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20.05.2014
Portraitfoto von Mathias Wagner vor grauem Hintergrund.

Mathias Wagner: 2. Lesung zur Änderung des Hessischen Schulgesetzes

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Kollege Degen hat in seiner Rede eine sehr grundsätzliche Frage angesprochen: Ist es richtig, in der Bildungspolitik den Schulen Entscheidungsspielräume, Wahlmöglichkeiten zu geben, oder sollte der Landesgesetzgeber alles vorgeben?

(Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))

Herr Kollege Degen und liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, hier gibt es einen Unterschied zwischen dem, was Sie wollen – möglichst viel zentral vorgeben –,

(Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))

und dem, was CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen: nämlich möglichst viel Entscheidungsfreiheit für die Schulen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Hier gibt es einen ganz klaren Unterschied. Wir verkennen nicht, dass ein Mehr an Entscheidungsspielräumen und -möglichkeiten auch ein Mehr an Arbeit für die Schulen ist. Aber wir sollten aus jahrzehntelangem Schulkampf gelernt haben, dass die Zwangsbeglückungen, das Vorschreiben durch Wiesbaden auf gar keinen Fall zu einer Verbesserung der Situation an unseren Schulen führt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Marius Weiß (SPD))

Ich verstehe es, dass die Redner der Opposition vor allem darauf eingehen, welche Schwierigkeiten es bei diesem Gesetz gibt.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Natürlich gibt es an diesem Gesetz Schwierigkeiten. Natürlich hatten sich Eltern mehr erhofft, als es unter Wahrung des Bestandsschutzes möglich ist. Eines aber darf man dabei nicht aus dem Blick verlieren: Ohne dieses Gesetz gäbe es überhaupt keine Rückkehrmöglichkeit für die 5. bis 7. Klassen. Diese Rückkehrmöglichkeit schaffen wir erst durch dieses Gesetz.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Es wird sehr spannend, wie sich die Kolleginnen und Kollegen von der SPD, der LINKEN und der FDP zu diesem Gesetzentwurf verhalten. Denn nur mit diesem Gesetz gibt es überhaupt eine Möglichkeit der Rückkehr zu G 9. Nur mit diesem Gesetz gibt es die Möglichkeit, sich zu entscheiden. Werden Sie diesem Gesetzentwurf zustimmen, oder werden Sie ihn ablehnen? Denn dann sind das alles Krokodilstränen, die Sie hier geweint haben

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

– dass nicht genügend Eltern die Rückkehr zu G 9 ermöglicht würde –, wenn Sie es mit Ihrem Abstimmungsverhalten überhaupt niemandem ermöglichen würden, zu G 9 zurückzukehren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Mit unserer Gesetzesänderung gehen wir sehr konsequent den Weg weiter, den dieser Hessische Landtag im Jahr 2008 beim Thema Wahlfreiheit und Rückkehrmöglichkeiten zu G 9 begonnen hat. Damals wurde es auf der Grundlage eines Gesetzentwurfs von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den kooperativen Gesamtschulen ermöglicht, zurückzukehren. Im Jahr 2012 hat die damalige Mehrheit aus CDU und FDP diese Möglichkeit auch den Gymnasien eingeräumt. Wir haben dem zugestimmt.

Jetzt gehen wir den nächsten Schritt und ermöglichen das auch den laufenden 5. bis 7. Klassen. Das ist eine gerade Linie, bei der Wahlfreiheit und Elternwille, soweit es möglich ist, berücksichtigt werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Herr Gremmels, weil Sie so freundlich dazwischenrufen, bei allen kritischen Stimmen ist eines doch wahr: In keinem anderen Bundesland gibt es mehr Wahlfreiheit als in Hessen, und in keinem anderen Bundesland sind mehr Schulen zu G 9 zurückgekehrt als in Hessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Es ist einfach nicht richtig, dass wir etwas anderes versprochen hätten, als wir jetzt halten.

(Lachen des Abg. Gerhard Merz (SPD))

Meine Fraktion und auch ich haben im Wahlkampf sehr großen Wert auf die Feststellung gelegt: Ja, wir wollen den laufenden Klassen eine Rückkehr zu G 9 ermöglichen

(Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))

– und jetzt kommt der wichtige Satz, den wir vor der Wahl gesagt haben, den wir nach der Wahl gesagt haben und der heute noch immer richtig ist –, sofern es schulorganisatorisch möglich ist.

Meine Damen und Herren, die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs ist nun einmal so, dass der Bestandsschutz für die Eltern, die für ihre Kinder G 8 wollen, zu wahren ist. Daran müssen wir uns halten. In der Opposition kann man das leicht kritisieren, aber wenn man Gesetze machen muss, muss man sich daran halten. Es bringt niemandem etwas, wenn wir hier ein Gesetz beschließen, von dem wir eigentlich alle wissen, dass es vor Gerichten keinen Bestand hätte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Die Kolleginnen und Kollegen der SPD wussten es schon einmal besser. In ihrem Antrag vom 5. Dezember 2013, Landtagsdrucksache 18/7796, heißt es wörtlich:

Die Landesregierung wird aufgefordert, umgehend die schulgesetzlichen Regelungen dafür zu schaffen, dass die bestehenden 5. und 6. Klassen an Gymnasien und Gymnasialzweigen der kooperativen Gesamtschulen, die zu G 9 zurückgekehrt sind oder zurückkehren werden, unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes ebenfalls die sechsjährige Mittelstufe durchlaufen können.

