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11.03.2014
Portraitfoto von Mathias Wagner vor grauem Hintergrund.

Mathias Wagner: Regierungserklärung des Hessischen Kultusministers betreffend „Für eine Politik der ausgestreckten Hand – Hessens Bildungsgipfel für den Schulfrieden“

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! „Verlässlich gestalten, Perspektiven eröffnen“ ist der Titel des Koalitionsvertrages von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hier in Hessen. Und dieses Prinzip, verlässlich gestalten und Perspektiven eröffnen, gilt insbesondere für die Bildungspolitik dieser Landesregierung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir wollen, dass sich die Schulen darauf verlassen können, unter welchen Rahmenbedingungen sie arbeiten. Und wir wollen den Schulen neue pädagogische Perspektiven eröffnen, damit sie Schülerinnen und Schüler noch besser individuell fördern können, damit sie noch mehr dafür sorgen können, dass der Bildungserfolg eben nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängt, und damit neue pädagogische Ansätze auf den Weg gebracht werden können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir wollen verlässlich gestalten und Perspektiven eröffnen, aber nicht nur zwischen CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, sondern wir reichen die Hand. Wir wollen in einem Bildungsdialog gemeinsam mit den Fraktionen in diesem Hause und mit den Akteuren im Bildungswesen diesen Weg gehen. Wir wollen uns darüber verständigen, was unsere Schulen brauchen. Wir wollen zuhören, welche Probleme unsere Schulen haben. Und wir wollen gemeinsam zu Antworten kommen, wie wir unsere Schulen auf ihrem Weg unterstützen, alle Schülerinnen und Schüler bestmöglich fördern zu können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich glaube, in dieser lagerübergreifenden Koalition von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN liegt gerade im Bildungsbereich eine riesengroße Chance – gerade in der lagerübergreifenden Koalition.

(Zuruf von der SPD)

Wie war denn die Situation in den letzten Jahren und Jahrzehnten? Meine Damen und Herren, ich möchte sagen: Wie ist die bildungspolitische Situation seit den Tagen von Alfred Dregger und Ludwig von Friedeburg in den Siebzigerjahren gewesen? – Es war ein einziger Bildungskampf. Es standen sich zwei Fronten unversöhnlich gegenüber. Jeder hat für sich aus seiner jeweiligen Sicht in Anspruch genommen, die alleinige Wahrheit zu haben.

Jetzt wollen wir den Versuch machen, diese 40 Jahre alten Gräben zu überwinden und neue Antworten für die nächsten Jahre der Schulen zu finden und nicht für die Vergangenheit der bildungspolitischen Debatten in Hessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir wollen gemeinsam mit Ihnen allen nicht darüber reden, was uns bildungspolitisch trennt, nicht – Herr Kollege Degen – in den Krümeln suchen, wo man noch kritisieren kann,

(Zuruf von der SPD)

