Inhalt

24.06.2015
Portraitfoto von Martina Feldmayer vor grauem Hintergrund.

Martina Feldmayer: 60 Jahre documenta sind ein großer Erfolg für Hessen

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte nicht zu sehr auf die Rede von Herrn Kollegen Frankenberger eingehen, denn das war Spaß und natürlich ein wenig Oppositionsrhetorik aus den Reihen der SPD-Fraktion. Ich habe aber herausgehört, dass Sie, Herr Frankenberger, uns inhaltlich wohl zustimmen, dass die documenta und auch das documenta Archiv weiterentwickelt werden müssen.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Darüber freuen wir uns über diesen inhaltlichen Aspekt ihrer Rede. Etwas schwierig finde ich es aber, wenn man verstorbene Künstler in die eine oder andere Richtung zu vereinnahmen versucht, so, wie Sie es mit Herrn Bode gemacht haben. Das sollten wir nicht machen, aber das sollte, bitte schön, auch die SPD nicht machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich finde es angemessen, zu sagen, dass Arnold Bode uns Hessinnen und Hessen, den Kasselern, aber auch der ganzen Welt die documenta geschenkt hat. 60 Jahre documenta sind sicherlich ein Anlass, zu diesem Geburtstag darüber nachzudenken und daran zu erinnern. 1955 beabsichtigte Bode vielleicht noch gar nicht, dass die documenta in einem Fünf-Jahres-Rhythmus stattfinden sollte. Am Anfang war das ja noch nicht so. Es begann mit einer Ausstellung unter dem Titel „Europäische Kunst des 20. Jahrhunderts“ im Jahre 1955.

Dann war Bode Ausstellungsleiter der documenta 1 und der documenta 2. Zur 4. documenta im Jahr 1968 wurde ihm ein 23-köpfiger documenta-Rat zur Seite gestellt. Man kann also mit Fug und Recht behaupten, dass Arnold Bode uns die documenta geschenkt und sie maßgeblich geprägt hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Es ist egal, ob man die Anfänge der documenta als durch die Absicht Bodes begründet sieht, den Bürgerinnen und Bürgern die von den Nationalsozialisten als „entartet“ diffamierte Kunst vor Augen zu führen, sie als das Bedürfnis deutet, etwas zu der in der Nazizeit verlorenen Kunst sagen zu müssen, oder sie vielleicht einfach nur als die Absicht Bodes interpretiert, die Kunst des 20. Jahrhunderts in einer autonomen Ausstellung zu zeigen. Bode hat in diesem Zusammenhang einmal gesagt: Ich musste etwas machen in Kassel, anders hätte ich es dort nicht ausgehalten.

(Heiterkeit und Zurufe)

– Kassel ist eine wunderschöne Stadt. Auch ich habe dort viel Zeit verbracht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Egal wie man es deutet, es ist auf jeden Fall etwas Wunderbares und ein Geschenk für uns dabei herausgekommen.

Es gibt viele verschiedene Interpretationen oder auch Überlegungen dazu, wie die documenta überhaupt zustande gekommen ist. Das können wir im Internet heutzutage nicht recherchieren. Im Internet findet man zwar einige Hinweise, aber maßgeblich für die Erkenntnisse – auch für die, die wir noch gewinnen können – ist das documenta Archiv, das wirklich einen Schatz beherbergt. Deshalb ist es gut, dass das documenta Archiv jetzt weiterentwickelt werden soll.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Unbestritten ist, dass die documenta als eine der bedeutendsten internationalen Ausstellungen zur zeitgenössischen Kunst gilt. Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben das schon gesagt. Bei der documenta 13 gab es ca. 12.000 akkreditierte professionelle Journalisten, und fast 900.000 Besucherinnen und Besucher kamen in die Kulturstadt Kassel, um sich diese Ausstellung anzuschauen. Ich glaube, das unterstreicht den weltweiten Stellenwert der documenta. Ich freue mich, dass wir im Juli das 60-jährige Jubiläum feiern können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ein Höhepunkt der Feier wird sicher das Symposium sein, auf dem die Leiter der letzten vier Ausstellungen und der Leiter der documenta 14, Adam Szymczyk, über die Konzepte der Weltausstellung sprechen werden. Ich glaube, das ist eine einmalige Gelegenheit, die fünf Macher der documenta zusammen zu erleben. Ich freue mich schon, dass ich hingehen darf, und ich kann nur jedem empfehlen, das für sich in Anspruch zu nehmen.

