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26.01.2010

Sarah Sorge zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP für ein Hessisches Bibliotheksgesetz

Vielen Dank, Herr Präsident. Meine Damen und Herren, ich muss ehrlich zugeben, dass mich dieser Gesetzentwurf ein bisschen verzweifelt gemacht hat und dass diese Debatte die Verzweiflung auch nicht gerade genommen hat. Denn man weiß nicht so genau, ob man über diesen Gesetzentwurf in Tränen ausbrechen oder ob man Lachtränen von sich geben soll.

Also muss ich sagen: Hier ein Bibliotheksgesetz einzubringen, ist grundsätzlich eine gute Idee. Wir GRÜNE begrüßen das und finden gut, dass Sie diesen Schritt gemacht haben,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

auch wenn ich nicht ganz verstehe, warum das als Fraktionsgesetzentwurf eingebracht wurde, obwohl das eine der kulturpolitischen Errungenschaften im Koalitionsvertrag von CDU und FDP gewesen ist.

(Zuruf des Abg. Aloys Lenz (CDU))

Wenn Sie dort schon so wenig zur Kultur stehen haben, wäre es gut gewesen, wenn Sie wenigstens das bisschen der Regierung hätten überlassen können. Aber das müssen Sie untereinander regeln.

Jetzt zur Sache an sich. Was ist die Situation? – Wir haben die Situation, dass die Kommunen immer weniger Geld haben. Uns liegt der Enquetebericht des Deutschen Bundestags zur Lage der Kultur vor, der auch von den Kolleginnen und Kollegen schon öfter erwähnt wurde. Hierin steht ganz eindeutig – das ist für alle nichts Neues –, dass insbesondere die Bibliotheken zur kulturellen Bildung beitragen, dass sie ein hervorragender Ort sind, um an Kultur heranzuführen, vor allem aber auch um an Wissen, um an Bildung heranzuführen. Wir müssten uns doch alle im Haus einig sein, dass das ein Bereich ist, der dringend gestärkt werden muss. Deshalb: Ja zu einem Bibliotheksgesetz.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Aloys Lenz (CDU))

Schauen wir uns die aktuelle Lage an. Wir haben aktuell die Lage, dass überall, jeden Tag in den Zeitungen darüber diskutiert wird, dass die Kommunen wenig Geld haben, dass die Kommunen durch das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz perspektivisch noch weniger Geld in ihren Kassen haben werden. Gerade im Kulturbereich wird deswegen schon seit Längerem darüber diskutiert, dass die Gefahr besteht, dass die Kommunen gerade im Kulturbereich, weil er eben nicht zur Pflichtaufgabe gehört, massive Kürzungen vornehmen werden, vornehmen werden müssen.

Wir haben außerdem eine Diskussion, die sich inhaltlich mit den Bibliotheken und dem Bibliotheksgesetz beschäftigt. Ich darf hier zitieren, weil es, wie ich finde, sehr gut dargestellt ist, was auf der Seite des Deutschen Bibliotheksverbandes zu dem Thema steht. Herr Paulus, ich bitte Sie, hier zuzuhören, weil Sie sagen, dass Sie hier ein zentrales Anliegen realisieren. Da steht:

Bei allen Überlegungen und Gesetzentwürfen kommt es weniger darauf an, den derzeitigen Besitzstand gesetzlich zu regeln, so wie es die ersten vorliegenden Gesetzentwürfe in den Bundesländern … aufweisen, sondern vielmehr der Empfehlung der Enquetekommission zu folgen, und die Aufgaben und Finanzierung der öffentlichen Bibliotheken als Pflichtaufgabe der Länder und Kommunen auszugestalten. Wie fruchtbringend diese gesetzliche Verbindlichkeit sein kann, haben die Bibliotheksgesetze in Dänemark, Finnland und Großbritannien gezeigt. Die sehr unterschiedlichen Gesetze haben Folgendes gemein: die Pflicht zum Angebot von Bibliotheksdienstleistungen und eines topaktuellen Bibliotheksbestandes unter Berücksichtigung aller neuen Entwicklungen auf dem Medien- und Informationsmarkt, die kostenfreie Nutzung durch jedermann, die ausreichende Finanzierung durch die Kommune, die finanzielle Förderung von Infrastrukturen und Netzwerken durch den Staat sowie die Einbindung in staatliche Bildungskonzepte.

(Zuruf des Abg. Michael Siebel (SPD))

– Dazu komme ich gleich. – Meine Damen und Herren, das genau ist der Grund, warum ich finde, dass wir bei diesem Bibliotheksgesetz leider auch weinen können, weil nämlich genau das, was Sinn macht, warum wir ein Bibliotheksgesetz brauchen, in diesem Gesetzentwurf nicht steht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Michael Siebel hat es gerade dankenswerterweise angesprochen. Bei den Bibliotheksverbänden gibt es den sie eigentlich selbst stärkenden Spruch: Wir haben die Enquetekommission des Deutschen Bundestags und den Bundespräsidenten – der nämlich auch eine sehr denkwürdige Rede zur positiven Rolle der Bibliotheken gehalten hat – als starke Kämpfer an unserer Seite. – Das ist gut so. Aber ich frage mich doch, warum der Hessische Bibliotheksverband einen nicht so starken Kämpfer an seiner Spitze hat. Ich finde durchaus, dass das etwas ist, was hier thematisiert gehört. Es ist nicht immer sinnvoll, Lobbyismus und ein Landtagsmandat gleichzeitig auszuüben. Das kann ich Ihnen hier ganz deutlich sagen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Denn normalerweise führen Lobbyverbände, alle Verbände im Kulturbereich Gespräche mit allen Fraktionen, mit allen kulturpolitischen Sprecherinnen und Sprechern der Fraktionen. Herr Lenz als Vorsitzender des Bibliotheksverbandes hat mich noch nie zu einem solchen Gespräch eingeladen.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD und des Abg. Aloys Lenz (CDU))

Vizepräsident Lothar Quanz:

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.

Sarah Sorge:

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Damit komme ich zu Ihrem Interview in der „Frankfurter Rundschau“. Da haben Sie selbst gesagt: „Da kann man schon verzweifeln.“ Genauso ist es. Sie bemängeln, dass Sie hier der einzige Kämpfer für die Bibliotheken sind. Herr Lenz, ich lade Sie dazu ein, Seite an Seite mit mir zu kämpfen, aber für ein richtiges Bibliotheksgesetz und nicht für das hier vorliegende Bibliotheksgesetzchen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Danke schön, Frau Sorge.