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06.09.2012
Portraitfoto von Martina Feldmayer vor grauem Hintergrund.

Martina Feldmayer: GEMA-Reform zurücknehmen – Rechte von Musikern und Gastgewerbe gleichermaßen wahren

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich finde, es gibt Themen, die taugen einfach nicht dazu, sich politisch zu profilieren. Dazu gehört beispielsweise das Thema GEMA-Tariferhöhungen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Meine Damen und Herren, wir alle haben die Diskussion um die Tariferhöhung der GEMA mitbekommen. Schon angesprochen wurde auch, dass es heute eine Tanz-Demo geben wird. Leider können wir alle nicht dabei sein. Der Grund für diese Tanz-Demo ist, dass es laut Berechnung der DEHOGA – das ist der Dachverband der betroffenen Unternehmen – durch diese Tarifreform zu massiven Gebührenerhöhungen kommt. Auch das haben wir schon gehört.

Meine Damen und Herren, wir alle wissen, niemand zahlt gerne hohe Gebühren. Dort, wo höhere Gebühren gezahlt werden sollen, kann es auch einmal zu Protesten kommen. Das ist erst einmal nichts Besonderes. Aber bei diesen aktuellen Gebührenerhöhungen geht es um Steigerungen um bis zu 2.000 %. Meine Damen und Herren, das ist unverhältnismäßig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es wäre gut, wenn wir im Landtag eine gemeinsame Position zu diesem Thema finden könnten. Herr Lenders, es ist wirklich bedauerlich, dass Sie anscheinend nicht in der Lage sind, auf die Opposition im Landtag zuzugehen.

(Zuruf des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Denn den Betroffenen ist wirklich nur dann geholfen, wenn man im Landtag an einem Strang zieht und nicht versucht, dieses Thema politisch zu instrumentalisieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren, eigentlich ist es nicht Aufgabe der Politik, in konkrete Tarifgestaltungen einzugreifen. Aber wenn eine solche Erhöhung eine Existenzbedrohung zur Folge hätte – in diesem Fall für die Klubszene in Hessen und für die Vereine –, dann dürfen wir nicht untätig bleiben.

Deshalb haben wir GRÜNE am 25. Juli dieses Jahres schon die drängenden Fragen zum Thema Tarifreform der GEMA und deren Auswirkungen auf Hessen gestellt. Das ist die Drucks. 18/5967. Darin haben wir unter anderem gefragt, welche Haltung die Landesregierung zu diesem Thema einnimmt.

Bislang gibt es hierauf leider noch keine Antwort der Landesregierung.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Allerdings haben wir von Herrn Rentsch schon einiges zu diesem Thema gehört. Ich habe mir gewünscht, die Landesregierung hätte bei diesem Thema etwas früher reagiert. In anderen Bundesländern ist das geschehen, beispielsweise in Niedersachsen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber was nicht ist, kann noch werden – besser spät als nie.

Aber ich möchte dieses Thema – Wer hat wann wie reagiert? Hat die Landesregierung vielleicht zu spät reagiert? – nicht zum Gegenstand der Auseinandersetzung machen, denn ich meine, man sollte im Landtag Geschlossenheit und Solidarität mit den Betroffenen zeigen. Das geht eben nur gemeinsam.

(Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Nach unserer Ansicht bedroht die neue Tarifstruktur die Existenz der hessischen Musik-, Kreativ- und Klubszene, aber auch das ehrenamtliche Engagement der Vereine in Hessen.

Preissteigerungen von, wie ich schon sagte, bis zu 2.000 % sind der Ruin für unsere lebendige Klub- und Musikszene in Hessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier fehlt unserer Meinung nach jegliches Augenmaß, um einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Musikschaffenden und der wirtschaftlichen Verwertung ihrer Werke zu schaffen. Denn darum geht es, das haben meine Vorredner auch schon gesagt. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass das Urheberrecht geschützt und vertreten werden muss.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist selbstverständlich, dass alle Künstler einen fairen Anteil am Verkauf und der Verwertung ihres Werkes erhalten müssen. Mit uns wird es auch keine kostenlose Kultur geben, das möchte ich an dieser Stelle auch schon einmal sagen. Kreativität hat einen großen Wert und muss angemessen honoriert werden. Die Aufgabe der GEMA ist es auch, die Kultur zu schützen, damit sie überhaupt genutzt werden kann. Musikklubs und Discos sind nun einmal der Rahmen, in dem die Musik aufgeführt wird. Die Kuh, die man melken will, die schlachtet man eben nicht.

(Zurufe von der CDU)

Genau das wird aber mit dieser Tarifreform geschehen. Deshalb ist es unsere Aufgabe, dafür einzutreten, dass eine Tarifreform geschaffen wird, die den Interessen der Künstler ebenso gerecht wird wie denjenigen der Klubbetreiber und Vereine.

Ich will Ihnen hier nur einmal ein Beispiel nennen. Für einen mit 1.800 m² Fläche relativ großen Klub wie das Frankfurter Cocoon – ich gehe auch ab und zu mal weg, nicht Herr Siebel oder Herr Rentsch – würden die neuen GEMA-Tarife horrende Gebührensteigerungen bedeuten. Statt wie derzeit noch 19.300 Euro pro Jahr müsste der Klub dann 420.330 Euro pro Jahr bezahlen, also eine Steigerung um 2.078 Prozent. Meine Damen und Herren, das ist absurd, und deshalb ist der Protest der Klubbetreiber absolut berechtigt.

(Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Die Musik-, Disco- und Klubkultur ist ein wichtiger Teil der Kreativwirtschaft in Hessen. Ihr darf nicht durch solch überzogene Forderungen der Boden entzogen werden. International bekannte neue Musikstile, wie z. B. der Techno, sind in dieser Kreativszene, in diesen Klubs in Hessen, im Rhein-Main-Gebiet, in Frankfurt entstanden. In diesem Rahmen sind auch neue Plattenlabel entstanden.

All das ist Ausdruck einer lebendigen vielfältigen Kulturszene und der Vernetzung der Klubs untereinander. Auch der Techno wurde aus der Offszene zu einem neuen kommerziellen Produkt, um hier nur einmal ein Beispiel zu nennen, wie wichtig die Klubszene im Rhein-Main-Gebiet und in Hessen ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass gerade Nachwuchskünstler in den Musikklubs Plattformen finden, wo sie auch einmal auftreten können. Für die Nachwuchskünstler haben wir zu wenige Möglichkeiten. Es gibt zu wenige Klubs, in denen es auch einmal Innovationen geben kann, oder wo neue Künstler überhaupt Chancen haben. Wenn die GEMA diese Tarife durchdrückt, dann wird das noch weniger werden.

Welche Möglichkeiten hätten denn die Klubs, auf die überhöhten Tarife zu reagieren? Sie können natürlich ihre Getränkepreise erhöhen, sie können am Personal sparen, sie können an der Sicherheit sparen. Meine Damen und Herren, das wollen wir, glaube ich, alle nicht. Eines ist aber klar, sie würden es nicht schaffen, diese überhöhten Preise auszutarieren, und es würde zu einem Klubsterben kommen.

Die neuen GEMA-Tarife berechnen sich nach Größe und nach den Eintrittspreisen. Dabei wird davon ausgegangen, dass ein Klub jeden Abend ausgebucht sein wird. Das ist natürlich nicht der Fall. Hinzu kommen dann Aufschläge für die Länge der Aufführung der Musik. Wenn man beispielsweise die ganze Nacht Musik laufen hat, dann wird es noch einmal teurer. Es liegt auch an der Art der Vorführung der Musik usw.

Eigentlich ist es sinnvoll, eine Tarifvereinfachung bei einem so komplizierten System vorzunehmen. Ursprünglich waren es elf Tarife. Es soll jetzt auf zwei Tarife reduziert werden. Eigentlich ist das ein sinnvolles Unterfangen. Dadurch ist aber ein Regelwerk entstanden, das zu diesen massiven Preissprüngen führt. Die Unternehmen können das einfach nicht mehr abfedern. Das kann nicht sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aktuell sind die Gespräche zwischen der GEMA und dem DEHOGA abgebrochen, dabei wäre es doch eigentlich Aufgabe der GEMA, einen Kompromiss zwischen den Urhebern und den Nutzern der Musik zu finden. Es kann nicht sein, dass ein Verein mit Monopolstellung einfach Tarife diktiert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sollte es zu keiner Einigung mit der GEMA kommen, müssen die Klubs bis zu einer abschließenden Schlichtung die höheren Gebühren erst einmal auf ein Sonderkonto zahlen. Sollte es dann zu einem Kompromiss kommen, man weiß nicht, wie lange das dauert, wären die Klubs schon pleite, dann ist es wirklich zu spät. Genau das wollen wir nicht. Wir wollen die Klub- und Discoszene als Bestandteil unserer Kultur- und Kreativwirtschaft in Hessen erhalten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Michael Siebel (SPD))

Wir wollen außerdem, dass Veranstaltungen von Ehrenamtlichen mit Musik nicht unter den überzogenen Gebührenerhöhungen leiden müssen. Ich finde es gut, dass es jetzt eine Debatte zum Urheberrecht und der Kulturnutzung gibt. Es muss darum gehen, eine angemessene Bezahlung zu finden, auch für die Künstler. Diese Debatte war überfällig. All dies zeigt aber, dass es bei dieser Debatte bei der GEMA und bei den Verwertungsgesellschaften einen dringenden Reformbedarf gibt. Dabei geht es um Transparenz und die Verteilung der Mittel.

Momentan führt der Verteilungsschlüssel der GEMA dazu, dass die Dieter Bohlens, DJ Bobos oder Madonnas dieser Welt, weil sie schon sehr erfolgreich sind, noch einmal besonders von den Einnahmen profitieren. Ihnen wird ein Teil der Einnahmen, der eigentlich den kleineren unbekannten Künstlern zusteht, ausgeschüttet, weil es ein Pyramidensystem ist.

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Frau Kollegin, Sie müssten zum Ende kommen.

Martina Feldmayer:

Ich komme zum Ende. – Dieses Vergütungssystem ist ungerecht, und wir möchten, dass es endlich reformiert wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich finde es schön, wenn wir uns alle zusammen dafür einsetzen, dass wir in Hessen weiterhin eine vielfältige und kreative Klubszene vorfinden können, dass die Vereine vom Landtag und von der Hessischen Landesregierung unterstützt werden. Ich appelliere noch einmal an Sie, besonders an die Herren von der FDP, dass wir alle zusammen an einem Strang ziehen. Nur das wird den betroffenen Unternehmen auch nutzen. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Schönen Dank, Frau Kollegin Feldmayer.

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