Inhalt

19.04.2016

Priska Hinz, Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – Regierungserklärung: „Gemeinsam bezahlbaren Wohnraum schaffen“

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Situation auf dem hessischen Wohnungsmarkt ist ernst. In vielen Städten gibt es zu wenig bezahlbaren Wohnraum, und zwar seit Jahren, nicht erst aufgrund der zusätzlich zu uns kommenden Flüchtlinge. Sie alle hören das sicherlich häufig, wenn Sie in Ihren Wahlkreisen unterwegs sind und mit jungen Eltern, mit Studierenden und mit Menschen sprechen, die wenig verdienen oder nur eine geringe Rente bekommen. Kaum ein Thema beschäftigt sie stärker als zu hohe Mieten. Deshalb brauchen wir mehr bezahlbaren Wohnraum, und ich glaube, darin sind wir uns alle einig.

 

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die aktuelle Niedrigzinsphase führt dazu, dass vermehrt in Immobilien investiert wird, auch in den Neubau. Das ist erst einmal eine gute Nachricht; denn natürlich brauchen wir auch privates Engagement.
Allerdings helfen Luxusapartments für 25 Euro pro m2 weder dem Krankenpfleger noch der Polizistin. Solche hochpreisigen Wohnungen stehen in direkter Konkurrenz zu gefördertem Wohnraum, bei dem die Mieteinnahmen begrenzt sind; denn man kann jedes Grundstück nur einmal bebauen. Durch den freifinanzierten Wohnungsbau, den wir zweifelsohne auch brauchen, darf es keine Verdrängung und keine soziale Spaltung geben, die dazu führt, dass in den Städten nur noch Einkommensstarke leben können, während alle anderen in die Außenbezirke gedrängt werden. Dem stellt sich die Landesregierung ganz klar entgegen. Wir wollen eine integrierende Wohnungspolitik in Hessen.
Deshalb setzen wir auf umfangreiche, zielgerichtete Förderprogramme, wirksame rechtliche Regelungen, starke öffentliche Wohnungsbauunternehmen und einen offenen Dialog mit allen relevanten Akteuren, um den Wohnungsbau in Hessen voranzubringen.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Bei der Förderung von bezahlbarem Wohnraum kommt es nicht nur auf die zur Verfügung stehenden Mittel an, sondern vor allem auch auf die Ausgestaltung der Programme. Das heißt: Wer darf in diesen Wohnungen wohnen, und wie hoch darf die Miete dann sein? Wie können wir trotzdem hohe energetische Standards haben?
Meine Damen und Herren, nicht nur Menschen mit ganz geringem Einkommen haben Probleme, angemessene und bezahlbare Wohnungen zu finden, sondern auch Teile der Mittelschicht in unseren Großstädten – Menschen, die zwar nicht viel verdienen, deren Einkommen aber über der Einkommensgrenze für den klassischen sozialen Wohnungsbau liegen: Erzieherinnen, Pflegekräfte oder Elektriker.
Für diese Menschen haben wir in Hessen ein eigenes Förderprogramm für mittlere Einkommen geschaffen. Die Mieten dieser Wohnungen liegen mindestens 10 Prozent unter der Vergleichsmiete. Eine Familie in Frankfurt oder in Wiesbaden zahlt so locker 1.000 € Miete weniger im Jahr. Ich finde, das kann sich sehen lassen.
Auch die Förderung von Wohnungen für Studierende haben wir neu angeschoben. 2013 hat das Land gut 3 Millionen Euro an Fördermitteln ausgegeben. 2015 waren es bereits 28 Millionen Euro, also fast das Zehnfache.
Die reguläre soziale Wohnraumförderung führen wir nicht nur fort, sondern wir bauen sie auch noch deutlich aus. Neben den bekannten Förderdarlehen gibt das Land nun auch wieder Zuschüsse; denn es hat sich gezeigt, dass in dieser Niedrigzinsphase Darlehen allein nicht ausreichen, um Investoren anzulocken. Mit diesen Zuschüssen haben wir wieder mehr Anreize zum Bau günstiger Wohnungen.
