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14.12.2011

Sarah Sorge: „Eva, hör’ die Signale – Hilferuf der Hochschulen ernst nehmen!“

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Wissenschaftsministerin, Eva, hör die Signale. Herr Dr. Müller, es bringt doch nichts, immer wieder das Mantra vor sich herzutragen, dass sich die Finanzierung der Hochschulen erhöht hat, wenn Sie die Probleme, die dahinterstehen, nicht erkennen. Wenn Sie sagen, es handele sich um ein moderates Papier und keinen Hilferuf der KHU, der Konferenz Hessischer Universitätspräsidien, dann will ich Ihnen einfach einmal den ersten Satz vorlesen:

Die Konferenz der Hessischen Universitätspräsidien, KHU, ist in großer Sorge um die Qualität von Lehre, Studium und Forschung.

Das Problem ist, dass Sie sich nicht mit Ernsthaftigkeit mit dem beschäftigen, um was es hier geht. Es geht nämlich darum, dass wir stark steigende Studierendenzahlen haben, und diese Studierenden die Zukunft unseres Landes bilden sollen. Wir müssen also alle Anstrengungen unternehmen, damit diese vielen Studierenden qualitativ gut ausgebildet sind, und demzufolge die Mittel zur Verfügung stellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Gernot Grumbach (SPD))

Meine Damen und Herren, das ist leider nicht der Fall. Ich selbst wiederhole mich auch, aber Herr Dr. Müller, Sie haben selbst gesagt, dass Wiederholung ein pädagogisches Mittel ist. Ich habe die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben. Auch die KHU, also die Präsidien der fünf hessischen Universitäten, haben das in ihrem Papier sehr wohl benannt. In Hessen sind die Hochschulen an sich unterfinanziert. Das heißt, die Grundfinanzierung der hessischen Hochschulen hält nicht mit den steigenden Studierendenzahlen mit. Die Mittel an sich steigen – das habe ich hier schon sehr oft zugegeben, das ist faktisch so –, aber die Mittel steigen eben nicht pro Studierendem. Die Hochschulen bekommen pro Studierendem, in den sogenannten Clusterpreisen, also in dem, was die Hochschulen pro Studierendem zugewiesen bekommen, immer weniger. Allein hier müssen die Hochschulen aus ihrem Grundbestand die Unterfinanzierung bewerkstelligen. Das ist zum einen das Problem der generellen Grundfinanzierung. Dazu kommt das Problem der steigenden Studierendenzahlen und des Hochschulpakts 2020 des Bunds als Antwort darauf hinzu.

Es stimmt sehr wohl, dass Millionenbeträge in die hessischen Hochschulen fließen. Natürlich ist das so. Wenn Sie aber genau hinsehen, stellen Sie fest, diese Mittel reichen zur Finanzierung dieses Studierendenbergs nicht aus. Es wird nur der „billigste“ Studierende bezahlt. Alles, was darüber hinausgeht, z. B. teurere Studiengänge und die Qualität des Studiums müssen die Hochschulen aus ihrer eigenen Tasche finanzieren. Das ist das zweite strukturelle Problem, bei dem die Hochschulen immer weiter in eine Unterfinanzierung getrieben werden, obwohl zugegebenermaßen die Mittel steigen.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

– Herr Irmer, das habe ich hier schon öfter wiederholt. Wenn Sie mir zugehört hätten, hätten Sie auch gehört, dass ich gesagt habe, dass die Mittelsteigerung alleine nicht ausreicht, wenn die Mittel pro Studierendem sinken. Das genau ist das Problem, mit dem wie hier zu tun haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Das dritte Problem ist, dass die Kostensteigerungen in dem Hochschulpakt nicht abgefangen werden, und die Hochschulen diese Kostensteigerungen auch aus eigener Tasche zahlen müssen. Das ist einer der Hauptgegenstände dieses Papiers der KHU. Hierbei geht es im Wesentlichen um die Tarifsteigerungen.

