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03.09.2013
Portraitfoto von Mathias Wagner vor grauem Hintergrund.

Mathias Wagner: Regierungserklärung der Kultusministerin

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin meinem Namensvetter, Herrn Dr. Wagner von der CDU, außerordentlich dankbar. Er hat noch einmal deutlich gemacht, wer in den Schützengräben des kalten Schulkampfes liegt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Er hat deutlich gemacht, warum es in den letzten 15 Jahren bildungspolitisch nicht vorangegangen ist.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Und er hat deutlich gemacht, warum wir in Hessen unbedingt einen Schulfrieden brauchen, wie ihn meine Fraktion vorschlägt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Dr. Wagner, ich bin Ihnen auch deshalb dankbar, weil das ein gutes Omen ist. Sie waren von 1987 bis 1991 Kultusminister in diesem Land. Das Ergebnis war Ihre Abwahl und die der damaligen Landesregierung. Vielen Dank, dass Sie unser Maskottchen für den 22. September sind, Herr Dr. Wagner.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Sie sprachen vom Primat der Ideologie, Herr Dr. Wagner.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Das, was Sie hier 20 Minuten lang vorgetragen haben, war pure Ideologie.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Aber wir sprechen über die Regierungserklärung der Kultusministerin. – Frau Kultusministerin, das war also die Bilanz aus 15 Jahren schwarz-gelber Bildungspolitik.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf der Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU) und Peter Beuth (CDU))

Ich will die Landesregierung an einer Stelle loben, weil Sie, wie auch andere Landesregierungen nach dem PISA-Schock, gesagt hat: Lasst uns die Bildungspolitik und das, was wir bildungspolitisch tun, nicht an Glaubenssätzen messen, sondern an den Ergebnissen der Schülerinnen und Schüler. – Der Paradigmenwechsel war richtig. Nur, warum haben Sie uns dann nichts über die Ergebnisse des Bildungssystems in Hessen mitgeteilt, Frau Ministerin? Das ist doch die spannende Frage. Sie haben viel darüber geredet, was Sie in den vergangenen 15 Jahren in das Bildungssystem hineingesteckt haben. Aber der entscheidende Erkenntnisgewinn aus PISA ist, dass wir uns anschauen müssen: Was kommt aus dem Bildungssystem heraus? Was können die Schülerinnen und Schüler? Das ist die entscheidende Lehre aus PISA.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da steht unser Bundesland leider nicht gut da, meine Damen und Herren. Es ist heute genauso wie vor 15 Jahren, dass der Bildungserfolg viel zu sehr vom sozialen Hintergrund des Elternhauses abhängig ist.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Es ist heute wie vor 15 Jahren so, dass das hessische Bildungssystem in allen Vergleichsstudien nur mittelmäßig abschneidet.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Es ist heute wie vor 15 Jahren so, dass ein Fünftel aller Schülerinnen und Schüler unsere Schulen verlässt und voraussichtlich größte Probleme auf dem Arbeitsmarkt und bei der eigenverantwortlichen Gestaltung ihres Lebens haben wird. Das ist die Bilanz von 15 Jahren schwarz-gelber Bildungspolitik.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Frau Ministerin, Sie werfen anderen in diesem Hause Zwangsbeglückung vor.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Ich finde, das ist mutig. Die größte Zwangsbeglückung im hessischen Schulwesen in den vergangenen zehn Jahren war die Einführung von G 8 – gegen den Rat aller Expertinnen und Experten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Sie trauen sich, über Zwangsbeglückung zu reden, obwohl alle davon abgeraten haben, G 8 einzuführen. Sie trauen sich, über Zwangsbeglückung zu reden, obwohl im letzten Jahr der Ministerpräsident sagt, nachdem eine ganze Schülergeneration das vermurkste Modell G 8, das Sie organisiert haben, durchlaufen mussten: „Das war nur mal so eine Idee von uns.“ – Sie reden von Zwangsbeglückung? Man sollte ruhig sein, wenn es um Bildungspolitik geht, wenn man solche Fehler zu verantworten hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Lachen bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP))

Frau Ministerin, ich weiß nicht, was ich an Ihrer Regierungserklärung schlimmer finden soll: Soll ich es schlimmer finden, dass Sie bei den für unser Bildungssystem entscheidenden Indikatoren in den letzten 15 Jahren zu wenig erreicht haben, oder soll ich es schlimmer finden, dass Sie für unser Bildungssystem gar nichts mehr vorhaben? Ich kann mich da wirklich nicht entscheiden.