Natürlich ist es ein gutes Signal vom Bund, dass er in den Verhandlungen mit den Ländern die Wohnungsbaumittel erhöht hat – nicht nur wegen der hohen Flüchtlingszahlen. Aber auch das Land Hessen hat die Mittel in diesem Jahr kräftig aufgestockt. Wir haben über das Kommunale Investitionsprogramm ab diesem Jahr noch einmal 230 Millionen Euro zur Verfügung. Insgesamt stellt das Land bis 2019 über 1 Milliarde Euro bereit. Damit fördern wir 10.000 neue Wohnungen für 30.000 Menschen. Meine Damen und Herren Abgeordnete, das ist unsere Wohnungsbauoffensive für Hessen.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
An fehlenden Fördermitteln wird der Wohnungsbau jedenfalls nicht scheitern. In dieser Wahlperiode musste in Hessen noch kein einziger Förderantrag abgelehnt werden. Im Gegenteil, ich freue mich über jeden Antrag, der eintrifft und mit dazu beiträgt, dass wir mehr bezahlbaren Wohnraum in Hessen schaffen können.
(Zuruf des Abg. Michael Siebel (SPD))
Dass die Förderprogramme im Land ankommen, zeigen die frischen Anmeldezahlen. Bis zum vergangenen Freitag konnten Fördergelder aus dem Kommunalen Investitionsprogramm für den Wohnungsbau beantragt werden. Allein in dieser ersten Tranche wurden mehr als 870 neue Wohnungen angemeldet. Hinzu kommen 660 Wohnungen aus der regulären sozialen Wohnraumförderung, die bis zum 30. März angemeldet wurden. Das macht zusammen mehr als 1.500 neue bezahlbare Wohnungen in vier Monaten, und viele weitere sind in Planung. Meine Damen und Herren, das kann gern in diesem Tempo weitergehen.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Übrigens vergessen wir auch den ländlichen Raum nicht. Durch den gemeinsamen Beschluss von CDU, Grünen und SPD wurde die Dorfentwicklung und die Stadtentwicklung für 2016 deutlich aufgestockt. Dieses Geld nutzen wir insbesondere für die Innenentwicklung. Das heißt, wir fördern z. B. die Sanierung bestehender Wohngebäude, aber auch die Umwandlung von gewerblichen Gebäuden zu Wohnraum.
Damit reagiert das Land wie mit dem KIP gezielt auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Städte und des ländlichen Raumes. Es ist auch besonders wichtig, dass wir da Unterscheidungen machen, weil die Bedarfe in ländlichen Gebieten anders sind. Da ist es oft so, dass Häuser im Kerngebiet eines Dorfes oder einer kleinen Kommune leer stehen. Mit unseren Fördermitteln können wir hier gezielt steuern und die Möglichkeit schaffen, im Innenbereich neuen zusätzlichen bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Neben der Förderung braucht es aber auch den richtigen rechtlichen Rahmen, damit es auf dem Wohnungsmarkt fair zugeht. Deshalb haben wir in vielen hessischen Kommunen die Mietpreisbremse eingeführt – sowohl für bestehende als auch für neue Mietverträge. Das verhindert drastische Mieterhöhungen für Bürgerinnen und Bürger. Die Mietpreisbremse wäre noch effektiver gewesen, wenn der Bund die notwendige Rechtsgrundlage früher geschaffen hätte.
(Zuruf des Abg. Michael Siebel (SPD))
Trotzdem ist sie aus meiner Sicht ein wirksames Instrument zur Begrenzung der Mietsteigerungen, die Auswirkungen auf das ganze Preisgefüge am Wohnungsmarkt haben kann. Die Einführung der Mietpreisbremse war deshalb gut und richtig.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU und der SPD)
