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27.06.2012
Portraitfoto von Mathias Wagner vor grauem Hintergrund.

Matias Wagner: Das wäre Roland Koch nicht passiert: „chaotisches“ Regierungshandeln unter Volker Bouffier

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Was ist bloß aus dem politischen Erbe von Roland Koch geworden?

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Lebhafte Zurufe von der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Vor zwei Jahren wechselte das Ministerpräsidentenamt von Roland Koch zu Volker Bouffier. In der Tat haben wir GRÜNEN sehr viel Kritik an der Politik von Roland Koch geübt,

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

und wir sehen an den reiheweise einstürzenden Leuchttürmen von Roland Koch, dass diese Kritik berechtigt war.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ob die Privatisierung der Uniklinik in Gießen und Marburg, ob die Privatisierung bei der JVA Hünfeld, ob die European Business School, ob G 8, ob der Flughafen Kassel-Calden – überall einstürzende Leuchttürme von Roland Koch. Da haben wir überhaupt nichts zurückzunehmen.

Wir haben Kritik an der Politik von Roland Koch geübt. Aber eines konnte man Roland Koch nicht vorwerfen. Man konnte ihm nicht vorwerfen, dass er nicht wusste, wo er hin wollte. Man konnte ihm auch nicht vorwerfen, dass er nicht in der Lage gewesen wäre, das, was er wollte, auch umzusetzen. Roland Koch wusste, was er wollte, und hat das auch umgesetzt bekommen. Volker Bouffier weiß nicht, was er will, und noch nicht einmal das bekommt er umgesetzt. Das ist der entscheidende Unterschied.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU)

Wir können im Hessischen Landtag zu verschiedenen Themen unterschiedlicher Auffassung sein. Das ist gut so, das gehört zur Demokratie. Aber wir alle müssen von einer Regierung erwarten können, dass sie sauber regiert und dass sie das Verwaltungshandeln beherrscht. Genau das ist seit zwei Jahren in diesem Land unter Volker Bouffier nicht mehr der Fall.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Einige Beispiele dafür: die verkürzte Schulzeit zum Abitur, G 8. Da sagt die frisch ins Amt gekommene Kultusministerin, sie wolle darüber jetzt noch einmal nachdenken. Nachzudenken ist immer gut. Dann kommt der Ministerpräsident und sagt auf dem CDU-Parteitag, die Gymnasien bekämen ein Wahlrecht. Daraufhin fragen wir die Ministerin, wie das eigentlich ist, wann das Wahlrecht kommt, wie die Pläne aussehen. Die Ministerin sagt: So war es doch nicht gemeint. – Dann sagt Herr Irmer im Ausschuss: Doch, so war es gemeint, es kommt zum Schuljahr 2013/2014. – Daraufhin sagt Herr Blechschmidt: Das, was Herr Irmer gesagt hat, war nur die Privatmeinung von Herrn Irmer. – Gestern haben nun Herr Bouffier und Frau Beer gemeinsam erklärt, die Wahlfreiheit komme doch zum Schuljahr 2013. Regieren darf man nicht nur wollen, regieren muss man auch können.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU

Ein weiteres Beispiel: der Energiegipfel, für den sich der Ministerpräsident so sehr rühmt. Da wurde lange und hart darum gerungen, welcher Wert festgeschrieben wird, was den prozentualen Anteil der Windvorrangflächen an der Landesfläche angeht. Man hat sich auf die Formulierung verständigt: in der Größenordnung von 2 %. – Das ist eine ganz wichtige, ganz entscheidende Marke für die Energiewende in unserem Land. Vor ein paar Tagen fand in Kassel eine Kabinettssitzung statt, auf der über das Umsetzungsgesetz diskutiert wurde. Da hieß es auf einmal: es sollen bis zu 2 % sein. Das ist aber genau die Formulierung, um die man auf dem Energiegipfel gerungen hat, die man gerade nicht wählen wollte. Deshalb: Regieren darf man nicht nur wollen, regieren muss man auch können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Nächstes Beispiel: die Nassauische Heimstätte. Herr Schäfer, Sie schauen mich gerade so freundlich an.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Diese Landesregierung hat über Monate eine Debatte über den Verkauf der Nassauischen Heimstätte geführt, um in dieser Woche zu sagen: Das war nur eine Idee von uns, das kommt nicht. – Über Monate haben Sie die Mieter und ihre Familien verunsichert,

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU) – Weitere Zurufe von der CDU)

ohne irgendein klares Ziel und ohne irgendein Ergebnis. Regieren darf man nicht nur wollen, regieren muss man auch können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Es ist gut so, dass die Nassauische Heimstätte nicht verkauft wird, aber Sie hätten uns und den Mieterinnen und Mietern diese Debatte ersparen sollen. Das Einzige, was Sie erreicht haben, Herr Dr. Wagner, vielleicht war das das geheime Ziel – –

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

– Zum Thema Fasching komme ich noch, Herr Dr. Wagner. Das kann ich Ihnen versprechen.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Das Einzige, was sie erreicht haben, Herr Dr. Wagner, Sie Großstratege, ist, dass Boris Rhein in Frankfurt, auch wegen dem Thema Nassauische Heimstätte, die OB-Wahl krachend verloren hat. Wenn das der Plan war, dann herzlichen Glückwunsch zu diesem grandiosen Erfolg.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich will Herrn Dr. Wagner, meinem Namensvetter, die Antwort nicht schuldig bleiben und ihn auch nicht länger auf die Folter spannen. Herr Dr. Wagner, „Karneval“ ist ein gutes Stichwort.

