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25.09.2012
Portraitfoto von Mathias Wagner vor grauem Hintergrund.

Mathias Wagner: Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn man den Kollegen Döweling hört, kann man auf die Idee kommen, das G 8 sei vor einem halben oder vor einem Jahr eingeführt worden, und jetzt stelle man fest, man müsse irgendein Feintuning vornehmen, damit es besonders gut läuft. Nein, vor acht Jahren wurde G 8 hier eingeführt, und acht Jahre lang wurden alle Leute, die berechtigte Kritik daran geübt haben, beschimpft und von dieser Landesregierung zurechtgewiesen: Das alles sei nicht wahr.

Jetzt gibt es eine völlige Rolle rückwärts. Die Mitglieder dieser Koalition sagen: Ach, G 8 war nur so eine Idee von uns, das können wir eigentlich auch wieder anders machen. – Verantwortungsloser kann man Bildungspolitik nicht betreiben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Sie haben G 8 in Hessen grottenschlecht eingeführt. Sie haben einen Versuch mit einer ganzen Schülergeneration gestartet. Eine ganze Schülergeneration musste dieses G 8 durchleiden, und weil bei Ihnen in der Bildungspolitik Ideologie immer wichtiger ist als Realität,

(Zuruf des Abg. Mario Döweling (FDP))

haben Sie acht Jahre gebraucht, um Korrekturen einzuleiten. Das ist eine verantwortungs- und prinzipienlose Bildungspolitik.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren von Schwarz-Gelb, dabei treibt Sie nicht einmal die Erkenntnis an. Das hat man an den Redebeiträgen der Kollegen von CDU und FDP gehört. Das Einzige, was Sie in dieser Frage antreibt, ist die Angst vor dem Wahltag.

(Zurufe von CDU und FDP)

–Doch. Sie spüren nämlich, dass sich die Eltern diese Bevormundung einfach nicht mehr gefallen lassen, und Sie merken, dass die seit Jahren erhobene Forderung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nach der Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9 richtig ist. Sie haben seit Jahren dagegen gestimmt. Sie sind dafür verantwortlich, dass eine ganze Schülergeneration ihr vermurkstes G 8 durchleiden musste.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Wir begrüßen ausdrücklich, dass Sie die Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9 jetzt endlich einführen wollen. Nur, meine Damen und Herren von Schwarz-Gelb, Wahlfreiheit muss man nicht nur wollen, Wahlfreiheit muss man auch können.

Schauen wir uns einmal sehr genau an, was die Frau Kultusministerin jetzt vorgestellt hat. Zum einen haben wir die konkrete Gesetzesänderung, über die wir heute reden. Frau Ministerin, wir GRÜNE sind sehr dankbar, dass Sie in dem Gesetzentwurf ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Regelung zur Wahlfreiheit für die kooperativen Gesamtschulen, die meine Fraktion 2008 im Hessischen Landtag vorgeschlagen hat, das Vorbild für Ihre jetzige Gesetzesänderung ist. Vielen Dank für die späte Anerkennung, dass wir damals eine gute Arbeit gemacht haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden daher auch nicht kritisieren, wenn Sie das, was Sie an der Stelle machen, auf die Gymnasien übertragen.

Aber, Frau Ministerin, was den Zeitplan betrifft, müssen wir sehr genau hinschauen. Sie haben jetzt wieder die Erwartung geweckt, das Ganze solle zum nächsten Schuljahr verwirklicht werden. Wenn man dann ins Kleingedruckte – –

(Zuruf der Ministerin Nicola Beer)

–Es ist falsch, dass es zum nächsten Schuljahr verwirklicht werden soll? Das ist interessant, Frau Ministerin. Das ist also falsch.

(Zuruf der Ministerin Nicola Beer)

– Aha, das ist interessant. – Jetzt sagen Sie, es müssen nicht nur die Schulen eine Entscheidung treffen, sondern es muss auch der Schulträger seinen Schulentwicklungsplan ändern, und Ihre Powerbehörde muss diesem Schulentwicklungsplan rechtzeitig zustimmen. Da Ihre Verwaltung nächstes Jahr mit der Reorganisation im Landesschulamt beschäftigt sein wird, bin ich sehr gespannt, ob das alles so klappen wird.

