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31.01.2013
Portraitfoto von Martina Feldmayer vor grauem Hintergrund.

Martina Feldmayer: Verpflichtende Hygieneampel einführen

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Unabhängig davon, ob es sich um eine Frittenbude, um ein Sternerestaurant oder um den Supermarkt um die Ecke handelt, die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen darauf vertrauen können, dass da alles in Ordnung ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bislang können Sie allerdings nur darauf vertrauen, denn sie wissen es nicht. Im Idealfall ist alles in Ordnung. Ich bin auch der Überzeugung, dass es zum Berufsethos der meisten Menschen, die mit Lebensmittel umgehen, gehört, dies ordentlich und sorgfältig zu tun.

Aber wir alle wissen, dass die Realität auch anders aussehen kann. Den Geschmack verdorbenen Fleisches kann man gut mit scharfer Currysauce überdecken. Die billige Flunder wird als Seezunge verkauft, und der Analogkäse wird nicht als solcher ausgezeichnet.

Wir wollen, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher am Eingang jedes Restaurants, an jeder Imbissbude und in jedem Supermarkt erfahren können, wie es um die Hygiene im Betrieb bestellt ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Dort, wo die Speisekarte hängt, soll dann selbstverständlich nebenan die Hygieneampel hängen, um klarzumachen, was die letzten Lebensmittelkontrollen ergeben haben. Wir finden, das ist ein fairer Interessenausgleich zwischen Konsumentinnen und Konsumenten sowie dem Betrieb. Das wäre eine aktive Verbraucherschutzpolitik, wie wir GRÜNE sie uns wünschen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Nancy Faeser und Petra Fuhrmann (SPD))

Vor über zwei Jahren hat sich die Verbraucherschutzministerkonferenz darauf geeinigt, ein Hygienesiegel einzuführen – das können Sie Smiley, Barometer oder Ampel nennen –, um die Ergebnisse der Lebensmittelkontrollen für die Verbraucherinnen und Verbraucher transparent zu machen. Umgesetzt wurde bisher aber nichts. Der Ball wurde immer zwischen Bund und Ländern hin- und hergespielt.

Frau Ministerin Puttrich beteuerte stets, dass sie eine solche Hygieneampel wolle, und zwar verbindlich für alle Betriebe. Außer dieser Ankündigung ist bisher aber gar nichts geschehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Puttrich, in einer Pressemitteilung vom 11. Juni 2012 haben Sie noch einmal Ihren Wunsch nach einer verbindlichen Hygieneampel bekräftigt. Verbindlich bedeutet eben, dass es für alle Betriebe die Pflicht gibt, diese Hygieneampel auch anzubringen. Denn nur so kann gewährleistet werden, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher eine echte Wahlfreiheit haben und sie die ordentlich arbeitenden Betriebe von den Gammelbuden unterscheiden können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Dieses Jahr haben wir das Glück, dass Hessen bei der Konferenz mit unserer Verbraucherschutzministerin turnusgemäß den Vorsitz hat. Frau Puttrich, hierzu gratuliere ich Ihnen von dieser Stelle aus. Frau Puttrich, Sie hätten nach den jahrelangen Ankündigungen damit die Chance gehabt, endlich dafür zu sorgen, dass die Hygieneampel eingeführt wird. Sie hätten Ihren Worten endlich Taten folgen lassen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie geben als Vorsitzende die Marschrichtung vor. Bisher ist aber gar nichts geschehen.

