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20.04.2016

Priska Hinz, Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Gefahren durch Lebensmittelverpackungen aus Kunststoff

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Lenders, bei den Wasserflaschen kann ich Ihnen vielleicht helfen: Das am besten untersuchte Lebensmittel ist das Leitungswasser.
(Jürgen Lenders (FDP): Ja, das stimmt! – Zurufe der Abg. Florian Rentsch (FDP) und Michael Siebel (SPD))
Da brauchen Sie weder das eine noch das andere zu kaufen. Meine Damen und Herren, ich komme zurück zu den Lebensmittelverpackungen und der Großen Anfrage. Natürlich sind Lebensmittelverpackungen gut für die einfache Handhabung, für die Haltbarkeit von Produkten, auch für die Vielseitigkeit von Angeboten, die wir haben, und oftmals hilft es auch unserer Bequemlichkeit, dass etwas in Plastik verpackt ist.
(Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))
Aber es ist auch eine große Herausforderung für die amtliche Lebensmittelüberwachung, wirklich zu kontrollieren und nachzuvollziehen, ob es Gefährdungspotenziale gibt, das dann auch bekannt zu machen und nachzuverfolgen, damit es sich ändert.
Vor allen Dingen produzieren wir unglaublich viel Müll mit den Plastikverpackungen. Hierbei sind aus umweltpolitischen Gründen grundsätzlich alle Verpackungen, bei denen die Gefahr besteht, dass sie bei einer unsachgemäßen Verwendung gesundheitsschädlich wirken oder bei der Entsorgung in die Umwelt gelangen, kritisch zu sehen.
Viele Plastikverpackungen bauen sich nur ganz langsam ab, verbleiben lange in der Umwelt und können sich dort anreichern. Auch dies ist ein grundsätzliches Umweltproblem. Die aktuelle Diskussion um die Mikroplastikrückstände in der Umwelt und die zunehmende Vermüllung der Meere beleuchten in eindringlicher Weise diese Problematik.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung versucht, die Verbraucherinnen und Verbraucher über den richtigen Umgang mit Lebensmittelverpackungen vor allen Dingen über die Internetseiten des VerbraucherFensters Hessen zu informieren. Dort befinden sich Tipps für den Umgang mit Lebensmittelverpackungen, Tipps für die mögliche Reduzierung von Verpackungen aber auch weiterführende Links zum Umgang mit gebrauchten Lebensmittelverpackungen.
Oftmals hat man zu Hause Verpackungen und nutzt diese für ein anderes Lebensmittel noch weiter. Das kann durchaus gesundheitsschädlich sein. Oder aber die Frage: Welche Plastikverpackung stelle ich eigentlich in die Mikrowelle? – Wenn man denn auf Plastik setzt, sollte man auch da wirklich nur das nehmen, was tatsächlich auch für Mikrowellen zugelassen ist. Alles andere kann sich auf die Speisen übertragen, und auch dieses kann der Gesundheit schaden.
Meine Damen und Herren, zur Aufklärung, Information aber auch zur Reduzierung des Mülls soll auch meine Kampagne beitragen, die auch die Abg. Feldmayer eben genannt hat, nämlich der „Becher-Bonus“. Sie müssen sich einmal überlegen: 320.000 Becher pro Stunde werden durch die Bevölkerung verbraucht, weil sie Kaffe in diesen plastikbeschichteten Bechern kauft, mitnimmt, trinkt und dann wegwirft. 320.000 pro Stunde.
Deswegen, glaube ich, ist es sinnvoll, dass wir versuchen, die Verbraucher und die Verbraucherinnen nicht nur über Verbote, sondern auch über Anreize dahin zu bringen, dass sie nicht ganz bequem sind, sondern in einer anderen Art und Weise mit diesem Problem umgehen, und wir sollten ihnen das auch bewusst machen.
