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04.03.2015

Priska Hinz, Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: EU-Lebensmittelinformationsverordnung

Meine Damen und Herren Abgeordnete, Herr Präsident! Vor dem hoffentlich guten und gesunden Essen stehe leider noch ich mit einer Rede.

(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

– Das ist schön, dass sich die GRÜNEN freuen, dass ich hier stehe.

(Zuruf des Abg. Minister Boris Rhein)

– Das ist doch super. So etwas vor dem Essen zu hören, ist doch toll. – Bei Teilen der Debatte hatte ich das Gefühl, sie waren nicht ganz so appetitanregend. Aber im Wesentlichen geht es heute darum, zu klären – mit der Großen Anfrage und nun den Redebeiträgen –, wie wir es erreichen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher so aufgeklärt werden, dass sie informiert auf die Lebensmittel zurückgreifen können, die sie am liebsten essen wollen. Diese sollen natürlich grundsätzlich gesund und nicht gesundheitsgefährdend sein. Aus Sicht einer Verbraucherschutzministerin und Landwirtschaftsministerin finde ich natürlich auch, dass die Lebensmittel, die die Leute kaufen, möglichst wenig weiterverarbeitet werden und – wenn es geht – vorrangig aus Hessen stammen sollten.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Meine Damen und Herren Abgeordnete, ich will noch eines vorausschicken, wenn wir über die Lebensmittelinformationsverordnung reden: Rechtsakte der EU sind immer Kompromisse.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Wer weiß, wie die Mitgliedstaaten – das sind diejenigen, die im Wesentlichen darüber befinden – –

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

– Ihr Kollege hat eben gesagt, man könnte mit dieser Verordnung leben.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Da müssen Sie sich einmal einigen.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Rechtsakte sind grundsätzlich Kompromisse. Natürlich kann man sich immer vorstellen, dass man an dem einen oder anderen Punkt noch mehr machen kann. So erhalten wir zwar in Zukunft beim Bäcker eine Information über Allergene – allerdings auch nicht schriftlich, sondern auf Anforderung –, aber wir erfahren nicht, welche Zusatzstoffe sonst alle in einem Brötchen stecken, nur um einmal dieses Beispiel zu nennen. Natürlich wollen viele Verbraucherschützer, dass ganz genau geklärt wird, was alles drin ist, und dass diese Auskünfte auch erteilt werden sollen.

Man kann sich irgendwann einmal Gedanken darüber machen, ob das dann eine Überregulierung ist und inwieweit es überhaupt vor allem für die kleinen Produzenten und Händler noch möglich ist, das alles zu erfüllen. Ich halte auf jeden Fall die Lebensmittelverordnung im Moment so für ausreichend, kann mir an der einen oder anderen Stelle noch etwas Besseres vorstellen; aber ich glaube, dass wir mit dem Wesen der Verordnung erst einmal so leben können.

Ich will noch ein paar Punkte aufgreifen, z. B. die Schrift auf den Verpackungen. Man kann sich trefflich darüber streiten, ob die Schrift ab 0,9 oder 1,3 cm, ab 2,8 oder 3 mm besser zu lesen ist. Das Hauptproblem bei der Frage der Schriftgröße ist, dass es gerade auf kleinen Produkten bei den kleinen Händlern, den kleinen Produzenten und den Direktvermarktern immer schwieriger wird: wenn man sich einmal einen Ziegenkäse vorstellt – ich war neulich in so einer Käserei –, was auf einen kleinen Ziegenkäse heute alles draufgedruckt werden muss. Die Möglichkeit, alles draufzuschreiben, sieht da anders aus

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

als auf einen 4,5 kg schweren Odenwälder Schinken – obwohl auch das regional ist. Da geht natürlich mehr an Kennzeichnung drauf.

(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

– Ich sehe, alle haben eher Lust auf Mittagessen und keine Rede mehr.

(Demonstrativer Beifall und Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Deswegen ist es aus meiner Sicht richtig, dass man jetzt vor allem klargestellt hat: Das Ganze muss lesbar sein, und es muss verständlich sein. Das ist der Hauptpunkt, auf dem wir bestehen müssen. Es wird auch vom Landeslabor kontrolliert, dass die Kennzeichnung verständlich ist und dass sie lesbar ist. Das ist die Hauptaussage, der wir Gewicht beimessen.

