Inhalt

17.09.2009

Sarah Sorge zum Hochschulgesetz

Lieber Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der vorgelegte Entwurf des Hessischen Hochschulgesetzes zeigt, dass die Landesregierung überhaupt kein Konzept hat, wohin sich die Hochschulen entwickeln sollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Gesetzentwurf blendet einen Großteil der Entwicklungen aus, die zurzeit im Wissenschaftssystem ohnehin passieren, aber durch ein Gesetz, mindestens aber durch ein schlüssiges Konzept gestaltet werden müssten. Die Ministerin redet – das hat sie hier eben auch getan – immer wieder von Autonomie. Sie behauptet, die Entlassung der Hochschulen in Freiheit sei ihr Konzept. Aber, Frau Ministerin, in Wirklichkeit machen Sie sich keinerlei Gedanken, was nötig ist, damit Autonomie an den Hochschulen dann auch wirklich funktioniert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Gegenteil: Frau Kühne-Hörmann, Sie legen den Hochschulen mit der hier vorgelegten Gesetzesnovelle sogar Steine bei der Bemühung in den Weg, in der Hochschule gemeinsam auszuhandeln, wo die Entwicklung hingehen soll. Denn Ihr Gesetzentwurf ist allein ein Angriff auf die akademische Selbstverwaltung und damit auf das System, wie Hochschule bei uns seit Jahrzehnten funktioniert. Natürlich, Herr Dr. Büger, auch an Sie: Wir müssen das, was nicht funktioniert, verbessern. Was Sie hier aber machen, ist, das Kind mit dem Bade auszuschütten.

Ich will Ihnen das hier einmal am Beispiel der Rolle des Hochschulrats verdeutlichen. Der Hochschulrat ist bislang ein aus externen Vertreterinnen und Vertretern besetztes Gremium, das die Hochschulen in ihrer Entwicklung berät. Sinn ist, die Sicht von außen – das ist im schwarz-gelben Sinne im Wesentlichen die Wirtschaft – in die Hochschule hineinzutragen.

Wir GRÜNE haben hier schon immer eine breitere Aufstellung der Hochschulräte gefordert, finden aber die Hochschulräte in ihrer beratenden Funktion als Bindeglied zwischen Hochschulen und der Gesellschaft durchaus eine sinnvolle Erfindung. Das war nicht von Anfang an so. Hier haben wir GRÜNE unsere Meinung geändert. Das nur einmal am Rande und als Ermutigung für Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, über das, was ich sage, einfach einmal nachzudenken.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn nun haben Sie etwas vor, das wirklich kontraproduktiv ist und in den Hochschulen so nicht funktionieren wird. Sie wollen den Hochschulrat zu einem Entscheidungsgremium ausbauen, das wesentliche Belange der Hochschulen bestimmen kann. Der Hochschulrat soll bei der Mittelverteilung mitwirken. Er soll bei Berufungsverfahren mitwirken. Die Entwicklungsplanung der Hochschule soll in Zukunft die Zustimmung des Hochschulrates erfordern und zudem soll der Hochschulrat zusätzliche Kompetenzen bei der Auswahl des Präsidiums der Hochschule bekommen. Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU und meine Herren von der FDP, schwebt ein Modell von autonomen Hochschulen vor, dass Hochschulen wie Unternehmen geführt werden sollen. Der Hochschulrat soll dabei die Rolle des Aufsichtsrats einnehmen. Hochschulen funktionieren aber nicht wie Unternehmen, und das ist auch gut so.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)

Eine Hochschule ist ein Ort, an dem alle – Herr Kollege Grumbach hat das hier schön beschrieben – an Wissenschaft und Forschung Beteiligten ein Mitspracherecht haben sollten. Das genau ist es, was Wissenschaft braucht, um nach vorne und sicher gern auch einmal um die Ecke denken zu können.

Eine Hochschule, deren Entwicklung allein von einer Handvoll Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, nämlich zurzeit vier bis fünf, dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten geleitet wird, und dann von im Wesentlichen wirtschaftlich orientierten Menschen kontrolliert wird, verliert an Ideen, Neugier und Kreativität.

Daher ist es nicht nur aus demokratietheoretischen Gründen, sondern weit darüber hinaus wichtig, dass die verschiedenen Interessen in einer Hochschule gemeinsam austariert werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Deshalb sagen wir GRÜNE seit Jahren ja zur Autonomie, aber nur im Einklang mit mehr Demokratie und mehr hochschulinterner Demokratie.