sondern miteinander darüber ins Gespräch kommen, was das Gemeinsame ist, wo wir gleiche Ziele haben, wo wir dasselbe für unsere Schulen wollen und wo wir es unseren Schulen auch einmal ersparen können, jeden Tag den kleinen parteipolitischen Kampf zu führen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN geht es um die Beendigung des jahrzehntelangen Schulkampfes. Wir stehen für Schulfrieden, und wir wollen diesen Schulfrieden gemeinsam mit Ihnen verwirklichen. Verlässlich gestalten bedeutet für unsere Schulen verlässliche Lehrerversorgung von 105 % im Landesdurchschnitt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Jetzt kann man immer sagen: Das ist zu wenig, und das müsste noch mehr sein. – Aber meine Damen und Herren von der Opposition, zeigen Sie mir doch bitte einmal ein einziges Bundesland, wo es auch nur diese Versorgung gebe. Ich glaube, es ist ein gutes Zeichen für unsere Schulen, dass es diese Versorgung auch weiterhin gibt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Verlässlichkeit bedeutet, alle Lehrerstellen bleiben im System. Obwohl in den nächsten Jahren die Schülerzahlen deutlich zurückgehen werden, sagt diese Koalition von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Jede Lehrerstelle bleibt im System; jede Lehrerstelle wird dazu verwendet, individuelle Förderung noch besser zu machen, soziale Ungerechtigkeiten noch besser auszugleichen. – Jetzt kann man sagen, das sei zu wenig, es müssten noch mehr Lehrer ins System. Aber meine Damen und Herren von der Opposition, zeigen Sie mir ein Bundesland, das dieses klare Bekenntnis zur Lehrerausstattung gibt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Verlässlich gestalten bedeutet keine individuellen Zwangsbeglückungen, sondern die Schulen können sich darauf verlassen, dass das bessere Argument zählt, dass das wirksame pädagogische Konzept und nicht das zählt, was sich irgendwelche Bildungstheoretiker vor 40 Jahren vielleicht einmal ausgedacht haben und von dem man immer noch glaubt, es zwanghaft allen vorschreiben zu müssen. Bei uns zählen Elternwille, das bessere Argument und das, was pädagogisch wirkt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Und Verlässlichkeit bedeutet zuzuhören, welche Sorgen Schulen haben, zuzuhören, welche Bedürfnisse Lehrerinnen und Lehrer, Eltern und Schülerinnen und Schüler haben. Und es bedeutet auch, im Zweifel zu sagen: Der andere könnte recht haben. – Und manchmal hat der andere auch recht. Sie sehen diese Offenheit der Koalition von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN exakt an dem Gesetzentwurf, über den wir heute reden, indem wir auch die laufenden siebten Klassen noch aufgenommen haben, weil wir zuhören, weil wir nicht ideologische Politik machen, sondern weil wir nach Lösungen der Probleme unserer Schulen suchen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Perspektiven eröffnen bedeutet, mehr individuelle Förderung und gemeinsame Gerechtigkeit in unserem Bildungswesen zu verwirklichen. Schule allein kann keine sozial gerechte Gesellschaft schaffen. Da würden wir unsere Schulen überfordern. Aber meine Damen und Herren, unser Schulsystem muss einen Beitrag zu einer gerechten Gesellschaft leisten und dafür sorgen, dass alle Kinder ihre Begabungen entfalten können, dass Bildungserfolg nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängt. Diese Perspektive wollen wir den Schulen eröffnen, dass sie dieser großen gesellschaftlichen Aufgabe besser gerecht werden können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Herr Kollege Degen, genau deshalb setzen wir einen Schwerpunkt bei dem Thema individuelle Förderung, alle Begabungen verwirklichen und beim Thema soziale Gerechtigkeit. Wenn ich Ihnen das noch einmal verdeutlichen kann – ich kann nämlich Ihren Vorwurf schlicht nicht nachvollziehen, dass wir dieses Thema nicht bearbeiten würden –: Diese Koalition verdoppelt die Lehrerzuweisung nach Sozialindex von 300 auf 600 Stellen, 600 Stellen, die sich ausschließlich um Schülerinnen und Schüler mit spezifischen Förderbedarfen kümmern, 600 Stellen, die ausschließlich in Schulen eingesetzt werden, die eine sehr herausfordernde Schülerschaft haben, 600 Stellen, die ausschließlich Kindern zur Verfügung stehen, deren Elternhäuser sich aus welchen Gründen auch immer eben nicht so gut um die individuelle Förderung kümmern können. Wo sehen Sie da einen Mangel an Gerechtigkeit in der Politik dieser Landesregierung?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Herr Kollege Degen, warum setzt diese Koalition unter anderem einen Schwerpunkt auf die frühkindlichen Bildung? – Das machen wir doch genau deshalb, weil uns alle Bildungsexperten sagen: Wenn wir zur besseren Förderung aller kommen wollen, wenn wir zu mehr Gerechtigkeit kommen wollen, dann müssen wir am Anfang ansetzen und dann müssen wir den Schülerinnen und Schülern ein solides Rüstzeug in ihre Schullaufbahn mitgeben. Deshalb werden wir die Zahl der Schulen verdoppeln, die den flexiblen Schulanfang anbieten können. Deshalb werden wir die Bildungs- und Betreuungsgarantie für alle Grundschüler machen, damit alle von Anfang an gut gefördert werden und gut in ihre Schullaufbahn starten können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Sie sprachen von den Menschen, die als Quereinsteiger in unser Schulsystem kommen, weil sie nach Deutschland zugereist sind und dann erst später in das Schulsystem gekommen sind; oder Sie sprachen auch von Menschen mit Migrationshintergrund, die teilweise spezifische Förderbedarfe haben. Genau dazu steht etwas im Koalitionsvertrag. Wir wollen diesen Schülerinnen und Schüler spezifische Förderangebote machen.

