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18.11.2009
Portraitfoto von Mathias Wagner vor grauem Hintergrund.

Mathias Wagner zu Haushaltsplan Kultusministerium

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte mit dem Positiven anfangen, das es aus unserer Sicht im Einzelplan 04 durchaus gibt. Wir erkennen an, dass mit dem Einzelplan 04 die Voraussetzung geschaffen wird, dass wir die Klassen weiter verkleinern können, dass also der begonnene Prozess, die Klassengrößen schrittweise zu senken, fortgesetzt wird. Das trifft ausdrücklich unsere Zustimmung.

Frau Ministerin, wir erkennen auch an, dass Sie eine Regelung zum Schulbesuch von Schülerinnen und Schülern ohne legalen Aufenthaltsstatus vorbereitet haben. Das trifft auch unsere Zustimmung. Prinzipiell sind wir uns auch einig, was das Ziel der selbstständigen Schule angeht. Ich finde, man kann zu Beginn einer Haushaltsrede auch einmal festhalten, wo es Einigkeit gibt, und wo es in einzelnen Punkten von unserer Seite Zustimmung gibt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Frau Ministerin, unsere Frage und Kritik beginnt da, zu fragen, ob diese Maßnahmen, die Sie mit dem Einzelplan 04 vorschlagen, ausreichen, um die Probleme unseres Bildungssystems zu lösen, und ob sie hinreichende erste Schritte dorthin sind, denn niemand in unserem Hause wird es in einem Haushaltsjahr schaffen, die Probleme unseres Bildungssystems zu lösen. Geben Sie mit diesem Haushalt eine Antwort darauf, dass immer mehr Kinder in unserem Land in Bildungsarmut aufwachsen und eben keine Teilhabe an dem Bildungssystem unseres Landes haben? Geben Sie mit diesem Haushalt eine hinreichende Antwort darauf, dass unser Bildungssystem nach wie vor zu stark soziale Ungleichheit reproduziert, statt soziale Ungleichheiten und unterschiedliche Startchancen von Schülerinnen und Schülern auszugleichen? Geben Sie eine hinreichende Antwort darauf, dass Hessen im Vergleich mit anderen Bundesländern und anderen Staaten relativ schlecht abschneidet, was die Bildungsergebnisse angeht? Frau Ministerin, da ist unsere ganz klare Position: Die Antworten, die Sie in diesem Einzelplan 04 geben, reichen überhaupt nicht aus.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Sie sind leider weiterhin zu stark in einem Weiter so der bildungspolitischen Ansätze verhaftet, wie wir sie seit zehn Jahren in diesem Land kennen; und Sie sind leider noch immer nicht bereit, eine Kurskorrektur und wirkliche Veränderungen einzuleiten.

Frau Ministerin, dafür sind Sie aber gewählt worden. Das ist der Auftrag, den die Bürgerinnen und Bürger insbesondere der FDP gegeben haben. Die Bürgerinnen und Bürger haben Sie bei der letzten Landtagswahl stark gemacht. Das ist richtig. Die Stärke der FDP-Fraktion drückt sich hier auch in dem einen oder anderen kraftmeierischen Auftritt aus.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Frau Ministerin, Sie haben aber auch eine Verantwortung. Diese Verantwortung lautet nicht, diese Politik von Karin Wolff fortzusetzen, sondern die Politik von Karin Wolff zu korrigieren und in unserem Land endlich eine andere Bildungspolitik zu machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was wäre aus Sicht der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – und wir haben das auch detailliert beantragt – nötig? Wir glauben, dass wir mehr in Bildung investieren müssen. Wir müssen mehr zugunsten von Bildung umschichten, als es der Haushalt vorsieht. Dazu haben wir detaillierte Vorschläge gemacht; und jeder dieser Vorschläge ist gegenfinanziert. Da können wir uns jetzt darüber streiten, ob die Gegenfinanzierung richtig ist, aber das Argument, es gebe keine Gegenfinanzierung, lassen wir nicht gelten. Jede einzelne Maßnahme ist gegenfinanziert, meine Damen und Herren.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Wenn wir bessere Arbeitsbedingungen und bessere – –

(Zuruf des Abg. Günter Schork (CDU))

– Natürlich, Herr Kollege Schork, darüber können wir doch sprechen. Wir sind der Auffassung, dass wir eine solide Steuerausstattung für die öffentlichen Ausgaben in diesem Land brauchen und dass wir für gute Schulen, gute Bildungseinrichtungen Steuermittel brauchen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber sagen Sie nicht, es gäbe keine Gegenfinanzierung.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU) und des Abg. Günter Schork (CDU))

Wir brauchen bessere Lern- und Arbeitsbedingungen an unseren Schulen. Frau Ministerin, deshalb ist die Forderung der GEW richtig, die Arbeitszeit der Lehrerinnen und Lehrer zu senken. Das wird man nicht von einem Jahr auf das andere schaffen. Wir haben auch dazu einen konkreten Stufenplan vorgelegt, wie man es innerhalb von fünf Jahren machen kann.

