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16.07.2014

Priska Hinz: Fehlsubventionierung im Wohnungswesen

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch ich finde es natürlich gut, wenn uns die Opposition in einem Vorhaben unterstützen will. Aber: Gut gemeint ist nicht immer gut gekonnt. Herr Schaus, so besonders leicht scheint es doch nicht zu sein, einen überzeugenden Gesetzentwurf vorzulegen.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Das kann ich Ihnen an drei Punkten deutlich machen.

Zunächst beruht der Gesetzentwurf auf einer falschen Aus- gangslage. Völlig unklar ist, ob – wie Sie behaupten – tat- sächlich 280.000 anspruchsberechtigte Haushalte in Hessen existieren.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Diese Behauptung selbst ist völlig aussagelos. Es kommt darauf an, ob es Anspruchsberechtigte gibt, die auf dem Sozialwohnungsmarkt auftreten, d. h. ob sie sich haben registrieren lassen.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Selbst wenn man anspruchsberechtigt ist, heißt das noch nicht, dass man unbedingt eine Sozialwohnung braucht und die Miete subventioniert werden muss.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Zum Zweiten. Wir erweitern durch neue Förderprogramme für den Mittelstand und durch Förderung von Studenten den Kreis der Anspruchsberechtigten. Das heißt aber nicht, dass die „normalen Menschen“, die eine Sozialwohnung suchen, benachteiligt werden. Wir haben auch ein neues Sonderprogramm zur Finanzierung dieser besonderen Zielgruppen. Die bisherigen Sozialwohnungen und die reguläre Förderung von Sozialwohnungen bleiben für die bisherige Zielgruppe vorhanden. Das heißt, da gibt es keinerlei Schlechterstellung, im Gegenteil: Es wird insgesamt eine Besserstellung geben.

Drittens. Die Behauptung, dass Personen in erheblichem Umfang unberechtigt in Sozialwohnungen leben, ist auch so nicht korrekt. Vor dem Auslaufen der alten Fehlbelegungsabgabe lag die Quote der leistungspflichtigen Haushalte bei 18 Prozent. Das heißt schon einmal, Sie legen Ihrem Gesetzentwurf falsche Angaben zugrunde.

Dann kommt aber noch der gravierendere Punkt hinzu: Sie haben nämlich einfach das alte hessische Gesetz abgeschrieben und mit ein bisschen Bundesgesetz ergänzt. Dabei haben Sie auch noch handwerkliche Fehler gemacht. Sie haben z. B. vergessen, die Wohnungen zu erwähnen, die nach dem Hessischen Wohnraumfördergesetz gefördert werden. Diese würden somit gar nicht der Fehlbelegungsabgabe unterliegen. Das finde ich einigermaßen erstaunlich.

Auch verwenden Sie zum Teil völlig veraltete Zahlen, mit denen heute niemand etwas anfangen kann. Wenn Sie davon ausgehen, dass man Leistungspflicht für Wohnungen hat, die vor dem 1. Januar 1955 bewilligt worden sind, bringt das im Jahr 2015 und Folgende überhaupt nichts mehr. Auch dies ist einfach aus alten Gesetzen abgeschrieben. Der Gesetzentwurf verkennt zudem, dass das Land keine Gesetzgebungskompetenz zur Regelung von Bundesbedienstetenwohnungen hat.

