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27.05.2015
Portraitfoto von Mathias Wagner vor grauem Hintergrund.

Mathias Wagner: Ganztagsschulprogramm des Landes wird weiter ausgebaut – Angebotsvielfalt, Wahlfreiheit und Bedarfsgerechtigkeit als Leitlinien

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Degen, Sie haben zu Beginn Ihrer Rede das Prinzip „ermöglichen statt verordnen“ thematisiert, was im Moment die Bildungspolitik in vielen Ländern prägt, was das grüne Wahlprogramm geprägt hat und was auch die Politik der schwarz-grünen Koalition prägt. Es freut mich, dass Sie dieses Motto aufgenommen haben.
Sie haben gefragt, ob dieser Mittwoch ein „Ermöglichungs-Mittwoch“ sein könnte. – Herr Kollege Degen: Ja, ausdrücklich.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Beim Thema Ganztagsschule kann dieser Mittwoch und können die Debatten im Bildungsgipfel eine Ermöglichung sein. Wir sind ja durch die Debatten des Bildungsgipfels, den die schwarz-grüne Landesregierung auf den Weg gebracht hat, sehr viel weiter. Wir sind ja raus aus den grundsätzlichen Debatten, ob nur der „Pakt für den Nachmittag“ oder nur rhythmisierte Ganztagsschulen der richtige Weg sind. Vielmehr haben wir einen Diskussionsstand in diesem Bildungsgipfel erreicht, der sagt: Wir wollen den „Pakt für den Nachmittag“ verwirklichen, aber eben auch echte rhythmisierte Ganztagsschulen im Profil 3.
Ja, wir haben diese Ermöglichungsstrategie, Herr Kollege Degen. Die einzige Frage ist nur noch: Gehen Sie diesen Weg mit? Nehmen Sie die Hand an, die die Regierung ausgestreckt hat, oder schlagen Sie diese Hand aus? Das ist die sehr konkrete Frage, die sich hier stellt.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zurufe von der SPD)
Ich glaube, es wäre ein Gewinn, wenn wir uns bei der Ganztagsschulentwicklung einigen würden. Denn welche Funktionen haben Ganztagsangebote und Ganztagsschulen in unserem Land? Sie haben zum einen – das ist unstrittig in diesem Haus – die Funktion, eine bessere Förderung für die Schülerinnen und Schüler zu realisieren. Die zweite Funktion – ganz wichtig für Eltern – ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Ja, da gibt es oder gab es zu Beginn der Legislaturperiode zwei sehr grundsätzlich unterschiedliche Konzepte. Die SPD-Fraktion in diesem Haus hat gesagt: Wir wollen jährlich 100 echte Ganztagsschulen und konzentrieren die Mittel im Bildungsbereich darauf, jedes Jahr 100 echte Ganztagsschulen zu machen. Das macht am Ende der Legislaturperiode 500 echte Ganztagsschulen.
Ich rede diesen Ansatz ausdrücklich nicht schlecht, weil ich genau weiß, welche pädagogische Qualität echte Ganztagsschulen haben. Das Problem an diesem Ansatz ist, dass er sich natürlich mit begrenzten Mitteln auseinandersetzen muss, weshalb die SPD-Fraktion gesagt hat: Wir können ein solches sehr gutes Angebot bis zum Ende der Legislaturperiode nur an 500 Schulen verwirklichen. Das werfe ich Ihnen nicht vor. Das ist im Rahmen der Möglichkeiten das, was man an echten Ganztagsschulen machen kann.
Der Ansatz der Koalition war, mit dem Pakt für den Nachmittag für alle Grundschulen im Land ein gutes Angebot einer Bildungs- und Betreuungsgarantie zu machen, damit das drängendste Problem von Eltern in unserem Land, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, im Grundschulbereich für alle Schülerinnen und Schüler bearbeitet und gelöst werden kann.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Das sind die beiden Ansätze, die sich gegenüberstehen: ein, zugegeben, pädagogisch sehr gutes, wünschenswertes Angebot für 500 Schulen und für die anderen Schulen nicht oder ein gutes pädagogisches Angebot für alle Schülerinnen und Schüler im Grundschulbereich. Das ist die sachliche Situation, um die es geht.
Meine Damen und Herren, so weit sind diese Positionen nicht auseinander, wenn es um die Sache geht, als dass man sie nicht zusammenführen könnte. Deshalb ist der Vorschlag, wie ihn der Ganztagsschulverband gemacht hat, wie ihn die schwarz-grüne Regierung jetzt gemacht hat: Lassen Sie uns beides zusammenführen. Lassen Sie uns ein solides Angebot mit dem Pakt für den Nachmittag, mit der Bildungs- und Betreuungsgarantie für alle Schülerinnen und Schüler im Grundschulbereich machen und ergänzend dazu das aufgreifen, was die SPD-Fraktion thematisiert: dass es auch eine Entwicklungsperspektive für echte rhythmisierte Ganztagsschulen geben soll. Das liegt auf dem Tisch. Das können wir abschließen. Dann machen wir es, dann machen wir diesen Mittwoch zum Ermöglichungsmittwoch.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Ich habe eine herzliche Bitte. Sie werden meiner Rede entnommen haben: Wir GRÜNEN und auch die Kolleginnen und Kollegen der CDU reden nicht schlecht über rhythmisierte Ganztagsschulen. Wir erkennen dieses pädagogische Konzept dort an, wo es von Eltern für ihre Kinder gewünscht wird. Ja, die Erfahrungen in den Ländern, die das machen, sind sehr ermutigend, was die Förderung der Schülerinnen und Schüler angeht. Aber ich habe die herzliche Bitte, dass Sie dann auch den Ansatz des Paktes für den Nachmittag nicht weiter schlechtreden. Denn die Schulen, die sich zum nächsten Schuljahr auf den Weg machen, die 58 Schulen, die sechs Schulträger, die das auf den Weg bringen, machen auch ein sehr gutes Angebot für die Eltern. Auch sie kümmern sich um die Förderung von Schülerinnen und Schülern. Wir sollten nicht, um parteipolitische Konflikte weiter aufrechterhalten zu können, die Arbeit der Schulen schlechtreden,