Wir müssen in der frühkindlichen Bildung vorankommen, bei der Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsplans. Hier müssen wir die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Kindergärten und Grundschulen tatsächlich besser kooperieren können. Auch das haben wir beantragt.

Wir brauchen flexible Eingangsstufen an den Grundschulen. Die ersten beiden Klassen müssen zu einer pädagogischen Einheit zusammengefasst werden können. Auch dazu gibt es in Ihrem Haushaltsplan leider nichts.

Frau Ministerin, Sie haben die eine oder andere Stelle für zusätzliche Ganztagsangebote im Haushalt eingestellt. Das sei erwähnt. Aber wir brauchen hier endlich ein Konzept, wo wir mit den Ganztagsschulen hin wollen. Wir brauchen endlich echte Ganztagsschulen, die diesen Namen verdienen und mehr sind als eine pädagogische Mittagsbetreuung, weil nur echte Ganztagsschulen das Mehr an individueller Förderung tatsächlich auch erbringen werden können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Dieser Haushaltsentwurf enthält überhaupt keinen Ansatz, um den Wunsch von immer mehr Eltern zu erfüllen, dass in der Mittelstufe für ihre Kinder das pädagogische Konzept des längeren gemeinsamen Lernens gelebt wird. Während immer mehr Bundesländer um uns herum, teilweise auch von der CDU regiert,

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

genau diesen Ansatz verfolgen, gibt es in Hessen leider keinen Ansatz dazu. Herr Irmer, deshalb ist in einigen Bundesländern eine Zusammenarbeit von GRÜNEN und CDU möglich – da wo die CDU fortschrittlich und modern ist – und in anderen Bundesländern, wie in Hessen, wo es die CDU nicht ist, ist es eben nicht möglich. Herr Kollege Irmer, genau das ist der Unterschied.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Frau Ministerin, Sie sagen in Ihrem Haushalt überhaupt nichts dazu, wie wir dahin kommen, dass künftig Schülerinnen und Schüler mit oder ohne Behinderungen in der Regel dieselbe Schule besuchen können, wie wir endlich Schluss damit machen, dass Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen an gesonderte Schulen gehen müssen,

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

dass sie zum Teil unglaublich lange Schulwege haben, dass sie aus ihrem familiären Umfeld, aus ihrem sozialen Nahbereich herausgerissen werden, wie wir endlich dahin kommen, die UN-Konvention umzusetzen, dass wirklich alle Schülerinnen und Schüler in der Regel gemeinsam die Schule besuchen können, egal ob sie eine Behinderung haben oder nicht. Dazu sagen Sie leider gar nichts.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)

Herr Kollege Irmer hat unseren Vorschlag zur Schulsozialarbeit angesprochen. Dafür bin ich Ihnen sehr dankbar. Wir haben uns auch wirklich große Mühe damit gegeben. Sie haben eine konkrete Frage gestellt. Ich will sie beantworten. Sie haben gefragt: Wollen wir die Schulsozialarbeit einmalig finanzieren? – Nein, das wollen wir nicht. Wir wollen, dass die Schulsozialarbeit tatsächlich ein dauerhafter Pfeiler im Unterstützungssystem für unsere Schulen ist. Das heißt aber nicht, Herr Kollege Irmer, um Ihre Frage zu beantworten, dass die Stellenhebungen von A 13 auf A 14 die Beförderungsmöglichkeit, die es für die Gymnasiallehrer und für die Berufschullehrer gibt, dauerhaft nicht möglich sein sollen. Wir haben vielmehr gesagt, Herr Kollege Irmer: Unter der Bedingung von knappen Haushalten ist uns im Haushaltsjahr 2010 die Ermöglichung der Drittelfinanzierung für Schulsozialarbeit noch wichtiger als die Stellenhebungen von A 13 nach A 14.

(Zuruf des Abg. Hugo Klein (Freigericht) (CDU))

Im nächsten Jahr werden wir gemeinsam mit Ihnen nach Möglichkeiten suchen, wie wir die Schulsozialarbeit fortsetzen können und die Beförderungsmöglichkeiten für Lehrerinnen und Lehrer schaffen können.

(Zuruf des Abg. Hugo Klein (Freigericht) (CDU) – Zuruf des Abg. Mario Döweling (FDP))

Hier reichen wir ausdrücklich allen Fraktionen – Herr Kollege Döweling, jetzt hören Sie doch einmal zu – die Hand, genau diesen Vorschlag doch noch zu machen, dass wir den Vorschlag von Staatsminister von Banzer einer Drittelfinanzierung für die Schulsozialarbeit tatsächlich noch hinbekommen.