Sie haben mit viel Pathos und mit vielen Worten angesprochen, dass man in der Grundschule etwas tun müsse. Was wollen Sie denn tun? Wie lautet Ihr konkreter Vorschlag? Wie wollen Sie die Grundschulen weiterentwickeln?

Sie haben mit viel Pathos und vielen Worten über das Ganztagsschulprogramm des Landes geredet. Wie lautet Ihre Antwort an die Eltern, die auf Vereinbarkeit von Familie und Beruf und damit auf ganztägige Betreuung ihrer Kinder angewiesen sind?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Sie haben mit viel Pathos und leeren Worten über die Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9 gesprochen. Der Magistrat der Landeshauptstadt Wiesbaden hat dankenswerterweise eine Umfrage unter Eltern mit Grundschulkindern durchgeführt und gefragt, welches schulische Angebot sie sich beim Thema „G 8 oder G 9?“ für ihre Kinder wünschen. Zwei Drittel der Eltern hier in Wiesbaden – wie in anderen Städten und Landkreisen – sagen, sie wollen für ihre Kinder ein G-9-Gymnasium. Wir haben in Wiesbaden unter Ihrer Verantwortung in diesem Schuljahr kein einziges Gymnasium mit G 9 – und da reden Sie über Wahlfreiheit, Frau Ministerin.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Sie reden über Wahlfreiheit, aber es ist nicht nur in Wiesbaden, sondern auch in vielen Städten und Landkreisen so, dass es diese Wahlfreiheit nur auf dem Papier gibt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie reden mit viel Pathos und leeren Worten über Inklusion. Frau Ministerin, wo ist Ihr Zeitplan? Bis wann wollen Sie ein inklusives Schulsystem verwirklicht haben? Bis wann wollen Sie die UN-Behindertenrechtskonvention umsetzen? – Sie haben gar nichts mehr vorzuweisen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte das an einigen Passagen aus Ihrer Rede verdeutlichen. Sie haben über das Ganztagsangebot in Hessen gesprochen. Sie geben sich der Illusion der großen Zahl hin, dass wir 917 Schulen im Ganztagsschulprogramm haben. Sie sagen auch noch – ich zitiere Sie –: „Mit diesem Ansatz bilden wir die Lebenswirklichkeit von Familien ab, die selbst entscheiden möchten, in welchem Umfang ihr Kind Ganztagsangebote in Anspruch nehmen soll.“ Wie sehen die Ganztagsangebote in Hessen in aller Regel und an den allermeisten dieser 917 Schulen aus? An drei Tagen der Woche Betreuung bis 14:30 Uhr. Was hat das mit der Lebenswirklichkeit der Eltern in unserem Land zu tun?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Welche Mutter, welcher Vater arbeitet an nur drei Tagen in der Woche – und auch nur bis 14:30 Uhr? Welche Schule soll in diesem zeitlichen Rahmen das pädagogische Konzept einer Ganztagsschule tatsächlich verwirklichen können? Sie behaupten, das bilde die Lebenswirklichkeit der Menschen in Hessen ab. Wo leben Sie eigentlich, Frau Kultusministerin? Das hat mit dem Bedarf der Mütter und Väter nichts zu tun.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben über inklusive Bildung gesprochen. Vor vier Jahren hat das Land Hessen die UN-Behindertenrechtskonvention unterschrieben – wie alle anderen Bundesländer.

(Zuruf der Ministerin Nicola Beer)

– Jetzt sagen Sie, das bedeute nicht, die Förderschulen abzuschaffen. Da stimmen wir Ihnen ausdrücklich zu. Es heißt aber auch nicht, dass man die Rahmenbedingungen für Inklusion verschlechtert. So war die UN-Behindertenrechtskonvention nicht gemeint. Sie haben den Begriff Inklusion genommen und haben alles, aber auch alles in Hessen abgeschafft, was für den gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung wichtig ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU und der FDP)

Sie haben die Bestimmung abgeschafft, dass man die Klassen verkleinern kann. Sie haben die Möglichkeit der Doppelbesetzung abgeschafft oder reduziert. Sie haben die Möglichkeit abgeschafft, dass die Förderschullehrerinnen und -lehrer integraler Bestandteil des Kollegiums allgemeinbildender Schulen sind. Sie haben „Inklusion“ draufgeschrieben, aber weniger Inklusion gemacht. Das ist schäbig angesichts der Kinder, über die wir hier reden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU und der FDP – Zuruf der Ministerin Nicola Beer)

– Jetzt sagt die Ministerin: „Gut gelogen!“ Das ist nicht sehr parlamentarisch, aber dass diese Regierung keinen Stil hat, wissen wir.