(Zurufe von der CDU)

Wir alle erinnern uns an die Büttenrede von Volker Bouffier in Bad Schwalbach, wo er gegen Ende gesagt hat, dass die Landesgartenschau nach Bad Schwalbach kommt. Dann hat er festgestellt: Das Kabinett hat dazu noch gar nichts beschlossen. – Er hat daraufhin seine eigene Rede für eine Narretei erklärt, und wenige Woche später hat das Kabinett beschlossen, dass die Landesgartenschau doch nach Bad Schwalbach kommt.

(Peter Seyffardt (CDU): Sie waren doch gar nicht dabei! – Weitere Zuruf von der CDU)

Es ist gut so, dass die Landesgartenschau nach Bad Schwalbach kommt, meine Damen und Herren von der Regierungspartei, aber wenn man die Kabinettssitzung nicht mehr von einer Kappensitzung unterscheiden kann, dann hat die Regierung ein Problem.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Lebhafte Zurufe von der CDU)

Nächstes Beispiel: das Innenministerium. Damit hatten Sie, Herr Ministerpräsident, lange Zeit etwas zu tun, und Herr Rhein hat jetzt damit zu kämpfen, dass Sie lange Zeit etwas damit zu tun hatten. Es gibt im Innenministerium nahezu kein Besetzungsverfahren für eine höher bewertete Position, das nach Recht und Gesetz läuft.

(Beifall der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Nach 13 Jahren Schwarz-Gelb kaum ein Besetzungsverfahren im Innenministerium, das nach Recht und Gesetz läuft: Regieren darf man eben nicht nur wollen, regieren muss man auch können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Der Kollege Frömmrich hat doch völlig zu Recht gesagt: Jede Pommesbude in Offenbach hat ein besseres Controlling und ein besseres Personalmanagement als das Innenministerium, das dieser Ministerpräsident Herrn Rhein hinterlassen hat.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Lebhafte Zurufe von der CDU)

Vor einigen Wochen hat die FDP beschlossen, dass sie zwei Minister auswechseln will. Dass das alles nicht sehr stilvoll gelaufen ist, darüber haben wir in der letzten Plenarrunde schon hinreichend diskutiert.

26 Dann hat die interessierte Öffentlichkeit dem Herrn Ministerpräsidenten die Frage gestellt, was eigentlich mit den CDU-Mitgliedern des Kabinetts ist. Die FDP wechselt Minister aus. Was hat eigentlich die CDU vor? Der Ministerpräsident braucht ein ganzes Wochenende, bis er in dieser Frage überhaupt sprechfähig ist. Herr Bouffier, worüber haben Sie eigentlich nachgedacht? Das ist ganz spannend. Haben Sie darüber nachgedacht, dass Herr Rhein vielleicht doch keine gute Besetzung ist?

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Haben Sie darüber nachgedacht, dass die Wissenschaftsministerin, der die Kosten für die Museumslandschaft völlig aus dem Ruder laufen, doch keine gute Besetzung ist? Wieso brauchen Sie überhaupt 48 Stunden, um vor die Öffentlichkeit treten und sagen zu können: „Ach, ich habe einmal darüber nachgedacht; eigentlich sind die ganz in Ordnung“? Regieren muss man nicht nur wollen, man muss es auch können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Wenn das eigene Unvermögen so deutlich wird, ist die Antwort von Schwarz-Gelb, dass man die Opposition beschimpft. Wir haben gesehen, dass die CDU-Fraktion in der letzten Woche unsere Pressemitteilung zu diesem Setzpunkt einfach umgedichtet hat, sodass sie jetzt auf uns gemünzt ist. Der schärfste Vorwurf, den CDU und FDP an die Landtagsopposition richten, ist, dass diese künftig die Regierung stellen will. Der schärfste Vorwurf ist – man stelle sich das vor –: Die Opposition will an der Regierung sein. Soweit ich weiß, ist es in einer Demokratie die Aufgabe der Opposition, die Regierung anzustreben.

Es ist aber in einer Demokratie nicht die Aufgabe der Regierung, sich wie die Opposition aufzuführen. Genau das ist das Problem in diesem Land.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Sie haben keine eigenen Ideen. Sie machen keine eigenen Vorschläge. Die Opposition zu beschimpfen ist das Einzige, was ihnen einfällt; denn sie, zumindest BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die SPD, macht sehr konkrete Vorschläge für die Landespolitik. Ich habe sie mitgebracht; ich will nicht alle zitieren.

(Zuruf von der CDU)

Aber eine Regierung, die nichts erreicht hat, nichts mehr vorhat und sich darauf beschränkt, die Opposition zu beschimpfen, kann es nicht. Das kann man ganz einfach sagen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU)

Deshalb sage ich: Unsere Sehnsucht nach Roland Koch

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

und nach dem, was er inhaltlich vertreten hat, ist gering. – Frau Kollegin Wissler, Sie sollten immer das Ende eines Satzes abwarten; manchmal kommen noch wichtige Informationen. – Unsere Sehnsucht nach dem Inhalt der Politik von Roland Koch ist gering; aber Roland Koch konnte wenigstens eine Verwaltung führen, und er verstand sein Geschäft.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Unter Herrn Bouffier ist es mittlerweile so, dass der Unterschied zwischen einer Kappen- und einer Kabinettsitzung nicht mehr klar erkennbar ist. Eine solche Regierung hat unser Land nicht verdient. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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