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27.02.2013
Portraitfoto von Mathias Wagner vor grauem Hintergrund.

Mathias Wagner: Einführung der 105-prozentigen Lehrerversorgung im Landesdurchschnitt

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Volksmund hat oft recht. Der Volksmund hat eine einfache Weisheit. Diese Weisheit lautet: Abends werden die Faulen fleißig. – So ähnlich ist es auch bei dieser Landesregierung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wenn der Wahltag naht, dann wird auf einmal hektische Betriebsamkeit entfaltet. Wenn der Wahltag naht, dann sagt diese Landesregierung auf einmal: Die Beschwerden beim Thema G 8 waren vielleicht doch berechtigt. – Vorher hat man jahrelang die Eltern beschimpft, sie hätten das mit G 8 nur noch nicht verstanden. Aber wenn der Wahltag kommt, dann sagt man: Na ja, vielleicht ist doch etwas dran.

Über Jahre fordert die Opposition in diesem Hause die Einführung eines Sozialindex. Über Jahre macht Schwarz-Gelb nichts, sagt, warum das alles nicht geht, warum das alles keine gute Idee ist. Über Jahre steht die 105-prozentige Lehrerversorgung nur auf dem Papier. Es gab nur Trippelschritte in diese Richtung.

Jetzt, wenige Wochen vor der Wahl, zum Schuljahresbeginn 2013/2014 soll es das auf einmal geben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Gelb, wie groß muss Ihre Angst vor den Wählerinnen und Wählern eigentlich sein?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU))

Wie groß muss Ihre Angst vor dem Votum der Wählerinnen und Wähler zu Ihrer Bildungspolitik sein, wenn eine 180-Grad-Wende – eine 180-Grad-Wende beim Thema G 8/G 9, eine beim Thema Sozialindex und eine beim Thema Lehrerversorgung – die nächste jagt? – Liebe Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Gelb, wenn die eigene Politik nur noch aus der Korrektur der eigenen Fehler besteht, ist es Zeit, aufzuhören und abzutreten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie immer bei Schwarz-Gelb lohnt der Blick ins Kleingedruckte. Es wird jetzt behauptet, es gebe die 105 Prozent Lehrerversorgung; und im Kleingedruckten steht dann das interessante Wort „durchschnittlich“. Nach den Erfahrungen mit Schwarz-Gelb in 14 Jahren heißt es: Alarm, da stimmt etwas nicht; da wird getrickst. – Genauso ist es auch: Alle Schulen bekommen, laut dem, was Sie behaupten, eben nicht 105 Prozent, sondern 104 Prozent, und einige von diesen Schulen bekommen von den 104 Prozent gleich noch etwas abgezogen. Das Wahlversprechen der 105-prozentigen Lehrerversorgung ist also nicht erreicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, es wird weiterhin getrickst; es wird weiterhin schöngerechnet. Die Schwerpunkte, die Schulen bereits im bilingualen Unterricht, in Musik oder in den MINT-Fächern gesetzt haben, werden dann gleich einmal gegengerechnet. Wie immer bei Schwarz-Gelb wird also getrickst. Es wird bei der Lehrerversorgung schöngerechnet; Ihr Wahlversprechen halten Sie aber nicht.

(Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Liebe Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Gelb, warum machen Sie das eigentlich? – Es ist doch gut, dass die Lehrerversorgung besser wird und dass der Sozialindex eingeführt wird. Das ist gut. Aber warum gehen Sie mit den Schulen noch immer nicht ehrlich um, warum tun Sie noch immer so, als würden Sie etwas erreichen, was Sie in Wahrheit nicht erreichen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, eine gute Lehrerversorgung und ein Sozialindex sind wichtig. Eine gute Lehrerversorgung und ein Sozialindex allein machen aber noch keine gute Bildungspolitik. Diese beiden Maßnahmen allein täuschen schon gar nicht über die grottenschlechte Bilanz der Bildungspolitik von 14 Jahren Schwarz-Gelb in unserem Land hinweg.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

14 Jahre lang haben CDU und FDP versucht, die Probleme in unserem Bildungssystem zu lösen, und einige Fortschritte wurden gemacht.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Es wäre auch merkwürdig, wenn zwei Parteien 14 Jahre lang alles falsch machen würden. Ich sage ausdrücklich: Es war in diesen 14 Jahren nicht alles schlecht, aber die wesentlichen Herausforderungen unseres Bildungssystems sind eben nicht gelöst. – Es ist weiterhin so, dass unser Bildungssystem in Hessen zutiefst sozial ungerecht ist, dass der Bildungserfolg der Kinder nach wie vor im Wesentlichen vom Bildungshintergrund der Eltern abhängig ist und nicht davon, was die Kinder im Kopf haben. Solange dieses Problem nicht gelöst ist, es ist in den letzten 14 Jahren auch kaum besser geworden, machen Sie eine schlechte Bildungspolitik. So einfach ist das.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Nach wie vor ist es so, dass jeder fünfte Jugendliche, das zeigen uns die Ergebnisse der PISA-Studie, unsere Schulen mit erheblichen Problemen verlässt. Jeder Fünfte wird auf dem Arbeitsmarkt erhebliche Schwierigkeiten haben; jeder Fünfte wird erhebliche Schwierigkeiten bei der eigenverantwortlichen Gestaltung seines Lebens haben. Daran haben Sie die letzten 14 Jahre lang nichts geändert. Deshalb machen Sie eine schlechte Bildungspolitik, von der Sie auf den letzten Metern auch nicht ablenken können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