Was sagen denn die armen Schulleiterinnen und Schulleiter den Eltern der Grundschüler, die sich gerade darüber informieren, welches Angebot es im nächsten Schuljahr geben wird? Auch da wurde einmal mehr schneller geredet als gedacht. Meine Damen und Herren, verlässlich und zuverlässig ist das nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Ministerin, überhaupt nicht mehr nachvollziehen kann ich das, was Sie sich jetzt für den Parallelbetrieb von G 8 und G 9 an einer Schule ausgedacht haben. Herr Döweling sprach von einem „Splittingmodell“. Das kannte ich bisher aus dem Steuerrecht; aber wir machen das jetzt vielleicht auch in der Bildungspolitik. Im Steuerrecht ist es schon kompliziert genug.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

–Wie auch immer, Herr Kollege Schaus. – Das, was Sie sagen, ist schon abenteuerlich. Sie schreiben „Wahlfreiheit“ hinein, aber es ist das Gegenteil von Wahlfreiheit. Das, was Sie hier vorschlagen, bedeutet die Abschaffung des freien Elternwillens an den Schulen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

–Nein, das ist überhaupt kein Unfug. Sie sagen, an den Schulen, an denen G 8 und G 9 parallel betrieben werden, dürfen die Eltern nicht darüber entscheiden, wie der Lehrplan in den Klassen 5 und 6 aussieht. Vielmehr ist da, Frau Ministerin, der G-8-Lehrplan vorgesehen, egal was die Eltern wollen. Welchen Sinn soll es denn für Eltern ergeben, die für Ihre Kinder G 9 wählen, dass die zweite Fremdsprache in Klasse 6 beginnt, obwohl im G 9 doch erst in der 7. Klasse damit angefangen wird? Frau Ministerin, welchen Sinn soll das haben? Auf einen Murks den nächsten Murks draufzusetzen ist eben noch kein Konzept.

(Beifall dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann heißt es in Ihren Vorschlägen – wir haben uns das, was Sie auf Ihrer Pressekonferenz vorgestellt haben, sehr genau angeschaut –, am Ende der Klasse 6, nachdem an diesen Schulen alle Schülerinnen und Schüler, ob sie es wollten oder nicht, den Unterricht nach dem G-8-Lehrplan erhalten haben, entscheiden nicht mehr die Eltern über den weiteren Weg, sondern die Schule macht das. Ich finde, das ist ein ziemlich starkes Stück; denn die freie Wahl der Eltern, d.h. das Recht, über den weiteren Weg Ihrer Kinder zu entscheiden, war bisher ein hohes Gut in der hessischen Schulpolitik. Aber Sie schaffen das wieder ab.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Ministerin, ich kann nur gute Verrichtung wünschen. Sie können einmal den früheren Kultusminister Christean Wagner fragen, wie erfolgreich es ist, wenn man den freien Elternwillen abschaffen will. Sie können gern auch meine Parteikollegin Christa Götsch in Hamburg fragen; sie hat es ebenfalls schon einmal versucht. Alle genannten Politiker sind danach abgewählt worden. Uns als Opposition kann das recht sein; aber Sie sollten das den Eltern und den Schulen nicht schon wieder zumuten, Frau Ministerin.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass es eine klare Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9 gibt, ist gut. Was den Parallelbetrieb betrifft, haben wir erhebliche Zweifel, ob er tatsächlich so funktioniert, wie Sie es hier vorgeschlagen haben. Man kann über einen Parallelbetrieb reden. Warum richten Sie dann nicht die Turboklassen ein, die wir vor neun Jahren schon einmal hatten? Dann braucht man sich nichts Neues auszudenken.

Fazit: Wahlfreiheit muss man nicht nur wollen, Wahlfreiheit muss man auch können. Ihnen geht es in der Bildungspolitik einmal mehr nicht um die Sache, sondern Sie treibt die Angst vor den Wählerinnen und Wählern an. Wer aber Angst vor den Wählerinnen und Wählern hat, wird früher oder später die Quittung dafür bekommen. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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