleibt aus. Ich rege an, wenigstens die Formulierungen des Hochschulrahmengesetzes in das Uniklinikengesetz inhaltsgleich zu übernehmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann gibt es noch eine weitere Änderung in dem Gesetzentwurf – wie gesagt, es sind nur zwei Seiten –, das meiste davon ist die Aufnahme der weiblichen Geschlechtsform in die einzelnen Bezeichnungen. Hier meine absolute Zustimmung.

(Beifall der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Zuruf des Abg. Dr. Thomas Spies (SPD))

Von den wenigen Dingen, die Sie regeln, ist das eine das mit der Wissenschaftsfreiheit, und das zweite ist auch systematisch unlogisch und von daher falsch. Nach bisheriger Regelung bedürfen Beschlüsse und Maßnahmen des Klinikumsvorstands, die die Belange von Lehre und Forschung betreffen, der Zustimmung des Dekans. Das ist auch richtig so. Wenn diese Einigung nicht zustande kommt, dann kann die Entscheidung des Aufsichtsrats beantragt werden.

Hier soll es nun künftig nicht mehr auf das Einvernehmen des Dekans ankommen, sondern auf eine Einigung mit dem Präsidium. Der Dekan ist demzufolge nicht einmal mehr miteinbezogen. Das ist erstens inhaltlich falsch, weil der Dekan des Fachbereichs Medizin fachlich von den Belangen in Forschung und Lehre im Fachbereich Medizin mehr Ahnung hat als jemand aus dem Präsidium. Das ist aber systematisch falsch, weil das Präsidium ohnehin im Aufsichtsrat vertreten ist. Es soll also Kontrollfunktion seiner eigenen Beschlüsse sein. Zudem ist ein Hochschulpräsident oder eine Hochschulpräsidentin viel mehr in übergeordnete Interessen eingebunden. Sinnvoll wäre es, das Gleichgewicht, dass es zurzeit gibt, zwischen Klinikumsvorstand und Fachbereich Medizin zu wahren. Das sind zwei kritische Punkte an dem vorliegenden Gesetzentwurf. Ich würde mich freuen, wenn Sie diese Kritik aufnehmen könnten. Alles Weitere besprechen wir dann nach der Anhörung des Wissenschaftsrats und der normalen Anhörung.

(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank, Frau Kollegin Sorge.