(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))
egal, ob sie im Pakt für den Nachmittag oder in rhythmisierten Ganztagsschulen geschieht.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))
Lassen wir das doch einfach weg, und lassen wir uns den Bildungsgipfel gemeinsam als die Chance begreifen, diese Debatten unseren Schulen eben nicht mehr zuzumuten, sondern zu sagen: Ja, der Pakt für den Nachmittag wird verwirklicht für alle Grundschüler, und ergänzend als besonders gutes pädagogisches Angebot werden verstärkt Profil-3-Ganztagsschulen genehmigt.
(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))
Es ist ja nicht so, als würde in diesem Land im Bereich der Ganztagsschulentwicklung und beim Ausbau des Ganztagsschulprogramms nichts geschehen. Ich darf daran erinnern: Im laufenden Schuljahr gab es 115 zusätzliche Stellen im Ganztagsschulprogramm. Übrigens wurden auch Schulen neu ins Profil 2 aufgenommen und Angebote im Profil 2 erweitert. Es wurde auch eine neue Schule im Profil 3 genehmigt. Jetzt kann man immer mehr fordern. Lassen Sie uns über den Ausbaupfad reden. Das ist gar keine Frage. Aber dass nichts geschehen ist, kann man nicht sagen.
Im kommenden Schuljahr sind es 230 Stellen, eine Verdoppelung der Ausbaugeschwindigkeit des Ganztagsschulprogramms. Diese Koalition will in den kommenden Schuljahren so weitermachen. Das ist der größte Ausbau des Ganztagsschulprogramms, den es in Hessen je gegeben hat.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Lassen Sie uns darüber reden, wie wir das konkret ausgestalten. Darüber können wir sprechen.
(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))
Aber ich habe noch eine Bitte. Wenn wir den ganzen Pulverdonner weglassen und anerkennen, dass die CDU-Fraktion gute bildungspolitische Ideen hat, dass die GRÜNEN-Fraktion gute bildungspolitische Ideen hat, dass die SPD-Fraktion gute bildungspolitische Ideen hat,
(Zuruf der Abg. Barbara Cárdenas (DIE LINKE))
die FDP-Fraktion auch, die schon einmal die Kultusministerin gestellt hat, wenn wir einmal den ganzen Theaterdonner weglassen und anerkennen, dass wir alle ganz interessante Ansätze haben, und diese zusammenführen, dann habe ich eine Bitte. Die Oppositionsfraktionen in diesem Hause weisen für den Bildungsgipfelprozess aus meiner Sicht zu Recht darauf hin, dass am Ende nicht die Vereinbarung des schwarz-grünen Koalitionsvertrags stehen kann. Das wäre eine Einigung mit sich selbst, das wäre ein bisschen wenig. Das ist auch nicht der Ansatz des Bildungsgipfels. Der Ansatz des Bildungsgipfels ist es, eine breite Verständigung hinzukriegen, und ja, die geht dann auch über den Koalitionsvertrag hinaus. Wir haben bewiesen, wo wir über den Koalitionsvertrag hinausgehen wollen.
Wer aber auf der einen Seite fordert, dass der Koalitionsvertrag nicht der alleinige Maßstab eines Ergebnisses beim Bildungsgipfel und in der Frage der Ganztagsschulentwicklung sein darf, der darf andererseits nicht 1 : 1 sein eigenes Wahlprogramm hier beantragen und glauben, das könnte eine Einigung beim Bildungsgipfel sein. Das funktioniert auch nicht, das klappt auch nicht.
(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Meine Damen und Herren, ein Kompromiss setzt voraus, dass sich beide Seiten bewegen. Die Regierungskoalition aus CDU und GRÜNEN hat gesagt, dass sie sich beim Thema Ganztagsschule bewegen will, dass wir verstärkt Profil-3-Ganztagsschulen genehmigen wollen, wo das von Eltern gewünscht wird. Aber wir bleiben auch bei dem Ziel – ich hoffe, auch darüber herrscht Einigkeit in diesem Hause –, dass wir an allen Grundschulen den Pakt für den Nachmittag, ein Bildungs- und Betreuungsangebot für alle Eltern, verwirklichen können. Dieses Angebot können wir immer besser machen. Das können wir ins Profil 2, ins Profil 3 weiterentwickeln. Aber die Eltern fragen uns: Wann haben wir endlich überhaupt ein qualitativ gutes Angebot? Denn dies muss erst einmal vorhanden sein, bevor wir es dann gemeinsam verbessern können. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Vizepräsidentin Heike Habermann:
Vielen Dank.

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