Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Wiesmann hat am Anfang ihrer Rede einige Maßnahmen angesprochen, mit denen sich im hessischen Bildungssystem in den letzten Jahres manches verändert und teilweise auch verbessert hat. Sie hat angesprochen, dass alle Bundesländer und auch das Bundesland Hessen zehn Jahre nach dem Schock der Ergebnisse der ersten PISA-Studie Maßnahmen zur Verbesserung dieses Bildungssystems auf den Weg gebracht haben. Denn die PISA-Studie hat gezeigt, dass unser Bildungssystem eben nicht so gut ist, wie wir lange Zeit dachten. In den letzten zehn Jahren wurde auch in die Bildung investiert.
Frau Kollegin Wiesmann, das bestreitet in diesem Haus keiner. Frau Kollegin Wiesmann, die spannende Frage ist doch: Sind wir zehn Jahre nach dem PISA-Schock mit unserem Bildungssystem wirklich schon so gut, dass wir alle unsere Hausaufgaben gemacht haben? Sind wir schon so gut, dass wir nicht noch zusätzliche Investitionen in unserem Bildungssystem benötigten? Sind wir schon so gut, dass wir es uns sogar schon leisten können, im Bildungssystem zu kürzen? Hier lautet die eindeutige Antwort: Nein, so gut sind wir mit unserem Bildungssystem noch nicht.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Frau Kollegin Wiesmann, deswegen ist der Ansatz, an Bildung kürzen zu wollen, nach über einem Jahrzehnt des parteiübergreifenden Tabus im Hessischen Landtag, am Bildungssystem zu kürzen, ein absolut falscher Paradigmenwechsel.
(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))
Herr Kollege Rentsch, es hilft nichts, zu sagen: Wir kürzen in Bildung weniger als in anderen Bereichen. – Der richtige Punkt muss heißen: Wir kürzen in Bildung gar nicht, sondern wir investieren mehr in Bildung, weil wir eben noch nicht alle Hausaufgaben aus der PISA-Studie in unserem Bildungssystem umgesetzt haben.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Sie haben selbst einige Herausforderungen des Bildungssystems am Ende Ihrer Rede angesprochen. Glauben Sie ernsthaft, dass wir diese Herausforderungen des Bildungssystems mit weniger Geld bewältigen können? Glauben Sie ernsthaft, dass es uns mit weniger Geld gelingen wird, die soziale Ungleichheit, die wir nach wie vor in unserem Bildungssystem haben, abzubauen?
(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))
Glauben Sie ernsthaft, dass wir mit weniger Geld die Ganztagsschulen werden ausbauen können? Das glauben Sie doch nicht ernsthaft. Frau Kollegin Wiesmann, wir können gerne darüber reden, wie wir Strukturen im Bildungsbereich effizienter machen können.
(Zuruf des Abg. Alexander Noll (FDP))
Um es ganz klar zu sagen: Es gibt auch in der Bildung keinen Grund, Steuergeld ineffizient auszugeben. Aber jede Effizienz, die wir ins Bildungssystem heben, müssen wir wieder ins Bildungssystem reinvestieren und dürfen sie dem Bildungssystem nicht wegnehmen. Frau Kollegin Wiesmann, das ist der Unterschied zwischen Ihrem Ansatz und unserem Ansatz.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)
Gerne hätte ich heute in der bildungspolitischen Debatte darüber geredet, wie diese Landesregierung den Bildungs- und Erziehungsplan umsetzen will. Ich hätte gerne darüber geredet, welchen Plan die Landesregierung zur Einführung der flexiblen Eingangsstufen möglichst an allen Grundschulen hat. Gern hätte ich über Ihr Konzept geredet, wie wir zu einem bedarfsgerechten Ausbau der Ganztagsschulen kommen. Gern hätte ich über längeres gemeinsames Lernen mit Ihnen geredet. Gerne hätte ich mit Ihnen über die 105 % Lehrerversorgung geredet. Gerne hätte ich mit Ihnen über die Umsetzung in einen verbindlichen Zeitplan der UN-Behindertenrechtskonvention geredet. Zu all diesen Bereichen gibt es von dieser Landesregierung aber keinerlei Konzept.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)