Gerade weil wir mehr Studierende an den Hochschulen haben, gibt es den Wunsch und den Willen, um die Qualität zu halten, mehr Lehrende an die Hochschulen zu holen. Diese Lehrenden bekommen auch Geld für ihre Tätigkeit, und das ist gut so. Wenn die Tarife steigen und wir mehr Lehrende haben, dann steigt auch das Minus der Hochschulen. Das ist wieder ein Minus, das durch die Landeskasse nicht honoriert wird und das die Hochschulen aus eigener Kasse, aus dem eigenen Bestand zahlen müssen.

Wir haben es hier faktisch mit drei Dimensionen zu tun, die die Grundfinanzierung der Hochschulen kürzen. Herr Dr. Müller, ich würde mir sehr wünschen, dass Sie dieses Problem endlich einmal anerkennen, anstatt immer wieder das Mantra der steigenden Ausgaben für die Hochschulen vor sich herzubeten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Meine Damen und Herren, schauen wir einmal an, wie die Wissenschaftsministerin mit der Kritik der KHU umgeht. Ihre Pressemitteilung dazu lautet:

„Ich halte diese Kritik angesichts der Hochschulausgaben des Landes für unangemessen“ … Die finanziellen Leistungen entsprächen den von allen Hochschulen unterzeichneten Vereinbarungen des Hochschulpakts …

Erinnern wir uns doch einmal, wie dieser Hochschulpakt zustande gekommen ist. Der Hochschulpakt bedeutete, dass der Hochschuletat um 30 Millionen € gekürzt wurde, und es gab eine ganze Reihe von Hochschulpräsidenten, die diesen Hochschulpakt nicht unterzeichnen wollten. Nur weil die Ministerin sehr unverhohlen angedeutet hat, dass es gerade für diejenigen, die protestieren, negative Auswirkungen für ihren Etat haben wird, nur deswegen haben die Hochschulen unterschrieben.

Meine Damen und Herren, wenn man das nicht Erpressung nennt, dann weiß ich nicht, wie man es sonst bezeichnen soll.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Ich kann es Ihnen nicht ersparen, ich weiß, dass Sie gleich wieder aufstöhnen werden. Aber schauen wir uns an, worauf die Ministerin ansonsten ihren Elan verwendet. Die Sorgen der Hochschulen nimmt sie nicht ernst, aber die Sorgen einer Hochschule nimmt sie sehr ernst. Wir haben wiederholt angekreidet: Es kann nicht sein, dass man bei den staatlichen Hochschulen um 30 Millionen Euro kürzt, während man einer einzigen Privathochschule 25 Millionen Euro gibt.

(Zuruf des Abg. Alexander Noll (FDP))

Auch das ist unverständlich: dass sich die Ministerin wie eine Löwin hinter die Vorgänge bei der EBS und hinter die Finanzierung des Landes bei der EBS stellt. Hier hätte ich gerne eine Erklärung, warum sie das nicht in gleicher Art und Weise für die Hochschulen des Landes tut.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, mir ist daran gelegen – ich merke, dass Sie größtenteils zuhören; das ist ein Fortschritt im Vergleich zu anderen Debatten –, dass Sie anfangen, dieses Problem ernst zu nehmen. Es geht hier nicht um das typische Spielchen von Opposition und Regierung: Die einen sagen, es soll mehr Geld hinein, und die anderen sagen, wir stecken doch Geld hinein.

Vielmehr geht es hier um eines der wichtigsten Zukunftsprobleme unseres Landes. Deswegen hören Sie hin, hören Sie die Signale. Gehen Sie zu den Hochschulen, reden Sie mit den Menschen darüber, was vor Ort los ist. Es geht um die Zukunft der Ausbildung an den Hochschulen. Es geht darum, dass wir verhindern müssen, dass die Qualität eines Hochschulstudiums enorm abnimmt. Es geht darum, dass wir dafür sorgen müssen, dass alle, die in Zukunft studieren wollen, die Möglichkeit dazu haben und nicht vor verschlossenen Türen oder vor allzu vollen Hörsälen stehen. Ich bitte Sie eindringlich: Nehmen Sie dieses Problem endlich ernst. Hören Sie die Signale. Gehen Sie an die Hochschulen, und hören Sie hin. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Danke, Frau Sorge.