Herr Kollege Degen, dieser Koalitionsvertrag formuliert meines Wissens nach in Hessen zum ersten Mal, dass wir das Ziel verwirklichen wollen, jedem jungen Menschen eine Berufsausbildung zu ermöglichen. Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, was fehlt Ihnen an sozialer Gerechtigkeit in diesem Koalitionsvertrag?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Perspektiven eröffnen bedeutet, dass die Eltern Wahlfreiheit beim Thema G 8/G 9 bekommen. Wir werden das weiter stärken. Ich werde nachher bei der Besprechung des Gesetzentwurfs noch darauf zurückkommen.

Perspektive hinsichtlich der Ganztagsschulen und der Ganztagsangebote bedeutet, dass sich diese Koalition das große Ziel vorgenommen hat, dass wir am Ende dieser Legislaturperiode für alle Grundschülerinnen und Grundschüler ein Bildungs- und Betreuungsangebot von 7:30 Uhr bis 17 Uhr haben werden. Das ist eine epochale Veränderung hinsichtlich der Förderung der Grundschülerinnen und der Grundschüler. Das ist eine epochale Veränderung hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Denn am Ende dieser Legislaturperiode kann sich jede Mutter und jeder Vater sicher sein, dass ihr Kind ein hochwertiges Bildungs- und Betreuungsangebot bis zum Ende der Grundschule, also für die Jahre null bis zehn, haben wird. Das wird ein riesiger Kraftakt werden.

(Zuruf des Lothar Quanz (SPD))

Herr Kollege Quanz, das könnte man vielleicht auch einmal anerkennen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wir wollen mit längerem gemeinsamen Lernen Perspektiven eröffnen. Auch darüber hat Herr Kollege Degen gesprochen. Er hat gesagt: Bei einem Element des Prozesses des Schulfriedens in Nordrhein-Westfalen sei es genau um die Frage gegangen, wie man den Schulen, die das wollen, ein längeres gemeinsames Lernen ermöglichen kann. Ein Ergebnis in Nordrhein-Westfalen ist, dass sich die Schulen entscheiden können – Herr Kollege Degen, das tun sie übrigens freiwillig –, ob sie längeres gemeinsames Lernen anbieten wollen, ob sie also nach äußerer Differenzierung Angebote machen wollen, ob sie, wie die integrierten Gesamtschulen heute, mit Kursen differenzieren oder – das war das Neue und Innovative in Nordrhein-Westfalen – ob sie auf eine äußere Differenzierung vollständig verzichten wollen.

Herr Kollege Degen hat gesagt, das sei ein wesentliches Element der aus seiner Sicht richtigen Schulpolitik in Nordrhein-Westfalen. Exakt diese Möglichkeiten sieht der Koalitionsvertrag für die integrierten Gesamtschulen vor. Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, was wollen Sie eigentlich?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir wollen den Schulen auch Perspektiven beim Thema Inklusion eröffnen. Auch da kann man sich den Vergleich mit Nordrhein-Westfalen ansehen, wo eine sehr gute Kultusministerin am Werk ist. Aber wenn Sie sich die Koalitionsverträge anschauen, dann werden Sie in dem der CDU und der GRÜNEN klare Vorgaben und klare zeitliche Ziele für die Verwirklichung der Inklusion finden, die Sie im Koalitionsvertrag in Nordrhein-Westfalen nicht finden werden. Nordrhein-Westfalen macht trotzdem eine gute Politik. Das ist gar keine Frage. Da unser Koalitionsvertrag aber bei diesem Thema noch konkreter und noch präziser ist, werfen Sie uns doch bitte nicht vor, wir würden da nichts tun. Das ist nicht so ganz redlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wir, die Koalition aus CDU und GRÜNEN, haben Ziele für unser Bildungssystem. Aber wir sind uns selbst nicht genug. Wir wollen den Rat anderer. Wir wollen die Vorschläge der Fraktionen im Hause. Wir wollen die Vorschläge der Praktiker. Denn die Anforderungen an unsere Schulen und die Lösungsvorschläge für unsere Schulen sind so vielfältig wie die Schülerinnen und Schüler, die in unsere Schulen gehen.