(Zuruf des Abg. Hugo Klein (Freigericht) (CDU))

Ich lade Sie wirklich ein: Lassen Sie es uns doch einfach machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Günter Schork (CDU))

Ich habe zu Beginn meiner Rede gesagt, was wir in dem Haushalt, den Sie vorgelegt haben, gut finden. Vielleicht können Sie sich einen Ruck geben, zu sagen: Hier gibt es einen guten Vorschlag der Opposition. Machen wir das doch so. – Meine Damen und Herren, das ist nämlich auch gut.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Irmer hat gefragt, wie das mit unserem Programm zur Schulinspektion zu verstehen ist. Herr Kollege Irmer, auch da erkenne ich an und freue mich, dass Sie den Antrag so gründlich gelesen haben.

(Zuruf des Abg. Günter Schork (CDU))

– Herr Schork, es ist schon gut. Was kann ich mehr machen, als zu sagen, dass ich es gut finde, was Sie machen? Herr Schork, wieso müssen Sie auch da einen Zwischenruf machen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Günter Schork (CDU))

Wir hatten im letzten Jahr doch einmal so etwas wie einen neuen Landtag. Meine Fraktion bemüht sich, diesen neuen Landtag auch in diese Legislaturperiode zu retten. Herr Schork, Sie sind eingeladen, mitzumachen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Irmer hat gefragt: Wie meinen Sie das? – Sie haben vorgerechnet: Wir haben 2.000 Schulen. Wenn wir für 2.000 Schulen jeweils 20.000 Euro zur Verfügung stellen, kostet das 40 Millionen Euro. Das ist völlig richtig. Wir sind beide in die Schule gegangen, ich glaube, beide in Hessen. Das klappt bei uns beiden ganz gut, unabhängig davon, wer damals Kultusminister war. Es ist auch einmal eine ermutigende Nachricht, dass die Schulen ganz viel hinbekommen, unabhängig davon, wer gerade den Minister oder die Ministerin stellt. Herr Kollege Irmer, Sie und ich wissen aber doch: Pro Jahr gibt es nur 500 Schulinspektionen, weil jede Schule jetzt sogar nur noch 400, weil jede Schule nur noch alle fünf Jahre drankommt.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Langsam. Erst waren es vier Jahre, jetzt sind es fünf Jahre. Jede Schule kommt nur noch alle fünf Jahre dran, d. h. pro Jahr 500 Schulen. Genau die 500 Schulen, bei denen die Schulinspektion war und Empfehlungen gegeben hat, sollen dann genau die 20.000 Euro bekommen, die wir vorschlagen, damit man ein Budget hat, um aus den Ratschlägen der Schulinspektion auch tatsächlich Konsequenzen ziehen zu können. 500 mal  20.000 Euro – ich denke, da stimmen Sie mir zu – sind genau die 10 Millionen Euro, die wir beantragt haben.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

– Herr Kollege Irmer, Sie können jetzt sagen, der Antrag der Oppositionsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN geht nicht weit genug. Okay, einverstanden. Dann ändern wir es noch gemeinsam. Wir haben gesagt: Lasst uns im nächsten Haushaltsjahr anfangen. – Wenn Sie jetzt sagen: „Wir bekommen die Finanzierung auch noch für die Schulen hin, bei denen die Schulinspektion schon war“, dann herzlich gerne.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Ich sehe, Sie nehmen unseren Ansatz auf und Sie nehmen ihn ernst. Der nächste große Schritt, Herr Kollege Irmer, vom wahrnehmen zum gut finden, ist die Zustimmung. Dazu möchte ich Sie noch einmal ganz herzlich einladen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich habe versucht, deutlich zu machen, dass es in dem Einzelplan 04 Ansätze gibt, die in die richtige Richtung gehen. Ich sage aber auch ausdrücklich: Diese Ansätze greifen zu kurz, um ein zukunftsfähiges Schulsystem in Hessen auf den Weg zu bringen. Wir haben konkrete Veränderungen vorgeschlagen, Umschichtungen in einem Volumen von 70 Millionen Euro. Herr Kollege Irmer hat an einigen Punkten Sympathie geäußert. Ich lade Sie noch einmal ein: Die Opposition sagt: „Es ist nicht alles schlecht, was die Regierung macht“. Vielleicht können die Regierungsfraktionen auch einmal sagen: „Es ist nicht alles schlecht, was die Opposition beantragt hat.“ – Meine Damen und Herren, herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Schönen Dank, Herr Kollege Wagner.

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