Aber wir brauchen natürlich auch eine Regulierung, nationale und europäische Lösungen. Das ist ganz klar. Deshalb unterstützt die Landesregierung den Beschluss der Umweltministerkonferenz zur Reduzierung des Eintrags von Kunststoffen in die Umwelt. Dabei geht es vor allen Dingen auch um den Verbrauch von Plastiktüten. Die EU möchte, dass wir den Verbrauch von Plastiktüten in den nächsten zehn Jahren auf 40 Tüten pro Kopf und Jahr senken, was für ein irrer Zeitraum, um dann auf 40 Tüten zu kommen. Derzeit verbrauchen die Bundesbürger noch durchschnittlich 71 Plastiktüten pro Jahr. Es kann sich jeder einmal an die eigene Nase fassen und überlegen, wofür er Plastiktüten nutzt und wo die dann hinterher landen. Diese Plastiktüten müssen jetzt kostenpflichtig werden, und dem Handel wurde Zeit gelassen, das erst einmal freiwillig zu regeln. Man bemüht sich jetzt; wenn das allerdings nicht klappt, wird es eine verpflichtende gesetzliche Regelung geben müssen.
Ein immer größer werdendes Problem gibt es bei den erwähnten Kunststoffteilchen in einer Größenordnung im Mikro- und Nanometerbereich; das sind die sogenannten Mikroplastikartikel. Hierzu haben wir den UMK-Beschluss gefasst, dass es beispielsweise in Reinigungsmitteln, Kosmetika und Körperpflegemitteln ein Verwendungsverbot geben soll. Wir brauchen kein Plastik in der Kosmetik. Ich will mir keine Mikroplastikteilchen ins Gesicht schmieren müssen.
(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)
Ich nehme an, die Männer hier im Saal wollen das auch nicht. Von daher gehe ich davon aus, dass Sie alle dafür sind, dass man das verbietet, wenn es keinen freiwilligen Ausstieg seitens der Industrie gibt. Wir können dazu selbst beitragen, indem wir auf Feuchttücher verzichten, die aus einem Polyester-Viskose-Gemisch bestehen oder aus in Kunstharz getränkten Fasern.
Die Landesregierung handelt auch vor Ort. Wir haben im September 2015 einen Zuwendungsbescheid in Höhe von fast 900.000 Euro für die Fortführung eines eineinhalbjährigen Forschungsvorhabens des Abwasserverbandes Langen-Egelsbach-Erzhausen zur Entfernung von Mikroplastik in der Kläranlage überreicht. Diese Forschung ist wichtig – Herr Lenders, da gebe ich Ihnen recht –, aber das reicht nicht. Es ist natürlich sinnvoll, dass Industrie und Hochschulen forschen. Aber auch wir versuchen auf unserem Felde zu erforschen, wo Plastik tatsächlich in die Umwelt, in das Wasser, in das Abwasser gelangt, damit man es in den Kläranlagen tatsächlich aufhalten kann, bevor es wiederum in die Meere geht oder auf eine andere Art und Weise in den Kreislauf zurückkommt und sich wiederum in unseren Körpern anreichert.
Meine Damen und Herren, es geht bei dem Bereich, den Frau Löber mit der Großen Anfrage angesprochen hat, nicht nur um Kunststoffverpackungen. Es geht unter anderem – ich komme noch zu einem weiteren Punkt – um sogenannte Lebensmittelbedarfsgegenstände. Dazu zählen alle Gegenstände, die generell mit Lebensmitteln in Berührung kommen. Das umfasst auch so alltägliche Dinge wie Messer, Gabel, Löffel und Teller, aber es umfasst beispielsweise auch Schläuche von Bierzapfanlagen.
(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Auch das ist ein wichtiger Punkt, Frau Abgeordnete. Das Reinheitsgebot soll nicht dadurch irgendwie gestört werden, dass in den Schläuchen irgendwelche Rückstände sind, die dann irgendwie im Bier landen und wiederum in unseren Mägen.
(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))
Im Jahr 2014 wurden im Hessischen Landeslabor insgesamt 582 Bedarfsgegenstände mit Lebensmittelkontakt untersucht. Die Beanstandungsquote betrug 11 Prozent. Das ist aus meiner Sicht noch immer zu viel. Das reichte von Kennzeichnungsmängeln, das ist nicht ganz so dramatisch, bis hin zu überhöhten Freisetzungen von Schwermetallen. Die Messungen sind so wichtig, damit wir das nachverfolgen können, damit die Beanstandungen auch zu Veränderungen führen.
Die Landesregierung wird weiterhin an der Reduzierung und der Überwachung arbeiten, damit wir weniger Plastik und vor allen Dingen weniger Gesundheitsschädigungen durch Plastik haben werden. – Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Vielen Dank, Frau Ministerin.