(Lebhafte Zurufe von der CDU und der FDP)

Auch das ist ein Grund, eine neue Regierung zu wählen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Ministerin, Sie können jederzeit das Wort ergreifen und den Versuch machen, meine Aussagen zu widerlegen. Aber schreien Sie nicht einfach dazwischen, das sei gelogen. Gehen Sie gleich noch einmal an dieses Pult, und sagen Sie, welche Aussage angeblich falsch war. Es war nämlich keine Aussage falsch, Frau Ministerin.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Sie sagen, nach 15 Jahren schwarz-gelber Bildungspolitik sei es ein großartiger Erfolg, dass wir für 440 Schülerinnen und Schüler einen islamischen Religionsunterricht haben. Wir haben in unserem Land 60.000 Schülerinnen und Schüler muslimischen Glaubens, und Sie sagen, es sei ein Erfolg, nach 15 Jahren für 440 dieser Schülerinnen und Schüler ein Angebot geschaffen zu haben. Das kann ja wohl nicht Ihr Ernst sein, Frau Ministerin.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Ich komme zu dem großen Projekt der FDP, der selbstständigen Schule. Frau Ministerin, wir haben rund 1.700 Schulen in unserem Land. Nach 15 Jahren schwarz-gelber Bildungspolitik haben Sie es gerade einmal geschafft, dass sich 75 Schulen auf den Weg in die Selbstständigkeit gemacht haben. 75 von 1.700 Schulen. Das wollen Sie bei dem Projekt, das Ihnen angeblich so wichtig war, hier als Erfolg verkaufen, Frau Ministerin? Das können Sie doch wirklich niemandem erzählen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Sie haben behauptet, in Nordrhein-Westfalen würden in großem Stil Einheitsschulen auf den Weg gebracht.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Frau Ministerin, um Himmels willen! In Nordrhein-Westfalen wurde mit den Stimmen von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Sekundarschule beschlossen. So heißt diese Schule. Die Sekundarschule ist so interessant, meine Damen und Herren von der CDU, dass es vor allem CDU-Bürgermeister, CDU-Landräte und CDU-Kommunalfürsten sind, die sagen: Schafft dieses schulische Angebot. – Es wächst von unten, es wird niemandem verordnet. In Nordrhein-Westfalen weiß das die CDU, hier in Hessen polemisiert die CDU dagegen. Das zeigt, wie nötig wir einen Schulfrieden auch in Hessen haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Ministerin, Sie sprechen über die berufliche Bildung als das Megathema der Zukunft. Viel Pathos, leere Phrase. Wo ist Ihr Konzept zur Reform des Übergangs von der Schule in den Beruf? Nach 15 Jahren haben Sie immer noch kein Konzept. Meine Fraktion hat Ihnen ein Konzept vorgelegt.

(Zuruf des Abg. Mario Döweling (FDP))

– Wir haben uns an den Vorschlägen der Bertelsmann-Stiftung orientiert. Daran ist nichts Ehrenrühriges, Herr Kollege Döweling. Wir haben wenigstens etwas gemacht. Sie haben gar nichts.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU und der FDP)

Frau Ministerin, Sie haben zu Recht über den Wert der Leistungen gesprochen, die Verkäuferinnen, Verkäufer und Krankenschwestern in unserem Land erbringen. Darüber sprechen Sie völlig zu Recht. Wer – wie Sie – diesen Menschen aber vernünftige Arbeitsbedingungen vorenthält, wer diesen Menschen einen Mindestlohn vorenthält, der sollte hier nicht mit diesem Pathos auftreten, denn er meint es mit diesen Leuten nicht wirklich ernst.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Dr. Wagner, damit das klar ist: Bei einer Bildungspolitik nach dem Motto „Mein Kind macht Abitur, und die anderen werden Verkäuferinnen und Verkäufer“ machen wir erst gar nicht mit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was wäre jetzt also für die Schulen zu tun? Ich möchte einige der Antworten geben, die die Frau Ministerin in ihrer Regierungserklärung schuldig geblieben ist. Was hätten wir uns von der Regierungserklärung einer Ministerin gewünscht? Sagen wir es anders: Wie hätte die Regierungserklärung eines Mitglieds einer neuen Landesregierung ausgesehen? Was würde eine neue Landesregierung auf den Weg bringen?

