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03.09.2013

Monne Lentz: Zweites Gesetz zur Änderung des Hessischen Gesetzes zur Ausführung des Transplantationsgesetzes

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Transplantationsmedizin rettet Leben, berührt aber auch tiefergehende ethische und moralische Fragen. Das Tabuthema „Sterben“ spielt dabei eine ebenso wichtige Rolle wie die Frage, wie die Persönlichkeitsrechte jedes einzelnen Bürgers und jeder einzelnen Bürgerin mit der lebensrettenden Maßnahme Organspende in Einklang zu bringen sind. Insoweit ist die Politik mit in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass Bürgerinnen und Bürger Rechtssicherheit in der Frage der Organspende haben.

Die Skandale um die Organspende haben das Vertrauen der Bevölkerung und so mancher Klinik in die Transplantationsmedizin nachhaltig erschüttert. Indiz dafür ist die von Herrn Mick eben schon erwähnte sinkende Anzahl an Spendern, die im Jahr 2013 bereits um 20 Prozent zurückgegangen ist.

Die Spanne zwischen der grundsätzlichen Organspendebereitschaft und der Zahl derjenigen, die einen Organspendeausweis besitzen, ist ebenfalls eklatant. 70 % sind theoretisch bereit, ihre Organe zu spenden, aber lediglich 22 % haben auch einen Spenderausweis. So schlimm das für die Personen ist, die auf der Warteliste stehen und ein lebenswichtiges Organ brauchen, kann man den Leuten an sich keinen Vorwurf machen, wenn sie nach den ganzen bekannt gewordenen Manipulationen ihre Bereitschaft zur Organspende noch einmal überdenken.

Wichtiges Mittel, um das Vertrauen der Menschen wiederzugewinnen, ist dementsprechend eine Strukturreform der Transplantationsmedizin. Wir halten es für besonders wichtig, dass mit der letzten Reform nun ein Straftatbestand für Wartelistenmanipulationen eingeführt wurde und die Genehmigung der Richtlinien der Bundesärztekammer eingeführt worden ist.

Die nun von der Landesregierung vorgelegte Änderung des hessischen Gesetzes ist aus unserer Sicht insbesondere vor dem Hintergrund des eben Gesagten genau zu prüfen. Die meisten vorgeschlagenen Änderungen sind für uns unproblematisch. Lediglich zwei Punkte sind zu hinterfragen:

Der erste Punkt ist die Einführung der neuen Kategorie des orientierenden Gesprächs. Bereits im Vorfeld, wenn noch gar nicht klar ist, ob der Patient tatsächlich hirntot ist, soll mit den Angehörigen über eine mögliche Organspende gesprochen werden. Das ist problematisch. Zum einen sind die Angehörigen im Sinne des Transplantationsgesetzes zu dem Zeitpunkt noch gar nicht entscheidungsbefugt, sondern lediglich die Vorsorgebevollmächtigten oder Betreuer. Zum anderen müsste in einem solchen Gespräch sichergestellt werden, dass wirklich ergebnisoffen aufgeklärt wird. Denn die Folgen einer Spende sind für den potenziellen Spender enorm. Sollte sich in einem solchen Gespräch tatsächlich herauskristallisieren, dass jemand potenziell zum Spenden bereit ist, ändert sich der Sterbeprozess des Betroffenen. Palliativmedizinische Behandlungen wären nicht mehr möglich. Darüber hinaus müsste das Leben künstlich länger erhalten bleiben, damit die Hirntoddiagnostik durchgeführt werden kann. Das ist nicht zwangsweise problematisch, darüber muss aber aufgeklärt werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der zweite Punkt, den wir kritisch sehen, ist, dass das orientierende Gespräch auch auf zuständige Koordinatoren der Deutschen Stiftung Organtransplantation übertragen werden kann. Das ist ebenfalls problematisch, weil die Koordinatoren nicht zwangsweise neutral sind, was aber der Fall sein muss, da ansonsten zu befürchten ist, dass pro Organspende argumentiert wird und mögliche negative Konsequenzen einfach nicht erwähnt werden.

Daher halten wir es für notwendig, dass das Vertrauen in die Transplantationsmedizin wieder gestärkt wird. Mit dem Gesetz sind wir auf einem guten Weg. Wir sind gespannt und erwarten viele Erkenntnisse aus der Expertenanhörung im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Präsident Norbert Kartmann:

Danke schön.

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