Das gilt auch für die Wiedereinführung der Fehlbelegungsabgabe. Wer in einer staatlich geförderten Wohnung lebt, aber inzwischen deutlich mehr verdient als zu dem Zeitpunkt, als er in eine Sozialwohnung eingezogen ist, muss dafür künftig einen Ausgleich schaffen, in dem er etwas mehr bezahlt – allerdings stufenweise. Dieses Geld soll für neuen sozialen Wohnungsbau in den Kommunen eingesetzt werden. Das heißt, wir nehmen das Geld nicht, um irgendwelche Löcher zu stopfen, sondern das Geld kann zielgerichtet von den Kommunen wieder eingesetzt werden, um neue Wohnungen zu schaffen. Das ist ein Gebot der Fairness und vermeidet Fehlsubventionen. Wir werden die Fehlbelegungsabgabe aber nur da erheben, wo Aufwand und Ertrag in einem angemessenen Verhältnis stehen. Das vermeidet unnötige Bürokratie in den Kommunen, in denen sich der Verwaltungsaufwand nicht lohnt. Pragmatisch, mit Maß und Mitte – das ist die Devise dieser Landesregierung.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sehr geehrte Abgeordnete, neben der deutlichen Erhöhung der Fördermittel und der Schaffung wirksamer rechtlicher Regelungen habe ich vorhin auf die Bedeutung starker Wohnungsbauunternehmen hingewiesen, die sich einem sozialen Auftrag verpflichtet fühlen. Deshalb ist es gut, dass wir neben vielen kommunalen Wohnungsbauunternehmen mit der Nassauischen Heimstätte auch ein großes erfolgreiches Wohnungsbauunternehmen haben, an dem das Land die Mehrheit hält.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Nassauische Heimstätte bietet – und das will ich hier besonders betonen – in ganz Hessen bezahlbaren Wohnraum an, mit Durchschnittsmieten von unter 5,50 Euro/m². Die Nassauische Heimstätte erfüllt damit einen sozialen Auftrag. Das ist uns wichtig, und damit gehört sie zu den wichtigsten Anbietern auf dem hessischen Wohnungsmarkt. Lassen Sie mich deshalb ganz klar sagen, weil es dazu einmal andere Ideen in der Vergangenheit gab: Das Land Hessen steht zur Nassauischen Heimstätte. Daran wird nicht gerüttelt. Im Gegenteil: Wir brauchen ein starkes Unternehmen, das auch einmal 100 oder 200 Wohnungen auf einen Schlag bauen kann.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)
Es zeigt sich in dieser Zeit auf jeden Fall insbesondere, dass wir ein solches Unternehmen brauchen. Darum werden wir die Nassauische Heimstätte noch einmal besser ausstatten – das bedeutet im ersten Schritt 50 Millionen Euro an zusätzlichem Eigenkapital bereitzustellen, mit dem zahlreiche neue Wohnungen gebaut werden sollen.
Wir bemühen uns, in diesem Jahr noch – möglichst im Sommer –, die notwendigen Beschlüsse dazu zu fassen, auch wenn das beihilferechtlich alles andere als trivial ist. Darüber gab es schon Diskussionen. Wir sind aber in guten Gesprächen, damit wir das auch entsprechend gestalten können. Wir sind auch in Gesprächen mit der Stadt Frankfurt, damit die Mehrheiten dafür auch zustande kommen.
Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich bei den Fraktionen der CDU, der Grünen und auch der SPD bedanken, dass sie die Mittel dafür im Haushalt mit einem gemeinsamen Beschluss bereitgestellt haben. Denn ich glaube, an dieser Stelle sagen zu können, dass es das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik durchaus stärkt, wenn Abgeordnete in wichtigen Fragen auch bereit sind, zusammen zu arbeiten.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)
Die Wohnungspolitik ist ein Politikbereich, in dem es möglich sein sollte, mehr Gemeinsamkeiten zu finden als trennendes, um erfolgreiche Verbesserungen für den Wohnungsmarkt in Hessen zu erreichen.
Meine Damen und Herren Abgeordnete, die Zusammenarbeit mit den Kommunen ist mir wichtig. Die Wohnungsbedarfsprognose, die gerade in der Erstellung ist, wird uns zeigen, in welchen Städten der Bedarf besonders stark steigt.
(Zuruf von der SPD: Wo ist sie denn?)
Wir brauchen für eine Wohnungsbedarfsprognose die Zahlen des Statistischen Landesamtes, um tatsächlich eine realistische Prognose zu haben, auf deren Grundlage wir dann weiter planen können. Sobald diese Zahlen vorliegen, werde ich die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der Städte, in denen es den größten Bedarf gibt, zu einem Gespräch einladen, um mögliche Lösungswege für die Probleme zu suchen und dann auch zu finden.