14 Jahre lang hatten Sie Zeit, die Ergebnisse Hessens in den nationalen und internationalen Vergleichsstudien der Bildungssysteme zu verbessern. Ich stelle fest – auch das ist nicht zu bestreiten; das kann man nachlesen –: In 14 Jahren schwarz-gelber Politik hat es keine wesentlichen Verbesserungen des hessischen Bildungssystems in den Vergleichsstudien gegeben. Deshalb machen Sie eine – –

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen und Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

– Herr Dr. Wagner, jetzt lachen Sie so herzlich.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

– Herr Dr. Wagner, wenn Sie mit dem Dazwischenschreien fertig sind, dann nennen Sie mir jetzt bitte einmal eine Studie, wo das hessische Bildungssystem wesentlich besser geworden ist. Nennen Sie mir nur eine Studie, Herr Dr. Wagner.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

– Herr Dr. Wagner, nennen Sie mir jetzt bitte einmal eine Studie; ich bin jetzt kurz ruhig.

(Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

– Habe ich etwas überhört, Herr Dr. Wagner? – Sie können selbst keine einzige Studie benennen, in der das hessische Bildungssystem besser geworden ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Lachen des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

– Herr Dr. Wagner, Sie können mich fröhlich anlachen, aber eigentlich lachen Sie die Probleme unseres Bildungssystems weg; das ist ein Skandal.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Verbesserungen bei der Lehrerversorgung und ein Sozialindex ändern nichts daran, dass die Lehreraus- und Lehrerfortbildung in unserem Lande durch Ihre Bildungspolitik in Trümmern liegt. Dort haben Sie nämlich einen Teil der Stellen geholt, die Sie jetzt als große Wohltat wieder an die Schulen verteilen wollen.

Warum ist das so falsch, meine Damen und Herren? – Wenn wir die Selbstständige Schule wollen, wenn wir wollen, dass sich die Kollegien auf den Weg machen und neue Konzepte und Förderangebote entwickeln, dann sind sie auf ein gutes Unterstützungssystem und eine gute Lehrerfortbildung angewiesen. Wenn Sie da die Axt anlegen, um es den Schulen auf der anderen Seite zu geben, dann geht das von der einen Tasche in die andere, für die Qualität von Bildung wird das aber nichts bringt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Mario Döweling (FDP))

Selbstständige Schulen wären darauf angewiesen, dass sie eine leistungsfähige und ortsnahe Bildungsverwaltung haben. Was machen Sie? – Sie schaffen mit dem Landesschulamt eine zentrale Monsterbehörde, die nur noch mit sich selbst beschäftigt ist. Meine Damen und Herren, was Sie den Schulen hier geben, sind Steine statt Brot.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Sie haben die letzten 14 Jahre lang auch die Grundschulen in unserem Land sträflich vernachlässigt. Sie haben für die Grundschulen in den letzten 14 Jahren nichts erreicht. Dabei wäre genau das so wichtig, wie uns alle Bildungsforscher sagen. Auf den Anfang kommt es an. Hier müssen wir einen Förderschwerpunkt legen, und hier haben Sie nichts erreicht, um die Kinder von Anfang an zu fördern.

(Zurufe von der CDU)

Sie haben überhaupt nicht verstanden, dass das zentrale Bildungs- und Betreuungsproblem der Eltern in unserem Land in der Grundschule liegt. Hier haben Sie in 14 Jahren nichts erreicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Volksmund hat recht: Abends werden die Faulen fleißig.

(Zurufe von der CDU)

Am Ende der Legislaturperiode, vor dem Wahlkampf, entfaltet Schwarz-Gelb in der Bildungspolitik hektischen Aktionismus. Es kann aber nicht darüber hinwegtäuschen: Sie haben keine Idee, wie Sie dieses Bildungssystem weiterentwickeln wollen. Sie korrigieren nur noch Ihre eigenen Fehler, und deshalb ist es gut, wenn nach dem 22. September Leute drankommen, die eine Vorstellung davon haben, wo es mit unserem Bildungssystem hingehen soll, dass in unserem Bildungssystem dann wieder soziale Gerechtigkeit ein Thema ist und dass man nicht aus Angst vor dem Wähler hektischen Aktionismus entfaltet. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Vizepräsident Lothar Quanz:

Vielen Dank, Herr Wagner.

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