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13.05.2009

Sarah Sorge zum Einzelplan 15 - Ministerium für Wissenschaft und Kunst

Einen schönen guten Abend, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Rafael Reißer, ich tue Dir einen Gefallen: Am Anfang meiner Rede steht ein großes Lob. Die Hochschulen bekommen im Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2009 92 Millionen Euro mehr – zweckgebunden zur Verbesserung der Studienbedingungen und der Lehre. Das ist Geld, das die Hochschulen dringend brauchen und das endlich nicht mehr von den Studierenden gezahlt werden muss.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Diese 92 Millionen Euro sind ein Beitrag für mehr Chancengerechtigkeit, und sie sind ein Beitrag zur Qualitätsverbesserung unserer Hochschulen. Dafür ein dickes Lob.

Die Studiengebühren sind abgeschafft, und nach dem momentanen Stand der Dinge bleiben sie auch abgeschafft. Die Vernunft hat hier also gesiegt. Warum nicht gleich so, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will gar nicht groß nachtreten und wiederholen, wie in den letzten Jahren und Monaten von Ihrer Seite argumentiert wurde und dass Sie in der Diskussion um die Abschaffung der Studiengebühren den Untergang des Abendlands prophezeit haben. Ich freue mich einfach, und es sei mir doch gestattet, kurz darauf hinzuweisen, dass diese große und von den Hochschulen als positiv bewertete Änderung im Haushaltsentwurf auf den Ideen der sogenannten Gestaltungsmehrheit der letzten Legislaturperiode beruht und Sie damals vehement dagegen gekämpft haben. Sie haben daraus wohl gelernt. Das lässt hoffen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Im Wissenschaftsausschuss gibt es im Rahmen von Haushaltsberatungen die Besonderheit, dass die Hochschulpräsidien zum Haushaltsentwurf angehört werden. Von diesen gab es durchaus Lob für den Einzelplan, aber es gab auch deutliche Hilferufe. Gelobt wurden neben den Studiengebührenersatzmitteln das LOEWE-Programm, HEUREKA und die Konjunkturmittel. Es ist ganz klar: Das sind wichtige Programme. Das Programm LOEWE für die Forschungsförderung haben wir GRÜNE schon immer gelobt, und auch die Mittel für den Hochschulbau begrüßen wir sehr, obwohl wir uns eine noch stärkere Konzentration auf Energieeffizienz und Energieeinsparung gewünscht hätten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Lob der Hochschulenpräsidenten war aber ein vergiftetes. Sehr deutlich wurde gesagt, dass die Hochschulen in der Grundfinanzierung absolut unterfinanziert sind und dass insbesondere die Vereinbarungen im Hochschulpakt zu den Tarifsteigerungen weitere große Löcher in die Hochschulhaushalte reißen. Die Unterfinanzierung der Hochschulen ist dramatisch. Aber statt entgegenzusteuern, wird diese Unterfinanzierung mit dem hier vorliegenden Haushalt weiter zementiert, und zwar in gleich drei Dimensionen.

Die erste Dimension ist die bestehende Unterfinanzierung. Schon jetzt bilden die Hochschulen mehrere tausend Studierende aus, ohne dafür bezahlt zu werden. An der Universität Marburg werden nach eigenen Angaben im Wissenschaftsausschuss 2.500 Studierende gar nicht vom Land finanziert. An der FH Wiesbaden sind es etwa 1.800 Studierende, die nicht finanziert werden. Wenn wir das auf alle anderen Hochschulen hochrechnen, dann kommen wir auf 10.000 bis 20.000 Studierende, die den Hochschulen vom Land überhaupt nicht vergütet werden.