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Eine neue Landesregierung in Hessen würde das größte Betreuungsproblem der Eltern in unserem Land lösen: Sie würde eine Bildungs- und Betreuungsgarantie von 7:30 bis 17 Uhr für alle Grundschulkinder in unserem Land auf den Weg bringen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine neue Landesregierung würde der Opposition, die dann aus CDU und FDP bestehen würde, trotz allen Geschreis die Hand zu einem Schulfrieden reichen.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Herr Dr. Wagner, wir wissen, mit Ihnen und mit Ihren Nachfolgern wäre es nicht einfach. Wir würden es trotzdem machen; denn unsere Schulen sind das ständige rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln leid. Unsere Schulen brauchen Planungssicherheit. Wir würden die Initiative ergreifen, um den Schulkampf in Hessen, den Sie, Herr Dr. Wagner, maßgeblich betrieben haben, endlich zu beenden und zu einem Schulfrieden zu kommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Eine neue Landesregierung würde in unserem Land eine echte Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9 verwirklichen.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Meine Damen und Herren, wie kann man das erreichen? Wir würden die Eltern fragen, was sie für ihre Kinder wollen, so, wie es in der Landeshauptstadt Wiesbaden schon jetzt gemacht worden ist. Wir würden die Eltern der Grundschulkinder schlicht fragen, ob sie G 8 oder G 9 wollen. Dann würden wir gemeinsam mit den Schulträgern und den Schulen versuchen, ein solches Angebot hinzubekommen. Das schlagen wir Ihnen seit einem Dreivierteljahr vor. Mit einer neuen Regierung würde das endlich kommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir würden ein längeres gemeinsames Lernen ermöglichen.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

– Herr Dr. Wagner, wir würden das deshalb ermöglichen, weil für uns der Elternwille zählt, während für Sie die Ideologie des gegliederten Schulwesens gilt. Das ist ganz einfach. Wir wollen das ermöglichen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Herr Dr. Wagner, Sie müssen einmal darüber nachdenken, was Sie eben in Ihrer Philippika über die Arbeit der integrierten Gesamtschule gesagt haben.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

– Wenn es erlaubt ist, zitiere ich jetzt einmal, was Sie über die Arbeit der integrierten Gesamtschulen gesagt haben: wie Sie über das pädagogische Konzept der integrierten Gesamtschulen und das Abschaffen des Sitzenbleibens gesprochen haben – was an den integrierten Gesamtschulen in unserem Land unter Ihrer Verantwortung bzw. unter der von Frau Beer bereits realisiert worden ist. Herr Dr. Wagner, das bedeutet, Sie sind ein kalter Krieger; um die Sache geht es Ihnen aber nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

– Herr Dr. Wagner, gibt es an den integrierten Gesamtschulen das Sitzenbleiben oder nicht? Das klären wir jetzt einmal.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

– Also nein. Danke schön, Herr Dr. Wagner.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Herr Dr. Wagner, wissen Sie, in Ihrer pädagogischen Welt würde ich jetzt sagen: Sechs, setzen. – Aber das ist nicht unsere pädagogische Welt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

– Herr Dr. Wagner bleibt nicht sitzen, zumindest nicht in diesem Landtag; das wissen wir. Das ist schon geklärt.

Eine neue Regierung würde sich tatsächlich um den inklusiven Unterricht kümmern.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

– Herr Greilich – jetzt hätte ich Sie fast mit „Doktor Greilich“ angeredet; das ist wirklich zu viel der Ehre für Sie –, das unterscheidet uns: Wir haben – –

(Zurufe von der CDU)

– Hat er jetzt einen Doktortitel, oder hat er keinen? Er hat keinen.

(Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Herr Greilich, wir haben Respekt vor der Entscheidung, die die Bürgerinnen und Bürger am 22. September treffen.

(Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

Aber wir stellen auch dar, was die Bürgerinnen und Bürger bekämen, wenn sie sich am 22. September für eine neue Landesregierung entscheiden würden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir würden den inklusiven Unterricht von Kindern mit Behinderungen und Kindern ohne Behinderungen von der Ausnahme zur Regel machen. Wir würden das mit einem konkreten Zeitplan versehen, und wir würden sagen, dass das in jedem Schulträgerbezirk jedes Jahr besser werden muss. Wir glauben, dass man ein solches inklusives Schulsystem in sieben oder acht Jahren verwirklichen kann. Aber, Frau Ministerin, man braucht ein Ziel und einen Plan. Ansonsten bleibt man die Antworten einmal mehr schuldig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine neue Landesregierung würde sich das große Ziel setzen, jedem jungen Menschen eine Berufsausbildung zu ermöglichen.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

– Ja, Herr Kollege Bellino, da haben wir etwas zu tun. Das ist richtig.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