Ein großes Thema dabei ist sicher die Bereitstellung von vorhandenem Bauland, die Innenentwicklung, aber auch die Kooperation der Kommunen untereinander, denn es kann nicht sein, dass jede Kommune nur für sich selbst denkt und plant. Ich glaube, man muss hier zu einer verstärkten Zusammenarbeit kommen. Dafür werde ich mich einsetzen.
((Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Aber nicht nur die Politik muss zusammenarbeiten, um die Herausforderungen auf dem Wohnungsmarkt zu meistern. Wir brauchten und brauchen ein Bündnis aller relevanten Akteure – der Kommunen, der Wohnungswirtschaft, der Mieterverbände, der Industrie- und Handelskammer und vieler mehr.
Genau deshalb habe ich Mitte 2015 die Allianz für Wohnen gegründet, in der alle relevanten Akteure an einem Tisch sitzen und nach Lösungen suchen. Ende März hat die Allianz für Wohnen nach langen Vorbereitungen erste Maßnahmen beschlossen, die nun nach und nach umgesetzt werden. Ich will deutlich machen, dass es die Vorschläge der Akteure gemeinsam sind, die wir jetzt hier in Angriff nehmen.
Zunächst sollen Hürden für den Wohnungsbau beseitigt werden. Wir werden auf Wunsch der Allianz eine Beratungsstelle für alle Fragen des Wohnungsbaus schaffen, die erste Informationen zur Verfügung stellt und bei Bedarf dann weiter an Fachleute vermitteln kann.
Wir werden einen Wissenstransfer organisieren, damit rechtliche Regelungen zur Schaffung vieler bezahlbarer Wohnungen führen, und nicht zur Verhinderung des Wohnungsbaus – z. B. bei der Aufstockung von Gebäuden. Da gab es ein heftiges Missverständnis und falsche Auslegungen der Hessischen Bauordnung. Dieses konnte inzwischen geklärt werden. Es ist ein wesentliches Mittel und Element von Innenentwicklung, wenn man Aufstocken kann; sonst steht nämlich nicht mehr genügend Bauland zur Verfügung.
Wir werden Leitfäden erstellen und Fachforen veranstalten, um Informationen zu den wichtigsten Themen bereitzustellen. Einige Mitglieder erarbeiten z. B. gerade Anleitungen für die Konzeptvergabe von Flächen. Das heißt, beispielsweise die Frage zu klären, wie Kommunen eine bestimmte Fläche zu einem bestimmten Preis vergeben können, um dann gerade dort möglichst viele bezahlbare Wohnungen zu ermöglichen.
Kurz gesagt: Die Allianz für Wohnen sorgt derzeit dafür, dass sich die Leute nicht mit komplexen Fragestellungen herumschlagen müssen, sondern sich auf das Bauen von Wohnungen konzentrieren können. Ich möchte mich an dieser Stelle herzlich bei allen Mitgliedern der Allianz für Wohnen bedanken, die sich sehr engagiert einbringen.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie zeigen, dass nicht nur die Herausforderung groß ist, sondern auch das Interesse und das Engagement. Die Allianz für Wohnen ist ein Erfolg, und wir werden sie deshalb auf ihren Wunsch hin bis zum Ende der Legislaturperiode fortsetzen und die gemeinsame Arbeit verstetigen.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Bekämpfung der Wohnungsnot ist eine der großen Aufgaben der kommenden Jahre. Die Landesregierung hat Rahmenbedingungen geschaffen, mit denen es gelingen kann, diese Aufgabe zu bewältigen. Erste gute Erfolge sind bereits vorhanden. Daran sollten wir anknüpfen, und zwar alle zusammen; denn nur, wenn alle ihren Teil dazu beitragen, werden wir ein weiteres großes Stück vorankommen. Gemeinsam können wir es schaffen, ausreichend bezahlbaren Wohnraum in Hessen zu schaffen. Ich möchte Sie herzlich bitten, mit mir daran weiterzuarbeiten. – Herzlichen Dank.
(Anhaltender Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Norbert Kartmann:

Vielen Dank, Frau Ministerin.

Zum Thema