Der einzige neue Akzent, den diese neue Kultusministerin, die jetzt auch schon zwei Jahre im Amt ist, gesetzt hat, ist, dass sie der Meinung ist, an Bildung kann man wieder kürzen. Der einzige neue Akzent von FDP-Bildungspolitik in diesem Land ist, dass man glaubt, man könne an Bildung kürzen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der FDP)
Frau Ministerin, das kann man eben nicht. Wenn Sie diese Projekte verwirklichen wollen, die ich eben beschrieben habe, dann kann man eben nicht an Bildung kürzen. Wenn Sie glauben, dass Kürzungen im Bildungsbereich, also Bildungsabbau, Ihr Markenzeichen in der Bildungspolitik ist, dann kann ich Ihnen sagen: Machen Sie nur so weiter. Das wird nicht gelingen. Ihre Amtsvorgänger haben schwerlich erfahren, wohin ein solcher Kurs führt. Wir können uns einen solchen Kurs im Interesse unserer Schulen auch nicht leisten.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Heike Habermann (SPD))
Schauen wir uns die Versprechen dieser Ministerin an. Eigentlich war es einmal Konsens, dass im Bildungsbereich gar nicht gekürzt wird. Das wurde dann relativiert, und die Ministerin hat gesagt: Ja, aber ich kürze nicht am Unterricht. – Daran erinnern wir uns alle noch. Die Ministerin hat versprochen, am Unterricht werde nicht gekürzt. – Frau Ministerin, im laufenden Haushaltsjahr sind die Mittel für den Vertretungsunterricht um 37 Prozent gekürzt worden. Was ist das anderes als Kürzen am Unterricht?
Jetzt lesen wir in der Frankfurter Rundschau, dass Sie planen, die Axt an die Lehreraus- und -fortbildung zu legen. Jetzt frage ich Sie: Was ist das anderes als Kürzen am Unterricht? Was gibt es Wichtigeres für einen guten Unterricht als gut ausgebildete und gut fortgebildete Lehrerinnen und Lehrer? Sie legen die Axt an die Lehrerbildung und damit die Axt an die Qualität von Unterricht.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))
Frau Ministerin, einmal mehr ist Ihr Versprechen überhaupt nichts wert. Auch dieses Versprechen haben Sie wieder gebrochen.
Jetzt lesen wir, Sie wollen ein Drittel der Studienseminare schließen. Ein Drittel aller hessischen Studienseminare, das bedeutet den Abschied aus der Lehreraus- und -fortbildung in der Fläche. Das muss man wissen. Man muss auch wissen, dass es nicht nur die zehn geschlossenen Studienseminare betrifft, sondern auch die 20 verbleibenden Studienseminare werden auf absehbare Zeit nur damit beschäftigt sein, Ihre Sparvorgaben und Ihre Reorganisation umzusetzen, und sie werden sich eben nicht um die Qualität der Ausbildung kümmern können. Da sagen Sie, Sie kürzen nicht am Unterricht. Ich kann nur sagen: FDP – unser Wort gilt nichts. – Einmal mehr bewahrheitet es sich an diesem Punkt.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)
Wenn es heißt: Woher wissen Sie es denn, wo gekürzt werden soll? – Herr Kollege Irmer hat es vorhin dazwischengerufen. Herr Kollege Irmer, wenn man der Meinung ist, man könnte 68 Millionen Euro im Kultusetat kürzen, dann gibt es nicht so viele Möglichkeiten.
Kapitel 1 des Haushalts des Kultusministeriums betrifft das Ministerium. Das Gesamtvolumen beträgt 55,5 Millionen Euro. Selbst wenn man das gesamte Ministerium einsparen würde, käme man nicht auf diese Kürzungssumme. Einige sagen, man könne sich die Spitze dieses Ministeriums sparen, aber auch das hilft nicht, 68 Millionen Euro zu sparen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Schauen wir uns das Kapitel 2, die Fördermittel, des Kultusministeriums an. Der Gesamtumfang beträgt 67 Millionen Euro, davon sind 50 Millionen Euro durch Staatsverträge garantierte Leistungen an die Kirchen. Hier können Sie die 68 Millionen Euro also auch nicht holen.