Dies alles zusammengenommen verkennt noch nicht die gute Absicht. Aber es ist – auch mit Blick auf die Abgabehöhe – keine fundierte Grundlage in Ihrem Gesetzentwurf erkennbar. Beispielsweise ist die Festlegung einer Erhebungspflicht ab 50 Prozent Einkommensüberschreitung zu hoch angesetzt, während hier über die 6,50 Euro am Ende, an der Spitze, schon genügend diskutiert wurde. Es ist keine reale Grundlage für eine solche Gesetzesformulierung vorhanden, und warum man das so erheben soll. Bei 50 Prozent Einkommensüberschreitung würde überhaupt kein nennenswertes Aufkommen erzielt, für die Kommunen wäre es gar nicht wirtschaftlich, dann sozusagen diese Verwaltung bzw. Bürokratie auf sich zu nehmen, um festzustellen, wer überhaupt fehlbelegungsabgabepflichtig wäre. Ich habe den Eindruck, Sie haben Werte genommen, über den Daumen gepeilt und diese in den Gesetzentwurf hineingeschrieben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen das anders machen. Die Landesregierung fühlt sich für die Bürgerinnen und Bürger verantwortlich wie auch für die Kommunen. Für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger wollen wir faire Regelungen schaffen. Deswegen wird gerade ein von mir in Auftrag gegebenes Gutachten erstellt, in dem genau geprüft wird, ab welcher Einkommensüberschreitung eine Fehlbelegungsabgabe zu zahlen ist, damit es auch für die Bürgerinnen und Bürger tragbar ist und für die Kommunen wirtschaftlich sinnvoll, aber auch damit noch Geld zusammenkommt, um tatsächlich wieder neue Sozialwohnungen bauen und fördern zu können. Auch die Höhe und Staffelung der Ausgleichszahlungen müssen durch eine fundierte Datengrundlage ermittelt werden. Es geht also um ökonomische Richtigkeit, verteilungspolitische Gerechtigkeit und Praktikabilität.

Was an Ihrem Gesetzentwurf meines Erachtens ebenfalls fehlt, ist die Expertise der Kommunen, die das Gesetz ausführen müssen. Wir jedenfalls legen viel Wert auf die Erfahrungen der Gemeinden. Wir wollen sie einbinden, deswegen ist es so auch explizit im Antrag der Koalitionsfraktionen aufgeführt. Ich habe alle Kommunen in Hessen angeschrieben, dass sie mir doch bitte mitteilen mögen, wie sie sich das vorstellen können, unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen das eingeführt werden kann und was verwaltungsmäßig tragbar ist. Ich glaube, das ist der richtige Weg.

Herr Siebel, Sie sagten, Sie möchten gern, dass die Kommunen es völlig frei entscheiden können. Aus unserer Sicht ist es tatsächlich nicht möglich, den Gemeinden diese Entscheidung völlig frei zu überlassen, weil das Bundesverfassungsgericht schon vor Jahrzehnten entschieden hat, dass der Subventionsvorteil – und nichts anderes ist die subventionierte Sozialmiete – bei allen Betroffenen abgeschafft werden muss, die diesen Vorteil unberechtigterweise genießen. Deswegen müssen wir die Fehlbelegungsabgabe flächendeckend einführen. Aber wir können Ausnahmen auf fundierter Grundlage ermöglichen, und für diese Ausnahmen schaffen wir nun eine Datengrundlage und wollen dies auch im Einverständnis mit den Kommunen umsetzen, damit keine Kommune etwas einführen muss, was für sie am Ende nicht wirtschaftlich tragbar ist und keinen Sinn für sie macht, sodass sie dagegen aufstehen würde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

In diesem Sinne glaube ich sagen zu können, dass die Landesregierung das erarbeitet, was in der Koalitionsvereinbarung steht, und dass wir dies gründlich tun. Ein solch komplexes Gesetz muss gründlich vorbereitet werden, damit es hinterher einen sinnvollen Effekt für alle Beteiligten hat. Wir haben die Mietpreisgrenze auf den Weg gebracht, damit die Mieten in Hessen für die Bestandsmieten nicht überbordend werden. Wir haben jetzt das Wohnraumfördergesetz auf den Weg gebracht, damit es mehr Wohnungsbau in Hessen gibt, die Mieten nicht weiter ansteigen und vor allem die Menschen bezahlbaren Wohnraum haben.

Jetzt gehen wir mit der Fehlbelegungsabgabe in die nächste Etappe. Ich glaube, das ist ein gutes wohnungspolitisches Signal. Wir werden das im Herbst auf den Weg bringen. Bis dahin werden wir wohl die Datengrundlage und die Diskussion mit den Kommunen geführt haben. Dann sollten wir es hier gemeinsam diskutieren und den besten Weg finden. Wenn schon vier Fraktionen im Grundsatz dafür sind, werden wir am Ende tatsächlich auch das Beste an Entscheidungen herausbekommen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank, Frau Staatsministerin Hinz.

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