Stattdessen hat Ihre erste Ankündigung bzw. Ihre erste Amtshandlung darin bestanden, die Hygieneampel zu beerdigen und für eine freiwillige Lösung zu plädieren. Das ist für die Verbraucherinnen und Verbraucher hier in Hessen bitter.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Sie sind eingeknickt. Sie haben eine 180-Grad-Wende hingelegt. Sie torpedieren damit eines der wichtigsten Vorhaben der Verbraucherschutzpolitik. Frau Puttrich, sie enttäuschen die hessischen Verbraucherinnen und Verbraucher und schonen damit die schwarzen Schafe im Lebensmittelbereich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Das ist ein trauriges Kapitel für den Verbraucherschutz und eine peinliche Vorstellung für diese Regierung. Meine Damen und Herren, Sie sind vor ihrem kleinen Koalitionspartner eingeknickt. Sie sind vor Ihrem Wirtschaftsminister eingeknickt, der anscheinend nun vorgibt, was bei der Verbraucherschutzpolitik zu tun ist.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

– „Nicht nur in diesem Fall“, da haben Sie vollkommen recht. – Die freiwillige Lösung wird keine Transparenz schaffen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Timon Gremmels und Nancy Faeser (SPD))

Die Behörden wissen darüber Bescheid, wo man besser nicht einkaufen geht und wo man besser nicht essen geht. Die Lebensmittelkontrolleure wissen es, aber die Verbraucherinnen und Verbraucher wissen es nicht. Vor ihnen wird es quasi geheim gehalten. Die freiwillige Lösung schützt die Schmuddelbetriebe vor den Verbraucherinnen und Verbrauchern, anstatt die Verbraucher vor den Schmuddelbetrieben zu schützen. Das ist doch eine verkehrte Welt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Timon Gremmels und Petra Fuhrmann (SPD))

Wir GRÜNE wollen nicht, dass es diesen Zustand gibt. Wir wollen ihn beenden, und zwar mit einer Hygieneampel, wie wir sie mit dem Antrag gefordert haben, der Ihnen vorliegt.

Was wäre jetzt für Hessen zu tun?

Wir wollen, dass Hessen in der Verbraucherschutzpolitik voranschreitet und eine verbindliche Hygieneampel einführt. Geschehen soll das im Rahmen der Ergebnisse der Verbraucherschutzministerkonferenz, auf die man sich bisher geeinigt hat – nämlich mit einem einfachen, transparenten System, um den Verbraucherinnen und Verbrauchern die versprochene Sicherheit beim Gaststättenbesuch zu geben.

Ich weiß, dass aktuell in Nordrhein-Westfalen eine Bundesratsinitiative geplant wird. Ihr sollte sich Hessen anschließen und sie unterstützen anstatt das zu blockieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Ministerin Puttrich, nehmen Sie Ihre Rolle als Vorsitzende der Verbraucherschutzministerkonferenz ernst. Hier gibt es eine Chance für die Verbraucherinnen und Verbraucher in Hessen, die Sie nutzen sollten, um die Hygieneampel wirklich einzuführen – und zwar verbindlich, wie Sie das bis zum Zeitpunkt Ihres Vorsitzes selbst gefordert haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sollten Sie hier aber weiterhin nur reden und jetzt sogar blockieren wollen, dann wird Ihre Bilanz als Verbraucherschutzministerin verheerend ausfallen: Eine Ankündigungsministerin wie Ihre Kollegin auf Bundesebene, Frau Aigner, ohne nachweisbare Erfolge in der hessischen Verbraucherpolitik, die sich vor den Karren der FDP spannen lässt, wäre das Ergebnis.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, hier sieht man wieder einmal mehr: Diese Regierung ist verbraucht. Das ist schlecht für die Verbraucherinnen und Verbraucher in Hessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Die Ergebnisse der Lebensmittelkontrollen der letzten Jahre zeigen hier doch dringenden Handlungsbedarf. In Hessen wurde fast jeder fünfte Betrieb beanstandet. Meine Damen und Herren, diese Zahl ist deutlich zu hoch. Seit Jahren liegt die Beanstandungsquote in dieser Größenordnung. Das ist nicht akzeptabel. Wir wollen, dass hier endlich etwas geschieht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt doch die positiven Beispiele. In Dänemark wurde aus genau diesem Grund bereits im Jahr 2001 ein Hygienesiegel eingeführt – dort heißt es „Smiley“ –, mit großem Erfolg. Mittlerweile ist es dort etabliert und wird von den Lebensmittelbetrieben, den Gaststätten und den Verbrauchern angenommen. Die Beanstandungsquote ist deutlich zurückgegangen: 2002 erhielten 70 % der Betriebe das fröhlichste „Smiley“, 2008 waren es 83 % und 2009 sogar 86 %. Meine Damen und Herren, solche Ergebnisse wünschen wir uns auch in Hessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Deshalb haben wir dieses Thema mit unserem Antrag aufgegriffen: damit hier sobald wie möglich ein verbindliches Hygienesiegel eingeführt wird, eine Hygieneampel. Durch eine solche Hygieneampel wird für die Verbraucherinnen und Verbraucher in Gaststätten, Imbissen und anderen lebensmittelverarbeitenden Betrieben mehr Transparenz in Sachen Hygiene geschaffen.