Natürlich sind wir nach wie vor für die Ampel, keine Frage. Das steht auch in der Beantwortung der Großen Anfrage.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Allerdings ersetzt eine Ampelkennzeichnung nicht die schriftliche Darstellung. Wer das glaubt, der irrt. Verbraucherinnen und Verbraucher könnten, auch wenn wir die Ampelkennzeichnung hätten, nicht daraus schließen, ob das Lebensmittel in der Form tatsächlich die Zusammensetzung hat, die er oder sie verträgt, er oder sie essen will, haben will, was auch immer. Wer sich vertieft informieren will, muss trotzdem noch draufschauen, lesen und vergleichen. Da geht überhaupt kein Weg daran vorbei.

Aber es wäre im Sinne der verbesserten Verbraucherberatung, wenn man auch ohne Brille – wenn man beim Einkaufen die Brille vergessen hat – auf den ersten Blick sehen könnte: Kann man das kaufen, ist es sinnvoll oder nicht? – Aber es gilt immer, dass das nur zusätzlich wäre und nicht anstatt der sonstigen Kennzeichnung.

Der Punkt ist aber, dass weder die GRÜNEN noch die Koalition hier dies verhindern würden, sondern dass erstens die Mitgliedstaaten sich auf eine ganz strenge Regelung verständigt haben, was die Ampel angeht, und zweitens wir mit den Beschlüssen der Verbraucherschutzministerkonferenz nicht durchdringen. Der Bund, auch unter Beteiligung der SPD, ist derzeit nicht bereit, Ampelkennzeichnungen durchzusetzen. An diesem Thema scheitern wir zurzeit, und deswegen wird es im Moment erst einmal nicht kommen.

(Zuruf des Abg. Uwe Frankenberger (SPD))

Aber ich verspreche Ihnen, dass wir weiter daran arbeiten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Das nächste Thema, auf das ich noch eingehen will, ist die Deklarierung des unverpackten Fleischs bezüglich der Herkunftsangaben. Daran gibt es natürlich ein Interesse, daran wird seitens der EU auch gearbeitet, und wir werden das auch weiterhin unterstützen. Wir wollen sogar noch mehr: Die Agrarministerkonferenz arbeitet in einer Arbeitsgruppe daran, dass wir auch die Tierhaltungsformen kennzeichnen – auch dies ist sinnvoll, wie bei den Eiern –, dass man auf einen Blick erkennen kann: Wie ist das Tier gehalten worden, welcher Tierproduktion entstammt es? Ich glaube, das würde dazu beitragen, dass es auch hier verbesserte Informationen gäbe und Verbraucherinnen und Verbraucher sich besser entscheiden könnten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Was wir noch nicht haben, sind verpflichtende Herkunftskennzeichnungen von tiefgefrorenem Obst und Gemüse, vor allem auch in Fertigpackungen, sprich: das Beispiel China. Hessen hat 2013 und 2014 einen entsprechenden Antrag bei der Verbraucherschutzministerkonferenz eingebracht, es liegen Beschlüsse vor. Wir gehen davon aus, dass die Bundesregierung in Gestalt des Landwirtschaftsministers sich jetzt daran hält und dies auch auf der europäischen Ebene einbringt. Auch dies würde zu einer Verbesserung führen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Lassen Sie mich Schluss machen. Ich glaube, dass wir bei der Frage der Kennzeichnung sehr wohl noch etwas tun können, dass wir aber nicht glauben sollten, dass jegliche Kennzeichnung und jegliche Regulierung, die immer noch stärker gedreht wird, dazu führen wird, dass Menschen grundsätzlich nur das angeblich Gesunde kaufen.

(Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Jeder Mensch hat auch das Recht darauf, dann das zu kaufen und das zu essen, worauf er oder sie Lust hat, was ihm oder ihr schmeckt, was ihn oder sie zufriedenstellt und natürlich auch der Gesundheit zuträglich ist. Ich möchte vermeiden, dass wir Menschen aufoktroyieren, was sie zu essen haben. Was wir von unserer Seite aus tun können, ist, Rahmenbedingungen dafür setzen, dass jeder sich frei entscheiden kann. Dann kann man hoffentlich regional und saisonal möglichst frisch kochen, wenig weiterverarbeitetes Essen zu sich nehmen, und dann kann man auch manchmal über die Stränge schlagen. Ich gestehe freimütig, ich tue das manchmal. Montagabends esse ich gern Kartoffelchips mit meinem Kollegen Thomas Schäfer und anderen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Das darf dann auch mal sein. – Herzlichen Dank und guten Appetit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank, Frau Ministerin.