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05.03.2009
Portraitfoto von Mathias Wagner vor grauem Hintergrund.

Mathias Wagner zur Senkung der Klassenobergrenzen in den Schulen und Gruppengrößen in den Kindertagesstätten

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bevor ich zum Antrag der Fraktion DIE LINKE komme, ein Wort zu Herrn Irmer. Ich hatte große Hoffnung, dass Sie in der neue Legislaturperiode einmal eine neue Rede halten würden, muss aber feststellen: Seit ich im Landtag bin, seit nunmehr sechs Jahren, ist es immer die gleiche Rede. Es wäre schön, wenn Sie irgendwann in der bildungspolitischen Wirklichkeit ankommen würden, Herr Kollege Irmer.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Sie sagen immer das Gleiche. Sie sagen, im Prinzip sei an hessischen Schulen alles prima, und an allem, was nicht prima ist, sei die rot-grüne Regierung von 1991 bis 1999 schuld. Herr Irmer, es glaubt Ihnen doch wirklich niemand.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

An unseren Schulen ist aber nicht alles in Ordnung. Wenn wir uns anschauen, wie unsere Schulen im nationalen oder internationalen Vergleich abschneiden, dann müssen wir leider feststellen, dass trotz des großen Engagements der Lehrerinnen und Lehrer, trotz des großen Engagements der Eltern und trotz der Bereitschaft der hessischen Schülerinnen und Schüler, zu lernen, einiges im Argen liegt. Das liegt nicht an den Schulen. Dort wird eine gute Arbeit gemacht. Es liegt daran, dass die Rahmenbedingungen für die Schulen in unserem Land nicht stimmen. An diesen Rahmenbedingungen müssen wir alle gemeinsam arbeiten.

Damit bin ich bei dem Antrag der Fraktion DIE LINKE. Ich weiß nicht recht, wie man Ihren Antrag betrachten soll. Wenn ich ihn als schulpolitisches Konzept betrachte, was an unseren Schulen zu tun ist, um die Rahmenbedingungen zu verbessern, dann kann ich nur zu dem Ergebnis kommen: Es ist zu wenig, was Sie in Ihrem Antrag vorschlagen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Senkung der Gruppen- und Klassengrößen ist sicher ein wichtiges Instrument, aber sie ist kein bildungspolitisches Gesamtkonzept. Insofern ist das zu wenig, wenn ich es schulpolitisch betrachte. Ich werde gleich noch detaillierter darauf eingehen. Nehmen Sie mir es nicht übel, liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion DIE LINKE, es ist aber auch zu wenig als Beitrag einer Fraktion zu der Überlegung, die man vom bildungspolitisch Notwendigen zum politisch Realisierbaren kommt. Herr Kollege van Ooyen, es bringt keiner Schule etwas, wenn man in den Hessischen Landtag Wunschzettel einbringt, deren Umsetzung 400 Millionen € kosten würde, und zur Finanzierung, Realisierung und Umsetzung dieser Forderungen kein einziges Wort verliert. Das hilft niemandem in diesem Landtag weiter.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU sowie der FDP – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Herr Schaus, weil Sie mich gerade so freundlich ansprechen: Es muss in der bildungspolitischen Debatte darum gehen, ein Gesamtkonzept für unsere Schulen zu beschreiben, und die Fraktionen im Hessischen Landtag müssen sich die Mühe machen, auch wenn sie relativ neu in diesem Parlament sind, zu beschreiben, wie man dieses Konzept konkret umsetzen will. Genau das will ich tun. Wenn der Antrag der LINKEN es nicht tut, helfen wir da gerne.

(Zuruf des Abg. Axel Wintermeyer (CDU))

– Herr Kollege Wintermeyer, wir sind da etwas offener. Sie wissen, für uns gilt das bildungspolitische Prinzip, jeden dort abzuholen, wo er steht.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das gilt auch für Sie, Herr Kollege Wintermeyer. Da hatten wir ja in der letzten Legislaturperiode manchen Erfolg,

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das gilt auch für die Fraktion DIE LINKE. Wenn es in der Sache weiterhilft, gehe ich sogar mit dem Kollegen Irmer frühstücken. Leider würde es aber nicht wirklich helfen.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Was ist notwendig? Wir brauchen eine bessere Personal- und Sachausstattung unserer Schulen. Es gibt einen breiten Konsens in diesem Haus, dass ein Instrument dafür eine 105-prozentige Lehrerversorgung wäre. Damit sind wir beim Thema kleinere Klassen und bessere Lehrerausstattung. Wir müssen aber natürlich auch im Bereich der frühkindlichen Bildung Ernst machen. Auf den Anfang kommt es an. Wir müssen schauen: Wie sind die Arbeitsbedingungen in unseren Kindertagesstätten? Wie können wir den Bildungs- und Erziehungsplan, der derzeit klug, schlau und gut auf dem Papier steht, mit Leben erfüllen? Welche Rahmenbedingungen müssen wir schaffen, dass das an unseren Kindertagesstätten und an unseren Schulen tatsächlich umgesetzt werden kann? Dazu sind kleinere Gruppen in den Kitas und kleinere Klassen an den Grundschulen ein wichtiger Schritt. Wir müssen uns aber auch die Lehrerdeputate an den Grundschulen anschauen, ob damit die Vernetzungsarbeit mit den Kindertagesstätten tatsächlich geleistet werden kann.