Das nächste Kapitel des Kultusministeriums, das IQ: 16 Millionen Euro Gesamtumfang. Hier können Sie den Kürzungsbetrag auch nicht holen. Schauen wir uns die Erwachsenenbildung an: 45 Millionen Euro Gesamtumfang. Selbst wenn Sie die gesamte Erwachsenenbildung streichen würde, kämen Sie nicht auf die Beträge, die Sie im Bildungsbereich kürzen wollen.
(Zurufe von der FDP)
Schauen wir uns die Staatliche Schulaufsicht an: 71 Millionen Euro Gesamtumfang. Selbst wenn Sie alle Staatlichen Schulämter schließen würden, kämen Sie gerade auf diesen Kürzungsbetrag. Es bleibt aber das Problem, dass es dort Beamtinnen und Beamte gibt, die weiter beschäftigt werden müssen. Vor allem bleibt aber das Problem, dass die Staatlichen Schulämter wichtige Aufgaben in unserem Land erfüllen.
Also bleiben doch nur noch zwei Bereiche übrig, in denen Kürzungen vorgenommen werden können, nämlich die Schulen und die Lehreraus- und -fortbildung. Deswegen glaube ich, entspricht das sehr nahe der Wahrheit, was in der „Frankfurter Rundschau“ steht. Sie sollten hier kein Versteckspiel spielen. Wenn Sie schon glauben, an Bildung kürzen zu können, dann treten Sie an dieses Pult und sagen den Hessinnen und Hessen, was Sie vorhaben, damit man diese Auseinandersetzung dann sehr konkret mit Ihnen führen kann, Frau Ministerin.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Weil das Thema Schuldenbremse von Frau Kollegin Wiesmann und von den LINKEN angesprochen wurde: Wir sind für die Schuldenbremse. – Jetzt nach der Volksabstimmung beginnt aber die Debatte darüber, wie diese Schuldenbremse umgesetzt werden soll. Da geht es um politische Prioritätensetzung. Wir sagen: An Bildung wird trotz der Schuldenbremse nicht gekürzt, sondern in Bildung wird mehr investiert. – Das ist genau der Unterschied.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)
Sie müssen nicht an Bildung kürzen, Sie wollen an Bildung kürzen. Es ist eben nicht eine alternativlose Politik, sondern es ist Ihre Entscheidung.
Ich finde es bei einer FDP-Kultusministerin besonders pikant, dass sie auf den Bundesparteitagen ihrer Partei fröhlich für Steuergeschenke an Hoteliers und an andere Lobbygruppen stimmt, dann die Dreistigkeit besitzt, sich in den Hessischen Landtag zu stellen, und sagt: Mir fehlen die Steuereinnahmen, um in Bildung zu investieren. – Frau Ministerin, dieses Schmierentheater machen wir nicht mit.
(Zurufe von der CDU und der FDP)
Frau Ministerin, bringen Sie Ihre Truppe endlich zur ökonomischen Vernunft.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))
– Herr Kollege Rentsch, so funktioniert es nicht. Herr Kollege Rentsch, die Steuerentlastung für Hoteliers haben Auswirkungen auf den hessischen Landeshaushalt.
Vizepräsident Heinrich Heidel:
Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.
(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))
Mathias Wagner:
– Ich komme gern zum Ende, Herr Kollege Rentsch. – Die Auswirkungen Ihres Steuergeschenkes auf den hessischen Landeshaushalt: über 40 Millionen Euro. Wir könnten uns Ihre Kürzungspläne gerade sparen, wenn Sie diesen Unsinn auf Bundesebene nicht gemacht hätten. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)
Vizepräsident Heinrich Heidel:
Schönen Dank, Herr Kollege Wagner.