Es gibt eben nicht den einen richtigen Weg, die eine Lösung oder das eine Konzept, mit dem alle glücklich werden. Vielmehr gibt es viele Wege. Deshalb steht diese Koalition für Vielfalt statt Einfalt. Sie steht für Ermöglichen statt für Verordnen. Wir stehen für Zuhören statt Diktieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wir wollen mit dem Bildungsgipfel die Hand zum Schulfrieden reichen. Wir werden den vielen engagierten Akteuren im Bildungswesen diese Hand reichen. Wir werden die Hand aber auch allen Kolleginnen und Kollegen im Saal reichen, unabhängig davon, ob sie den Regierungsfraktionen oder den Oppositionsfraktionen angehören.

Wir haben ein großes Ziel. Wir wollen erreichen, dass wir uns in Hessen auf die Entwicklung der Schulen in den nächsten zehn Jahren zumindest in groben Zügen verständigen. Das wären zehn Jahre ohne ständiges Hin und Her für unsere Schulen. Das wären zehn Jahre Planungssicherheit für unsere Schulen. Das wären zehn Jahre, in denen sich unsere Schulen endlich voll und ganz auf die Förderung der Schülerinnen und Schüler konzentrieren könnten. Sie hätten kein ständiges Hin und Her. Ist das Ziel, zu versuchen, dass wir hier einmal zusammenkommen, nicht aller Mühen wert?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wenn man über Bildungspolitik redet, gibt es wahrlich viel zu besprechen. Es gibt wahrlich viele Herausforderungen, vor denen unsere Schulen stehen und an denen wir beim Bildungsgipfel arbeiten wollen.

Ich will dem Bildungsgipfel nicht vorweggreifen. Herr Minister Lorz hat gesagt, in den nächsten Wochen würden viele Gespräche geführt werden. Aber wäre es für diesen Bildungsgipfel beispielsweise nicht ein spannendes Thema, mehrere Jahre nach der Einführung des Weges von mehr Selbstständigkeit für die Schulen zu schauen, wie weit wir auf diesem Weg sind, welche Möglichkeiten wir den Schulen da noch einräumen könnten, welche Belastungen, beispielsweise durch mehr Verwaltungstätigkeit, es vielleicht auf diesem Gebiet für unsere Schulen gegeben hat und wie wir die Schulen noch besser dabei unterstützen könnten, mehr Selbstständigkeit zu haben, ohne dabei über Gebühr mit Verwaltung belastet zu werden? Wäre das für unseren Bildungsgipfel nicht ein spannendes Thema, das die Arbeit unserer Schulen unterstützen würde?

Wäre es nicht lohnend, darüber zu sprechen, welche Auswirkungen der demografische Wandel in unserem Land hat und welche Antwort wir in Gebieten schrumpfender Bevölkerung auf die Frage der Eltern geben: „Wird es die Schule meiner Kinder morgen noch geben?“? Was bedeutet Vielfalt bei der Schulwahl für meine Kinder? Welche Angebote gibt es in meiner Region?

Würde es sich nicht lohnen, sich in einem Bildungsgipfel darüber zu verständigen? Wäre es nicht an der Zeit, auf einem Bildungsgipfel darüber zu sprechen, wie das Verhältnis von innerer und äußerer Schulverwaltung ist? Ist da, so wie das im Moment austariert ist, wirklich alles zeitgemäß, oder können wir nicht Antworten finden, mit denen wir unsere Schulen besser unterstützen würden?

Wäre es nicht sinnvoll, gemeinsam mit allen Fraktionen dieses Hauses und mit den Akteuren des Bildungswesens darüber zu reden, wie wir es schaffen, dass jeder junge Mensch im Anschluss an die Mittelstufe tatsächlich eine Berufsausbildung machen kann? Wäre es nicht sinnvoll, darüber zu sprechen, wie wir den Bildungs- und Erziehungsplan noch besser umsetzen können? Gibt es überhaupt eine Alternative, als im Dialog zu ergründen, wie wir die Inklusion, also den gemeinsamen Unterricht der Schülerinnen und Schüler mit und ohne Behinderung, umsetzen können?

