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09.12.2009

Sarah Sorge zu Anforderungen an eine Hochschulgesetz-Novelle

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Reißer, ich gestehe Ihnen durchaus zu: Im ganz Kleinen haben Sie einige Anregungen aus der Anhörung oder aus den Hochschulen aufgenommen. Beispielsweise bin ich sehr erfreut darüber, dass die Promotionen an den Fachhochschulen in Kooperation mit den Universitäten weiterhin möglich sind – ursprünglich hatten Sie das nicht vorgesehen.

(Beifall der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Im Kleinen gab es also durchaus Änderungen, die auch für die Zukunft von Fachhochschulen wichtig sind.

Wir GRÜNE kritisieren jedoch, dass Sie in dieser Hochschulgesetznovelle überhaupt nicht die Probleme anpacken, die heute allgegenwärtig sind: Wo immer man heute die Zeitung aufschlägt, wird von protestierenden Studierenden, von unzufriedenen Hochschullehrern usw. geredet. Diese ganze Kritik haben Sie in dieser Gesetzesnovelle überhaupt nicht angepackt.

Hier gibt es eine ganze Reihe von Anforderungen, die nötig wären.

Vor allem: In Bezug auf den Bolognaprozess wären hier durchaus Dinge zu gestalten gewesen, und es gibt auch andere Sachen, etwa den Hochschulzugang, die Frage des chancengerechten Zugangs. Hier hätte ich mir einen größeren Wurf gewünscht – wenn man schon das Hochschulgesetz insgesamt novelliert. Man hätte hier zeigen müssen, welche Hochschule man sich wünscht und wohin sich die Hochschulen entwickeln sollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das haben Sie nicht getan. Stattdessen haben Sie sich mit einem nach meiner Ansicht nur vorgeschobenen Autonomiebegriff beschäftigt – um eigentlich nur die Verantwortung an die Hochschulen abzuschieben. Heute Morgen haben wir es schon von der Frau Kollegin Dorn gehört: Beim Bolognaprozess ist es so, dass allüberall, vom Bundespräsidenten bis zur Bundesbildungsministerin, die Leute sagen, die Länder müssen die Verantwortung wahrnehmen, und wir müssen hier etwas ändern. Allein, die Wissenschaftsministerin des Landes Hessen schiebt die Verantwortung den Hochschulen zu und sagt selbst nicht, was sie strukturell ändern kann oder möchte. Sie beruft auch keinen runden Tisch ein.

So wird auch die Autonomie behandelt. Die Autonomie wird an die Hochschule abgegeben, ohne zu schauen, was dann in den Hochschulen geschieht und welche Auswirkungen das hat.

Deswegen möchte ich jetzt doch noch einmal auf die Stellung des Hochschulrats zu sprechen kommen. Das ist die Hauptkritik. Denn hier geht es um etwas, wo Sie in der Anhörung tatsächlich nicht zugehört haben.

Die Hochschulen sollen mehr Autonomie bekommen. Hierin sind wir uns in weiten Teilen in diesem Hause sogar einig. Das ist der Grund, warum wir beispielsweise damals das TUD-Gesetz gemeinsam ausgehandelt und verabschiedet haben.

Wir haben aber immer gesagt: Autonomie muss mit einem Mehr an Demokratie einhergehen: Das, was vom Land abgegeben wird, muss in der Hochschule gemeinsam ausgehandelt werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein Hochschulrat, der nicht nur beratende Kompetenz hat, sondern wirklich weit in die Belange der Hochschule hinein entscheiden kann, ist falsch, weil es dazu führt, dass die wissenschaftlichen Belange, die Entwicklung und die Profile der Hochschule nicht mehr hochschulintern ausgehandelt werden, sodass dieser Prozess damit auch nicht mehr gemeinschaftlich getragen wird. Das sind Probleme, die wir schon jetzt sehen, und mit diesen Problemen müssen Sie sich doch auseinandersetzen.

Meine Damen und Herren, ich kritisiere – man kann anerkennen, dass wir unterschiedliche politische Ideen davon haben, wie eine autonome Hochschule funktioniert; das ist im politischen Prozess eben so, dass es unterschiedliche Ansichten gibt – und kann nicht akzeptieren, und worüber ich mich massiv ärgere, ist, dass es hier wirklich einen Schritt zu weit geht. Sie haben die Meinung, dass Hochschulen von einem Hochschulrat quasi wie von einem Aufpasserrat geleitet werden sollen.

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, es ist aber rund um die Anhörung wirklich so gewesen, dass sich alle, von dieser neuen Regelung Betroffenen auf allen Ebenen der Hochschule gegen diese Regelung ausgesprochen haben. Daher frage ich Sie wirklich: Muss das denn sein, dass man total auf jegliche Argumentation verzichtet und hier einfach nach dem Motto handelt: Augen zu und durch? Wir haben eine Kompromissidee gehabt. Diese wurde sowohl in der Anhörung immer wieder wiederholt als auch von mir noch einmal an Sie herangetragen: Warum machen Sie es nicht einfach so, dass für die Hochschulen die Möglichkeit besteht, diesem Hochschulrat weitere Kompetenzen zu geben, dass aber die Hochschulen selbst entscheiden können, ob sie diese neue Funktion des Hochschulrates wollen. Das wäre – wenn überhaupt – ein richtiger Schritt von Autonomie. Den Hochschulen aber eine Autonomie zu geben, hier aber gleichzeitig einen Weg vorzuschlagen, den die Hochschulen für sich überhaupt nicht wollen, ist ein Weg in die falsche Richtung, meine Damen und Herren. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Danke, Frau Sorge.