– Wie bei Ihnen. – Sie sagen jetzt wirklich, in Hessen bekomme jeder junge Mensch eine Berufsausbildung.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Sie sagen, es gebe in Hessen keine jungen Menschen ohne Berufsausbildung? Herr Bellino, Sie haben überhaupt keine Ahnung von der Lebenswirklichkeit der Menschen in unserem Land, die eben nicht auf der Sonnenseite stehen. Sie haben keine Ahnung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Wir wollen das klare Primat der dualen Ausbildung. Es ist sehr gut, wenn jeder junge Mensch, der es will, einen Ausbildungsvertrag im dualen System abschließen kann. Das wollen wir weiter fördern. Aber wir müssen auch etwas für die jungen Menschen tun, die keinen Ausbildungsvertrag im dualen System bekommen. Für die müssen wir ebenfalls eine Ausbildung organisieren: möglichst berufsnah, möglichst betriebsnah und immer in einem anerkannten Ausbildungsberuf.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Das Übergangssystem, das Sie zu verantworten haben, brauchen wir aber nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Eine neue Landesregierung würde die an der Bildung Beteiligten zu einem Dialog über die Lehrerausbildung und über die inhaltlichen Veränderungen einladen, die wir gerade in der ersten Phase der Lehrerausbildung brauchen. Unsere Schulen haben sich in den vergangenen Jahren verändert, und sie werden sich weiter ändern. Wir sind auf dem Weg zur Ganztagsschule, wir sind auf dem Weg zur inklusiven Schule, und Lehrerinnen und Lehrer arbeiten Gott sei Dank viel stärker im Team und viel weniger als Einzelkämpfer.

All das findet sich noch viel zu wenig in der Lehrerausbildung wieder. Deshalb müssen wir die Lehrerausbildung überarbeiten. Nur gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer werden nämlich gewährleisten, dass es gute Schulen gibt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine neue Landesregierung würde das Landesschulamt, die Monsterbehörde von Herrn Greilich, abwickeln. Meine Damen und Herren, es würde keinem auffallen, wenn das ginge und die erste Amtshandlung der neuen Landesregierung darin bestehen würde, dieses Amt abzuschaffen. Es würde niemandem auffallen, dass es nicht mehr existiert. Sie haben dieses Amt nur aus dem Grund geschaffen, weil Sie Pöstchen und Posten verteilen wollen. Sonst gibt es keinen Grund für die Existenz dieses Landesschulamts.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine neue Landeregierung würde die Abschaffung des Kooperationsverbots nicht länger blockieren. Frau Bundeskanzlerin Merkel hat an diesem Wochenende eine Debatte angestoßen: Selbst sie könnte sich jetzt vorstellen, das Kooperationsverbot im Bildungsbereich zu lockern.

Was erklärt diese Landesregierung? Nein, sie macht es nicht. Das wäre ein klarer Unterschied: Eine neue Landesregierung würde sich nicht mehr dagegen wehren, dass der Bund dem Land hilft, wenn es um die Verbesserung unserer Schulen geht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Wir würden uns auch für eine stärkere inhaltliche Zusammenarbeit zwischen den Bundesländern einsetzen. Wir können es doch niemandem in unserem Land erklären, warum man sich in 16 Bundesländern die Unterrichtsinhalte 16-mal komplett neu ausdenkt. Wir können es niemandem erklären, warum in 16 Bundesländern die Lehrerausbildung 16-mal anders organisiert wird, und wir können den Eltern nicht erklären, warum man sich in 16 Bundesländern die Schulstruktur 16-mal neu ausdenkt, sodass man bei einem Umzug von einem Bundesland in ein anderes überhaupt nicht mehr weiß, in welcher Welt man sich bewegt.

Auch das würden wir angehen. Hier brauchen wir mehr Zusammenarbeit und nicht weniger.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen in einigen Bereichen beschrieben, wie der Unterschied wäre. Ich glaube, es kann jeder vergleichen zwischen dem, was diese Landesregierung über die Zukunft unserer Schulen gesagt hat – nämlich nichts –, und dem, was die Alternative dazu ist. Die Alternative zu dem „Weiter so“ mit den gescheiterten Ansätzen der Vergangenheit ist ein Schulfrieden, ist Verlässlichkeit und Perspektive für unsere Schulen, so wie ich es beschrieben habe.

Jeder kann entscheiden. Jeder kann sich einen Überblick verschaffen, wer für unsere Schulen noch etwas vorhat und wer erschöpft und verbraucht ist. In diesem Sinne bin ich sehr gespannt, wie die Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger ausfallen wird. Ich glaube, sie wird eindeutig ausfallen.

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der SPD)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Vielen Dank.

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