Meine Damen und Herren, es würde sich lohnen, diesen Bildungsgipfel einzugehen. Es gibt keine Alternative, als mit den Praktikern und den Politikern gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Hierzu laden wir Sie alle herzlich ein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Dieser Bildungsgipfel soll auch eines leisten. Das kommt in den bildungspolitischen Debatten oftmals zu kurz, weil wir uns sehr bemühen, immer das zu thematisieren, was vielleicht noch nicht so gut läuft. Dieser Bildungsgipfel soll auch erreichen, dass die hervorragende pädagogische Arbeit, die von vielen Lehrerinnen und Lehrern geleistet wird und die es an vielen Schulen schon gibt, sichtbar wird, dass sie wertgeschätzt wird und dass alle Schulen von diesen guten Beispielen profitieren können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wenn wir es allein schon schaffen würden, dass dieser Bildungsgipfel ein Forum der Praktiker wird, ein Austausch über die besten pädagogischen Lösungen, bei dem Schulen auch von Schulen lernen und sich an anderen orientieren können, wenn sie gemeinsam nach Lösungen suchen und nicht das Gefühl hätten, ich muss jedes Problem für mich an der Schule alleine lösen, wenn wir das schaffen könnten, wäre das doch wunderbar.

Wenn das alle fünf Fraktionen gemeinsam machen würden, wäre das ein starkes Signal für unsere Schulen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Die Kolleginnen und Kollegen haben uns den Antrag auf Einsetzung einer Enquetekommission vorgelegt, die sich mit bildungspolitischen Fragen beschäftigen soll. Das ist das gute Recht der Opposition.

(Gerhard Merz (SPD): Darin ist auch die Rede von den Praktikern!)

– Wir sind in einem guten Gespräch über die Einsetzung der Enquetekommission, Herr Kollege Merz.

Der Bildungsgipfel ist das gute Recht einer Regierung. Darüber sollten wir also nicht streiten.