Zugegeben: Diese Unterfinanzierung gibt es schon seit Jahren. Kommen Sie jetzt nicht wieder mit Rot-Grün. Diese Unterfinanzierung haben wir seit der Öffnung der Hochschulen in den Siebzigerjahren vor uns hergeschoben. Wir alle sind dafür verantwortlich – in unterschiedlichen Regierungskonstellationen.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Machen wir doch einfach Schluss mit der Schuldzuweisung, und packen wir das Problem endlich an, denn gerade in Zeiten wie diesen, gerade in Zeiten der Krise müssen wir dringend in die Köpfe junger Leute investieren. Das ist inzwischen eine Binsenweisheit, der wir endlich folgen sollten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die zweite Dimension der Unterfinanzierung ist die ungerechte Verteilung der Mittel durch den Hochschulpakt und die Vereinbarung zu den Tarifsteigerungen. Will heißen: Sie nehmen zwar löblicherweise Geld für die Forschungsförderung und die Hochschulen in die Hand, zementieren aber andererseits die Unterfinanzierung nicht nur, sondern bauen sie bewusst weiter aus. Das ist ein Drama, und es zeigt, dass Sie die Notwendigkeiten für die Zukunft unseres Landes nicht begriffen haben.

Noch schlimmer wird es bei der dritten Dimension der Unterfinanzierung der Hochschulen. Wir brauchen dringend mehr Studierende.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir werden in den kommenden Jahren mehr Studierende haben. Das prognostizierte Studierendenhoch entsteht durch die doppelten Abiturjahrgänge, erfreulicherweise aber auch durch die Erhöhung der Abiturientenquote und damit der Studierendenquote. Es gibt zwar den Hochschulpakt 2020, aber der ist leider bei weitem nicht ausreichend finanziert. Die Hochschulen haben kaum Anreize, teurere Studienplätze zu schaffen, da sie nur eine pauschale Summe pro Studienplatz bezahlt bekommen, die sich auch noch an den billigeren Studiengängen orientiert. Die dringend notwendigen Studienplätze, z. B. in den Naturwissenschaften, werden nur durch den Goodwill der Hochschulen geschaffen. Das hat aber zur Folge, dass die Hochschulen das Geld anderswo abknapsen müssen, die generelle Unterfinanzierung also weiter steigt.

Zudem haben die Hochschulen das Problem, dass sie in Personal und in Infrastrukturen investieren müssen, wenn sie die Zahl der Studienplätze erhöhen wollen. Das werden sie aber nur dann tun, wenn sie nicht Gefahr laufen, später auf diesen Investitionen sitzen zu bleiben.

Das ist die dramatische Situation an den Hochschulen. Schon allein aus gesellschaftlichen und aus volkswirtschaftlichen Gründen müssen wir alle Hand in Hand arbeiten, um die Hochschulen besserzustellen, mehr Studienplätze zu schaffen und vor allem langfristig auszufinanzieren. Wer heute nicht mehr Studienplätze schafft, der produziert den Fachkräftemangel von morgen, und wer heute auf zusätzliche Forschungsausgaben verzichtet, der gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit von morgen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Daher ist es mir auch absolut unverständlich, dass die große Koalition Hand in Hand mit den Ländern den Hochschulpakt und die Exzellenzinitiative unter einen Haushaltsvorbehalt gestellt hat. Das ist das absolut falsche Signal.

Zur Rettung der Banken und für die Abwrackprämie hat die Große Koalition eine riesengroße Neuverschuldung in Kauf genommen. Gleichzeitig entzieht Finanzminister Steinbrück mit seiner Entscheidung den nachfolgenden Generationen die Grundlagen, um diese Schulden jemals wieder abzubauen. Das ist nun wirklich eine fatale Zukunftsentscheidung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Ministerin, ich hoffe, dass Sie sich auf der Bundesebene für die Hochschulprogramme in die Bresche werfen und wie eine hessische Löwin kämpfen.

Ich gestehe Ihnen zu, dass bei diesem Haushaltsentwurf die Zeit etwas knapp war. Aber im Herbst behandeln wir gleich den nächsten Haushaltsentwurf. Dann erwarte ich deutliche Signale zur Verbesserung der Grundfinanzierung der Hochschulen und für eine gerechtere Verteilung der Mittel zwischen den Hochschulen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Frank Lortz:

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Sorge.