Wir müssen für die Fortbildung der Erzieherinnen und Erzieher und der Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer sorgen. Wir müssen an der Grundschule an der flexiblen Schuleingangsstufe weiterarbeiten, sodass Kinder die ersten beiden Klassen je nach Begabung, je nachdem, was sie von Zuhause mitbekommen haben, als pädagogische Einheit in einem Jahr, in zwei oder in drei Jahren durchlaufen können. Wir müssen an den weiterführenden Schulen weiterarbeiten und eine neue Schule auf den Weg bringen. Wir müssen den Rahmen für neue pädagogische Konzepte schaffen, für ein Mehr an individueller Förderung. Wir brauchen eine Ausweitung des Ganztagsschulprogramms an unseren Schulen. Wir brauchen eine Stärkung des gemeinsamen Unterrichts von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderung, und wir müssen auch im Bereich der Weiterbildung einiges tun. Herr Kollege van Ooyen, zu all dem steht in Ihrem Antrag nichts. Deshalb ist Ihr Antrag auch fachpolitisch völlig unzureichend.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir all das beschreiben, was wir politisch tun und an unseren Schulen verändern müssen, dann haben wir als Politiker auch die Aufgabe, den relevanten Akteuren im Bildungsbereich zu beschreiben, wie das gehen könnte. Das ist nicht der Job der Interessenvertreter im Bildungsbereich.

Das ist nicht ihre Aufgabe. Es ist völlig legitim, dass Interessenvertreter im Bildungssektor, wie Gewerkschaften, Elternvertretungen und Schülervertretungen, ihre Erwartungen an die Politik formulieren. Das ist gut, das ist nützlich, das ist hilfreich, das ist ein wesentlicher Baustein für unsere Arbeit.

Aber die entscheidende Leistung, die die Fraktionen dieses Landtags und die Landesregierung erbringen müssen, ist, zu beschreiben, wie man aus der Summe der Interessen ein Gesamtkonzept formuliert und wie man dieses Gesamtkonzept tatsächlich umsetzen und finanzieren kann. Das ist die Leistung der Politiker. Das unterscheidet uns von den außerparlamentarischen Gruppen, und ich würde mir sehr wünschen, dass die Fraktion DIE LINKE diesen Unterschied endlich begreift und hier adäquate Lösungsvorschläge macht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In puncto adäquate Lösungsvorschläge bin ich übrigens den Kolleginnen und Kollegen von der SPD sehr dankbar für ihren Antrag zu dem Thema Sozialindex. Auch das ist ein Projekt, das sich nach und nach immer mehr Fraktionen des Hessischen Landtags auf die Fahnen geschrieben haben.

Wir glauben ebenfalls, es ist ein richtiger Weg, sich genauer anzuschauen, wie die Bedingungen sind, unter denen unsere Schulen arbeiten müssen. Sie sind eben nicht für alle gleich. Eine Schule im Hochtaunuskreis hat mit Sicherheit andere Arbeitsbedingungen als eine Schule im Frankfurter Gallusviertel. Das müssen wir bei der Lehrerzuweisung endlich stärker berücksichtigen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das macht der Antrag der SPD. Deshalb findet er auch unsere Unterstützung.

Meine Damen und Herren, ich habe versucht, Ihnen Folgendes darzustellen: Wir brauchen ein bildungspolitisches Gesamtkonzept. Einige Eckpfeiler dieses bildungspolitischen Gesamtkonzepts habe ich genannt. Dann müssen wir beschreiben, wie man dieses Konzept tatsächlich umsetzt.

Meine Damen und Herren von Schwarz-Gelb, man muss sich dann eben ein bisschen mehr Arbeit machen, als Sie es in Ihrem Koalitionsvertrag getan haben.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Das, was Sie in Ihrem Koalitionsvertrag festgelegt haben, passt nämlich hinten und vorne nicht zusammen.

(Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU): Aber bei Ihnen hat es gepasst?)

– Ja, unserer hat gepasst, Frau Kollegin Lannert. Aber hallo.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin Lannert, Ihnen kann ruhig vieles in unserem Koalitionsvertrag nicht gefallen. Aber er hat für den Bildungssektor geleistet, dass die relevanten Akteure gesagt haben, das wäre ein Aufbruch für unsere Schulen gewesen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Das, was Sie beschrieben haben, ist dagegen ein bloßes „Weiter so“. – Herr Kollege Rentsch hat eine Zwischenfrage. Ich habe nur noch eine Minute Zeit. Da ich ihn aber schätze, lasse ich sie zu.

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Herr Kollege Rentsch.

Florian Rentsch:

Herr Kollege Wagner, „relevante Akteure“: Sind das für Sie mehr Gruppen als die GEW in Hessen?

(Zuruf von der FDP: Gute Frage!)

Mathias Wagner:

Selbstverständlich, Herr Kollege Rentsch. Für uns ist die GEW zwar ein wesentlicher Akteur, aber es gibt weitere. Herr Kollege Rentsch, ob es Ihnen gefällt oder nicht: Es gab viele Schüler, viele Lehrer und viele Eltern, die, was die Bildungspolitik betrifft, auf diesen Koalitionsvertraggesetzt haben, gerade weil er eine deutliche grüne Handschrift getragen hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben Folgendes in Ihrem Koalitionsvertrag gemacht. Sie haben manches Richtige hineingeschrieben, haben dann aber erklärt: Maximal gibt es an den Schulen 2.500 zusätzliche Stellen. – Das, was Sie vorne zu Ihren Absichten geschrieben haben, und die Zahl der Stellen, die Sie den Schulen dann zugestehen, passt vorne und hinten nicht zusammen. Das ist Steine statt Brot für die Schulen. Insofern sind Sie in Sachen Realitätsferne und in dem Mangel an Präzision, mit dem Sie die Maßnahmen an den Schulen umsetzen, nicht wesentlich anders als DIE LINKE mit dem Antrag, den Sie uns heute vorgelegt hat. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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