Man kann trefflich darüber debattieren, ob es zwei Gremien braucht oder nicht. Jetzt bekommen wir zwei Gremien. Meine Damen und Herren, wir sind den Akteuren im Bildungswesen die Antwort auf die Frage schuldig: Wie verhalten sich die beiden Gremien zueinander? Ich glaube, wir sind in den Beratungen über die Enquetekommission auf einem sehr guten Weg. Wir haben gute Kompromisse gefunden. Die Opposition kann anerkennen, dass CDU und GRÜNE ihr sehr weit entgegengekommen sind, was den Einsetzungsbeschluss der Enquetekommission angeht; denn wir finden die Enquetekommission richtig, und wir wollen sie gemeinsam einsetzen. Umgekehrt haben wir die herzliche Bitte an Sie, dass Sie sich im Interesse unserer Schulen genauso konstruktiv am Bildungsgipfel beteiligen, wie wir uns konstruktiv im Hinblick auf die Enquetekommission verhalten haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Die Enquetekommission, so wie sie jetzt ausgestaltet und zwischen den Fraktionen besprochen ist, ist ein gutes Forum, um sich über die wissenschaftlichen und empirischen Grundlagen unseres Bildungssystems auszutauschen, einige grundsätzliche Fragen zu thematisieren und zu klären. Das ist eine gute und wichtige Arbeit, die die Enquetekommission leisten soll. Parallel wird es den Bildungsgipfel der Regierung als etwas tagespolitischer orientiertes Instrument geben, das sich stärker den praktischen Fragen, die Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler sowie Eltern tagtäglich bewegen, widmen wird. Auf der einen Seite haben wir also ein Gremium, das sich um die empirischen, wissenschaftlichen Grundlagen unseres Bildungswesens kümmert, auf der anderen Seite ein Forum der Praktiker. Meine Damen und Herren, ich glaube, das ist eine gute Kombination. Beides ist wichtig, und wir wollen beides zum Erfolg führen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir debattieren auch über das erste Gesetz, das CDU und GRÜNE diesem Haus vorgelegt haben, nämlich die weitere Stärkung der Wahlfreiheit zwischen G8 und G9. Hier zieht sich eine sehr gerade Linie aus dem Jahr 2008 bis heute. 2008 wurde auf Grundlage eines Gesetzentwurfs von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den kooperativen Gesamtschulen die Möglichkeit zur Rückkehr zu G9 ermöglicht. Vor zwei Jahren wurde dann, vorgelegt von Kultusministerin Beer, den Gymnasien die Rückkehr zu G9 ermöglicht. Dem haben CDU, FDP und GRÜNE in diesem Haus zugestimmt. Wir gehen heute einen weiteren Schritt, um die Wahlfreiheit zu stärken, indem wir auch den laufenden fünften, sechsten und siebten Klassen die Rückkehr zu G9 ermöglichen. Meine Damen und Herren, das, was an Wahlfreiheit für die laufenden Klassen geht, haben wir ermöglicht. Mehr als wir machen, geht rechtlich nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Jetzt sagt der Kollege Degen von der SPD: Das bringt ja Unruhe in die Schulen. Das, was CDU und GRÜNE da machen, ist ja ganz furchtbar. Damit werden zahlreiche Eltern und Lehrer unzufrieden sein. – Herr Kollege Degen, glauben Sie, dass Ihr Vorschlag der zwangsweisen Einführung von G9 in den Schulen auf Begeisterung gestoßen wäre? Was bringt denn mehr Unruhe in die Schulen, ihnen etwas vorzuschreiben oder ihnen die Wahl zu lassen? Das müssen Sie dann schon beantworten, Herr Kollege Degen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir sagen nicht, dass ein Weg der Wahlfreiheit und ein Mehr an Möglichkeiten für unsere Schulen der bequeme Weg ist. Wir sagen nicht, dass die Entscheidungen, die Schulen jetzt treffen müssen, einfach sind. Wir sagen nicht, dass das keine Arbeit macht. Aber die Schulen können entscheiden, meine Damen und Herren. Sie können darüber sprechen, was der richtige Weg ist. Ich glaube, den Schulen ist es zehnmal lieber, die Wahl zu haben, als keine Wahl zu haben oder von der Politik vorgeschrieben zu bekommen, die Rolle rückwärts zu machen. Deshalb: Der Weg ist nicht leicht, aber er ist richtig, und die Rückmeldungen der Schulen bestätigen das auch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Dann sprach Herr Kollege Degen vom „Gymnasium plus“. Nur eine Frage: Was ist das „Gymnasium plus“? Sind das die Schulen, die bei G8 bleiben, oder sind es die, die zu G9 zurückkehren? Das ist mir, ehrlich gesagt, noch nicht klar geworden. Wenn es danach geht, was sich die Eltern wünschen, dann kann ich sagen, dass sich mehr Eltern G9 wünschen als G8. Ich würde mir jetzt kein Urteil darüber zutrauen, Herr Kollege Degen, was „Gymnasium plus“, „minus“ oder was auch immer ist. Es sind alles Schulen, die versuchen, eine gute Arbeit zu machen. Darauf können wir uns vielleicht verständigen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Dann zu der Idee der modularisierten Oberstufe, also der Idee, dass man die Oberstufe in zwei, drei oder vier Jahren durchlaufen kann und das Kursangebot an Modulen orientiert: Darüber will die SPD jetzt auf dem Bildungsgipfel sprechen. Wir können über alles reden, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, aber wer bis heute keine einzige Seite konzeptionelle Fundierung vorgelegt hat, der macht es einem schwer.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Bis heute gibt es keine einzige Seite eines Konzepts, wie die modularisierte Oberstufe umgesetzt werden kann. Ich bin wirklich offen für ein Gespräch darüber, und ich bitte darum, mir bis zur nächsten Sitzung des Landtags mal eine Seite Papier dazu vorzulegen.

(Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Ansonsten muss man, glaube ich, dazu übergehen, das als bildungspolitisches Phantom zu bezeichnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine Damen und Herren, wir wollen ein Bildungssystem, das allen Kindern gerecht wird. Wir wollen ein Bildungssystem, in dem die Begabungen der Kinder nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sind, in dem der Bildungserfolg nicht vom sozialen Hintergrund der Eltern abhängig ist und das seinen Beitrag zu einer vielfältigen, toleranten und gerechten Gesellschaft leistet. Deshalb will die Koalition von CDU und GRÜNEN Verlässlichkeit und Perspektiven für unsere Schulen. Deshalb reichen wir die Hand zum Schulfrieden und laden Sie alle ein, meine Damen und Herren: Seien Sie dabei. Machen Sie mit im Interesse unserer Schulen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Vielen Dank, Herr Kollege Wagner.

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