Nicht glaubwürdig ist dabei die Haltung der FDP. Sie geriert sich doch immer als Verfechterin des freien Wettbewerbs, spricht sich aber trotzdem gegen eine verbindliche Hygieneampel aus. Denn eine solche Offenlegung stellt doch ein positives Wettbewerbselement dar, durch das sich endlich die gut arbeitenden Betriebe von den schlechten unterscheiden könnten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren von der FDP, das müsste Ihnen doch gefallen. Oder werden hier wieder einmal nur die Interessen der DEHOGA und die der Hotelbetriebe bei der FDP vertreten? Es ist doch nur fair gegenüber den Betrieben, die hier vorbildlich und ordentlich arbeiten, dass sie sich hier einen Vorteil verschaffen können. Liebe Kollegen von der FDP, wo ist denn hier Ihr wirtschaftsliberales Verständnis?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD)

Jetzt werden Sie vielleicht sagen: Seit 1. September letzten Jahres gibt es doch die Regelung, dass alle Betriebe, die gegen Hygienevorschriften verstoßen haben und mit einem Bußgeld von über 350 € bestraft wurden, auf der Homepage der Landesregierung gezeigt werden. Sie werden sagen: Das ist doch ein Fortschritt.

Aber in Wahrheit ist das doch genau der Pranger, den Sie nicht haben wollen. Dort sieht man doch nur die schwarzen Schafe, nicht aber die gut arbeitenden Betriebe. Das ist schade. Außerdem ist diese Homepage sehr schlecht dargestellt. Den Link dazu kann man überhaupt nicht finden. Das ist so intransparent, so schlecht gemacht und auch nicht einheitlich für ganz Hessen. Vor allen Dingen ist es nicht zeitnah. Die Verbraucherinnen und Verbraucher haben schon längst das schlechte Schnitzel gegessen und für den Analogkäse teuer bezahlt, ehe sie überhaupt auf dieser Homepage fündig werden,

(Zurufe der Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) und Peter Stephan (CDU))

und bevor dort die Mängel angezeigt werden, die es gibt. Das ist nicht transparent. Das ist nicht zeitnah.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Das ist keine Lösung. Bestenfalls ist das eine Ergänzung zur Hygieneampel.

Meine Damen und Herren, an dieser Stelle will ich mich aber auch bei den hessischen Lebensmittelkontrolleuren bedanken, die seit Jahren eine gute Arbeit machen, und ebenso bei den Gastwirten, die in der Mehrzahl – davon bin ich überzeugt – ordentlich arbeiten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende Ihrer Rede kommen.

Martina Feldmayer:

Frau Präsidentin, ich komme zum Ende. – Bei der von uns geforderten Hygieneampel geht es eben nicht darum, Misstrauen zu schaffen, sondern Vertrauen zu schaffen und Qualität zu belohnen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Schimmel hat nur auf gutem Käse etwas zu suchen. Deshalb bitte ich um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Vielen Dank, Frau Kollegin Feldmayer.

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