Aber ich finde, 60 Jahre documenta sind für uns als Vertreter des Landes kein Grund, uns zurückzulehnen und uns auszuruhen. Wir wollen zusammen mit der Stadt Kassel die documenta zwischen den Ausstellungen sichtbarer machen. Dazu gehört, dass die documenta als herausragende Kulturmarke weiterentwickelt wird. Da gibt es überhaupt keinen Dissens zwischen der Politik in Kassel und der Politik auf der Landesebene.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wir wollen das documenta Archiv weiterentwickeln. Das ist für uns zentral. So wird das documenta Archiv während der Jubiläumsfeierlichkeiten von der Stadt Kassel an die documenta GmbH übergeben, damit es finanziell besser ausgestattet ist und die Ressourcen hat, um sich weiterzuentwickeln. Das Land Hessen wird sich dann nicht nur beim Museum Fridericianum und bei der documenta finanziell beteiligen, sondern auch beim documenta Archiv. Das ist eine grundlegende Entscheidung, wie es auch schon meine Vorrednerin, Frau Wolff, angemerkt hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Mit diesem Schritt wird der Geburtsfehler – so möchte ich es einmal nennen – des documenta Archivs als einer rein stadteigenen Institution geheilt, und der Weg für die notwendige Weiterentwicklung des Archivs zu einem Institut ist frei. Ich finde, das sind sehr gute Aussichten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Warum ist es so wichtig, dass dieses Archiv weiterentwickelt wird? Der Grund ist, dass das documenta Archiv kein Archiv wie jedes andere ist, sondern es birgt Quellen zur Entstehung der jeweiligen documenta. Es gibt Aufschluss über die Geschichte sowie über die Wirkung und die Wechselwirkung der einzelnen Schauen, die jeweils auch ein künstlerisches Zeichen ihrer Zeit sind. Das Archiv birgt Nachlässe der künstlerischen Leiter und hat das Potenzial, die documenta auch in der Zeit zwischen den Schauen ins Bewusstsein der Menschen zu rücken.

Mit dem documenta Archiv verfügt die Stadt Kassel über wertvolle und einzigartige Materialien – eine Bibliothek, in der die Geschichte dieser Weltkunstausstellung festgehalten ist. Es ist überfällig, dass dieses Gedächtnis der documenta auch zwischen den Weltausstellungen für Wissenschaftler und Kunstbegeisterte, aber auch für die Bürgerinnen und Bürger aus aller Welt nachhaltig präsentiert werden kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wenn man sich vor Augen führt, dass es weltweit mittlerweile 170 Kunstbiennalen gibt, stellt man fest, es ist richtig, dass die documenta mit der Weiterentwicklung ihres Archivs in ihrer einzigartigen Stellung gestärkt wird. Die Konkurrenz ist nämlich groß.

Ich muss sagen, ich freue mich sehr auf die Vertragsunterzeichnung von Stadt und Land, geht hiermit doch ein von sehr engagierten Kasseler Bürgerinnen und Bürgern, aber auch von uns GRÜNEN und von unserem Koalitionspartner, der CDU, lang gehegter Wunsch in Erfüllung, das Archiv weiterzuentwickeln. Ich bedanke mich für die Ideen und Konzeptionen zur Weiterentwicklung des documenta Archivs bei allen, die sich in der Stadt Kassel dafür stark gemacht haben, bei den politisch Verantwortlichen, aber auch bei den Ehrenamtlichen und natürlich vor allem bei Kunstminister Rhein, der diesen Schritt jetzt ermöglichen wird. Vielen Dank dafür.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Es gibt also einiges zu feiern, und es gibt gute Wünsche und Geschenke für 60 Jahre documenta, so, wie es sich für einen Geburtstag gehört. Das größte Geschenk ist natürlich die documenta selbst. Sie ist ein Geschenk, weil sie berührt, Diskussionen anregt und immer wieder neue Blickwinkel schafft.

Erwähnt wurden schon die 7.000 Eichen von Beuys. Damals gab es den Spruch „Lieber Stadtverwaldung als Stadtverwaltung“. Das ist ein Raum-Zeit-Kunstwerk, das jetzt nachhaltig in der Stadt verankert ist. Aber wir sehen auch den vertikalen Erdkilometer von Walter de Maria oder die Figur „Man walking to the sky“ von Borofsky, im Kasseler Volksmund „Der Himmelsstürmer“ genannt. Man sieht dort einen Menschen einen Fahnenmast entlanglaufen. Heute würde ich als GRÜNE sagen: Vielleicht ist bald das Ende der Fahnenstange erreicht, und wir müssen uns überlegen, ob wir auf dieser Erde noch so weitermachen können. – All das gibt uns Denkanstöße, und ich finde das ganz wunderbar.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Es wurde schon angemerkt: Freiheit, Kunst und Kultur gehören zusammen. Die documenta kann nur berühren, weil die Ausstellungsmacherinnen und -macher eben künstlerische Freiheit haben. Die künstlerische Leitung hat die Freiheit, die documenta so auszurichten, wie sie möchte. Das ist gut so; denn für Kreativität und für Innovation bedarf es der Freiheit.

„Von Athen lernen“ – das ist der Arbeitstitel der documenta 14. Die documenta 14 wird in der Hauptsache in Kassel stattfinden, aber auch in Athen. Warum nicht? Neue Pfade begehen, neue Blickwinkel und neue Begegnungen schaffen, raus aus der Komfortzone – das sind meine Assoziationen bei dem Arbeitstitel „Von Athen lernen“ und dem Vorhaben, die documenta 14 an zwei Ausstellungsorten stattfinden zu lassen.

Auf jeden Fall hat es Adam Szymczyk schon jetzt geschafft, dass die documenta 14 in aller Munde ist und dass über das Thema „Kassel und Athen“ diskutiert wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist gut so, denn Kunst braucht nicht gefällig und auch keine Wirtschaftsförderung zu sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da ich weiß, dass es etwas peinlich sein kann, wenn Politiker Kunst interpretieren, will ich es bei meinen Assoziationen bewenden lassen und das Thema nicht weiter ausführen. Ich hoffe nur, dass Arnold Bodes Satz „Wir meinen aber, man könnte etwas Neues versuchen“ immer wieder Antrieb für neue künstlerische Ideen abseits des Mainstreams ist. Happy Birthday, documenta.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vizepräsidentin Heike Habermann:

Danke schön.

Kontakt