Exakt das setzen wir jetzt um, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir haben Verständnis für die Eltern, die sich mehr versprochen haben. Wir haben Verständnis für die Eltern, die sagen: „Könnt ihr nicht noch mehr machen? Gibt es nicht einen Weg, wie auch unsere Kinder, auch wenn Eltern weiter G 8 haben wollen, G 9 durchlaufen können?“ Ich verstehe alle diese Eltern. Diese Eltern kämpfen für ihre Kinder – diese Kinder haben nur eine Schulzeit –, sie wollen für ihr Kind das Beste, und sie wollen G 9. Ich verstehe das.

Deshalb haben wir uns die Entscheidung: „Wie gestalten wir dieses Gesetz aus?“, und die Auswertung der Anhörung alles andere als einfach gemacht. Wir haben uns jeden Vorschlag angeschaut, und wir haben jeden Vorschlag anhand von zwei Kriterien geprüft. Das eine Kriterium: Ist es in der Kürze der Zeit an den Schulen pädagogisch noch umsetzbar? Das zweite Kriterium: Können wir hinreichend sicher sagen, dass eine solche Regelung nicht gegen den Bestandsschutz verstoßen würde?

Bei all diesen Prüfungen von all diesen Vorschlägen kam heraus: Nein, das können wir hinreichend sicher nicht gewährleisten. Deshalb tun wir es nicht; denn ein Gesetz, das am Ende scheitert, hätte niemandem etwas gebracht, weder den G-9-Befürwortern noch den G-8-Befürwortern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich will noch einmal betonen, dass wir sehr genau zugehört haben, was Eltern uns sagen. Denn im Koalitionsvertrag stand noch, dass wir nur den 5. und 6. Klassen die Rückkehrmöglichkeit einräumen. Eltern haben uns gesagt, es geht auch für die 7. Klassen, und Schulleiter haben uns gesagt: „Wir haben Konzepte, wie das geht“. Da haben wir zugehört, und wir haben das berücksichtigt und es deshalb über den Koalitionsvertrag hinaus auch den 7. Klassen ermöglicht. Also sagen Sie bitte nicht, wir hätten nicht genau zugehört, und wir würden nicht das möglich machen, was tatsächlich auch rechtlich geht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Was sind die beiden Vorschläge, die vor allem von Eltern verständlicherweise jetzt noch in die Debatte gebracht werden? Der eine Vorschlag ist: Die Abstimmung darüber, ob zu G 9 zurückgekehrt wird oder nicht, soll vor einer Entscheidung der Gesamtkonferenz fallen. – Diese Meinung kann man haben. Nur, meine Damen und Herren: Zum einen. Wissen die Schulen, wie die Stimmung unter den Eltern ist? Zum Zweiten löst die Frage: „Wann wird die Entscheidung durchgeführt?“, in keiner Weise die Frage des Bestandsschutzes. An dem Problem kommt man mit der Frage: „Wann ist die Entscheidung?“, auch nicht vorbei. Ich finde es auch ausdrücklich richtig, dass Eltern wissen, worüber sie entscheiden. Deshalb haben wir gesagt, zuerst steht die Konzeption der Gesamtkonferenz und dann die Entscheidung der Eltern.

Dann wird vertreten: Gibt es nicht einen Weg, für diejenigen, die bei G 8 bleiben wollen, das über eine wie auch immer geartete Form von Binnendifferenzierung möglich zu machen? – Auch das haben wir uns sehr genau angeschaut, und auch hier ist zum einen das Problem, das innerhalb von drei Monaten an den Schulen umzusetzen. Denn das muss für die Schulen auch funktionieren; eine Schulpolitik nach dem Motto: „Wir beschließen es mal, dann schauen wir schon“, machen wir nicht. Zum Zweiten gibt es größte Fragezeichen, ob das tatsächlich mit dem Bestandsschutz zu vereinbaren wäre.

Jetzt sagen die Kolleginnen und Kollegen der SPD: Schaut doch nach Niedersachsen, wie die es machen. – Niedersachsen macht gar nichts zum nächsten Schuljahr in dieser Frage, gar nichts. Sie haben eine Gesetzesänderung für das Schuljahr 2015/2016 angekündigt. Warum machen die das unter anderem? – Weil sie um das Problem des Bestandsschutzes wissen und sich ein Jahr Zeit nehmen, um zu überlegen: Wie können wir dieses Problem des Bestandsschutzes bearbeiten? – Also erwecken Sie nicht den Eindruck, es gäbe hier leichte und rechtssicher umsetzbare Lösungen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir haben uns die Beratung dieses Gesetzes nicht leicht gemacht. Wir haben den politischen Willen, die Wahlfreiheit weiter zu stärken, auch für die laufenden 5. und 7. Klassen. Wir wollen noch mehr Rückkehrmöglichkeiten zu G 9 schaffen. Das, was rechtlich geht, haben wir gemacht. Rechtliche Abenteuer, Zwangsbeglückungen wird es mit uns nicht geben. Das ist richtig, und ich glaube, das ist auch im Interesse der Schülerinnen und Schüler. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank, Kollege Wagner.

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