(Beifall des Abg. Michael Siebel (SPD))

– Danke, Michael. – Ein Hochschulrat ist nicht demokratisch legitimiert. Das sage nicht nur ich, sondern das sehen im Wesentlichen auch die Hochschulen so – und sogar auch die Hochschulleitungen. Frau Kühne-Hörmann, wenn Sie hier sagen, Sie hätten die Fachleute einbezogen, dann heißt das, dass Sie sich mit ihnen getroffen und sie angehört haben.

Aber das, was sie gesagt haben, haben Sie offensichtlich nicht gehört.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Sonst wäre Ihnen aufgefallen, dass alle Hochschulen außer der TU Darmstadt und der Stiftungsuni Frankfurt genau das gesagt haben, was auch vom Kollegen Grumbach eingefordert wurde: erst einmal abzuwarten, zu schauen, was die Evaluation ergibt, erst einmal das Tempo herunterzufahren, gerade bei der Funktion der Hochschulräte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Gernot Grumbach (SPD))

Externe Berater, die sich zwei- bis viermal, bei der Stiftungsuni von mir aus auch achtmal im Jahr treffen, sind sicher in der Lage, Anstöße und wichtige Impulse von außen zu geben. Sie haben aber nicht die Legitimation, über wichtige Fragen wie beispielsweise über Berufungen zu entscheiden. Das ist doch kein ausgereiftes Konzept zur Zukunft unserer Hochschulen.

Meine Damen und Herren, Herr Breuer, der Vorsitzende des Hochschulrats der Uni Frankfurt, sagt es auch selbst. Herr Kollege Büger, Sie sagen, wir würden den Leuten die Kompetenz absprechen. Das stimmt nicht. Da sitzen durchaus kompetente Leute. Die haben nur, wie man am Beispiel Breuer sieht, nebenbei vielleicht zufällig noch einen anderen Job. Es geht darum, ob die Leute überhaupt in der Lage sind, in diesen kurzen Treffen mit dieser intensiven Vorbereitung über so wichtige Dinge entscheiden zu können. Ich sage dazu eindeutig: Nein, das ist nicht der Fall. Deswegen ist diese Entscheidung fahrlässig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Michael Siebel (SPD))

Der Kollege Breuer, der Vorsitzende des Hochschulrates der Uni Frankfurt – wieso eigentlich Kollege? –, Herr Breuer

(Heiterkeit)

sagt selbst zu seiner Aufgabe als Hochschulrat, was er gerade macht, ist Learning by Doing. – Entschuldigung, Herr Kollege Dr. Müller, er hat es so gesagt, es ist ein Zitat.

Meine Damen und Herren, ich sage dazu: Es ist verantwortungslos.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Falsch und verantwortungslos ist auch die weitere Schwächung des Senats. Diese Regelung belastet im Senat die Zusammenarbeit zwischen der Hochschulleitung und den restlichen Senatsmitgliedern. Sie schürt Misstrauen und wird daher nicht dazu führen, dass die Entscheidungen besser getroffen werden. Sie werden allenfalls schneller getroffen.

Vizepräsident Frank Lortz:

Frau Kollegin Sorge, Sie müssen zum Schluss kommen.

(Zuruf des Abg. Michael Siebel (SPD))

Sarah Sorge:

Herr Präsident, ich habe mir schon gedacht, dass die Zeit nicht ausreicht, um zu diesen vielfältigen Dingen im Hochschulgesetz Stellung zu nehmen.

(Zufuf des Abg. Dr. Thomas Spies (SPD))

Glücklicherweise ist es erst die erste Lesung. Das heißt, wir haben noch eine ganze Reihe von Gelegenheiten, um hier beraten zu können.

Zur Mitbestimmung will ich ganz kurz sagen, dass das, was Sie hier vorschlagen, lächerlich ist. Sie schlagen vor, dass die Studierenden ihre Organe in Zukunft selbst benennen dürfen. Das machen wir bei den Ortsbeiräten beispielsweise auch nicht. Die dürfen sich auch nicht Dorfkönig oder was weiß ich nennen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Deswegen ist hier ganz klar das Ziel zu benennen, das das dahinter steht: Sie wollen die einheitliche Vertretung der Studierenden zerschlagen. Dafür kriegen Sie unsere Stimmen auf keinen Fall.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Vielmehr ist ein Ausbau der Rechte der Studierenden nötig.

Vizepräsident Frank Lortz:

Sarah Sorge, bist du jetzt so lieb?

Sarah Sorge:

Ich höre jetzt auf, aber es gibt noch genug Weiteres zu sagen. Es war nur ein ganz kleiner Anteil von dem, was am Hochschulgesetz zu kritisieren ist. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank.