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18.12.2014
Portraitfoto von Martina Feldmayer vor grauem Hintergrund.

Martina Feldmayer: Deutsches Romantik-Museum – Osteinischer Park als romantischer Dreiklang Hessens

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich finde es bedauerlich, dass die heutige Debatte von der SPD – von Herrn Dr. Spies – nicht dazu genutzt wird, etwas mehr zur Kulturpolitik und zu dem vorliegenden Antrag zu sagen. Ich glaube, in den gestrigen Haushaltsdebatten hatten Sie nur noch 3 Minuten 26 Sekunden für das Thema Kultur und Wissenschaft übrig. Heute haben Sie eine Debatte darüber führen wollen, dass man nicht über Kultur debattieren soll. Das finde ich für den Vorsitzenden des Kulturpolitischen Ausschusses sehr bedauerlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Aber da Sie uns Unterstützung signalisiert haben, möchte ich jetzt nicht mit einer schlechten Stimmung in die Debatte einsteigen,

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

sondern ich bedanke mich selbstverständlich auch für die Unterstützung in diesem Fall. Ich finde es durchaus gerechtfertigt, dass wir über Summen sprechen, die der Staat für den Erhalt des kulturellen Erbes investiert, und dass wir in jedem Einzelfall sorgfältig darüber nachdenken, ob dieses Steuergeld sinnvoll angelegt ist. Ich finde, in diesem Fall ist das Steuergeld sinnvoll angelegt. Deswegen begrüßen wir es ausdrücklich, dass dieses historische Erbe gesichert wird. Aber wir können in diesem Haus durchaus Debatten darüber führen.

Mit dem Kauf des Brentano-Hauses in Oestrich-Winkel haben wir in Hessen nun den dritten Teil eines einzigartigen Ensembles der romantischen Kunst dauerhaft für die Öffentlichkeit gesichert. Ich finde, das ist auf jeden Fall ein Grund zum Feiern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Zusammen mit diesem Ensemble ergibt sich ein Bild der romantischen Kunst mit all ihren Facetten. Sie zeigen, wie die Künstlerinnen und Künstler an ihren Manuskripten arbeiteten. Sie lassen uns den Ort, an dem diese Kunst entstand, und die Natur, die die Romantiker inspirierte, erleben.

Das Haus der Familie Brentano ist ein herausragend erhaltenes materielles Zeugnis des Geisteslebens der Goethezeit, in dem viele bedeutende Künstlerpersönlichkeiten ein und aus gingen, Romantiker, aber auch Protagonisten anderer Strömungen. Der berühmteste unter ihnen dürfte wohl Goethe gewesen sein. In gewisser Hinsicht ist das Brentanohaus eine hervorragende Ergänzung zum Frankfurter Goethe-Haus. Das Geburtshaus des Dichters in Frankfurt wurde in den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs weitgehend zerstört, die – das sollte man dazu sagen – eine Konsequenz der Terrorherrschaft der Nazis gewesen sind, die Nazis, die den Begriff der deutschen Kultur aufs Schlimmste missbraucht haben. Auch das ist für uns eine Verpflichtung: das vielfältige Erbe der deutschen Kulturgeschichte, und dazu zählt die Romantik, zu pflegen und zum Nutzen einer demokratischen Gesellschaft lebendig zu erhalten. Hierfür ist diese Debatte meiner Meinung nach – das möchte ich an dieser Stelle auch sagen – auch sehr wichtig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Was wir heute in Frankfurt von dem Goethe-Haus sehen, ist eine Rekonstruktion – in weiten Teilen mit vielen originalen Stücken. In Oestrich-Winkel dagegen hat sich einigermaßen unverändert viel von der Atmosphäre erhalten, die Goethe, die die Grimms oder Achim und Bettina von Arnim seinerzeit erlebt haben dürften. Wir wollen, dass dies auch für die nachfolgenden Generationen erhalten bleibt.

Meine Damen und Herren, für den Ankauf und die Sanierung des Brentanohauses stellt das Land Hessen 1,4 Millionen Euro zur Verfügung. Ich denke, das ist eine ordentliche Summe. Man muss, wie gesagt, in jedem Einzelfall entscheiden, ob dieses Staatsgeld gut angelegt ist, und in diesem Falle ist es das.

Die Brücke zum Goethe-Haus bringt mich zum zweiten Teil dieses Dreiklangs, dem Deutschen Romantikmuseum, das neben dem Frankfurter Goethe-Haus entstehen wird. Es ist nicht unwesentlich dem berühmten Frankfurter Bürgersinn zu verdanken – darüber wurde gerade gesprochen; Frau Beer hat es gesagt –, über den ich mich als Frankfurterin natürlich besonders freue, dass dieses Projekt nun endlich Wirklichkeit werden kann. Die Bürgergesellschaft der Stadt, das Land Hessen, die Stadt Frankfurt und der Bund werden das Projekt nun gemeinsam stemmen. Ich finde, bei dieser Gelegenheit kann man den Dank durchaus an alle richten, die daran mitgewirkt haben, an die Bürgergesellschaft, an die Stadt Frankfurt und an den Bund. Wir selbst bedanken uns natürlich nicht bei uns. Es ist wirklich viel zusammengetragen worden; vielen Dank an alle, die daran mitgewirkt haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ein solch solides Fundament, zusammen mit der herausragenden Sammlung des Freien Deutschen Hochstifts, ist der beste Garant für eine Institution mit großer Strahlkraft. Diese Sammlung von Manuskripten aller wichtigen Dichter der Romantik ist vor allem deshalb so wichtig, weil sie den Entstehungsprozess der Werke sichtbar macht. Das ist gerade bei den Romantikern entscheidend, denn für sie ging es oft gar nicht so sehr um das fertige Werk, sondern vielmehr um den Weg dahin. „Die romantische Dichtart ist noch im Werden; ja das ist ihr eigentliches Wesen, dass sie ewig nur werden, nie vollendet sein kann“, schrieb Friedrich Schlegel.

Der Blick auf die Kunst der Romantik wäre aber unvollständig, wenn er nicht die Natur einschließen würde, wie sie von den Dichtern, Komponisten und Malern erfahren wurde. Es war nicht die reine Natur, die die Romantiker inspirierte, sondern eine, die mit den Werken der Menschen in gewisser Hinsicht interagierte. Dies fanden zunächst englische Künstler in den Ruinen des Mittelalters. Daraus erwuchs die romantische Gartenkunst, die im Park des Grafen von Ostein eines ihrer wichtigsten Werke hat, das noch heute erfahren werden kann. Dieser Park komplettiert den Dreiklang, der damit einen sinnlichen, einen historischen und einen intellektuellen Zugang zur romantischen Kunst vermitteln kann. Das ist einzigartig in Hessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine Damen und Herren, Hessen war ein Zentrum, aber nicht das einzige Zentrum der romantischen Kunst. Das müssen wir natürlich, wenn wir ganz ehrlich sind, zugeben. Clemens Brentano kam aus Frankfurt ebenso Bettina von Arnim. Viele andere Geistesgrößen der Zeit, entfernte Verwandte mitunter oder Gegner, an denen sich die Romantiker abarbeiteten, sind eng mit Hessen verbunden, zuallererst Goethe, aber auch Hölderlin. Der Rhein, der Sehnsuchtsort der deutschen Romantik, fließt durch unser Bundesland. Doch nicht nur wegen dieser geografischen Verbindungen, der Kultur- und Naturdenkmäler, des „romantischen Dreiklangs“, passen wenige Orte so gut zur romantischen Kunst wie Hessen, denn die romantische Kunst ist eine Kunst im Prozess, die nicht so einfach musealisiert werden kann. Auch, wenn sie mit einigem Recht als eine spezifisch deutsche Strömung betrachtet wird, ist sie nur verständlich im Kontext des reichhaltigen europäischen Kulturlebens, das sehr stark vom freien Austausch der Ideen, der gegenseitigen Inspiration durch ausgiebige Reisen, geprägt war.

Die Stadt Frankfurt steht für diesen Austausch, und Frankfurt steht für eine moderne Stadt, die sich mit der Vergangenheit befasst und sich für Neues fruchtbar macht und öffnet. Sie ist ein Ort des Wandels, aber auch ein Ort des Stachels im Fleisch der Moderne. Sie steht auch für eine Gegenwart, die der Frankfurter Theodor W. Adorno in einem Text über den Romantiker Eichendorff beschrieb als „ Jetzt …, das gesättigt ist mit der Kraft des Gestern und es darum nicht zu vergötzen braucht“.

Die romantische Kunst ist in einem direkten Sinne keine politische. Aber sie hat uns neben der Schönheit ihrer künstlerischen Schöpfung auch viel zu unserem Verhältnis zur technischen Moderne und zu deren Kehrseiten zu sagen. Sie regt mit ihrer beißenden und oft sehr witzigen Kritik an allem scheinbar Großen, Mächtigen und Unverrückbaren dazu an, uns immer wieder zu hinterfragen. Herr Dr. Spies hat dies vorhin – so würde ich Ihren Redebeitrag einmal interpretieren – sehr vorzüglich adaptiert und das Beißende an der Romantik vorgeführt.

Dass wir diesen romantischen Denk- und Gestaltungsprozess nun in Hessen in all seinen Facetten erfahren können, ist ein großes Glück. Ich möchte es als aktive und vorausschauende Kulturpolitik bezeichnen, dass diese Kultur jetzt langfristig gesichert ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Das fällt bei uns auf fruchtbaren Boden, denn Hessen ist auch ein Zentrum junger Kunst, ebenso der freien Szene wie der Wissenschaft. Mein geschätzter Kollege Herr May und Minister Rhein haben gestern in der Haushaltsdebatte noch einmal deutlich gemacht, dass dies ein wichtiger Schwerpunkt der schwarz-grünen Koalition ist. Diese Vielfalt der Kultur zu fördern, ist uns ein wichtiges Anliegen. Wie es sich für dieses weltoffene Bundesland gehört, suchen wir aktiv den Dialog und den Austausch über unser kulturelles Erbe und die Gestaltung unserer gemeinsamen Zukunft.

Ich bin sehr zuversichtlich und hoffe, dass die Präsentation der Romantik in Hessen viele Menschen zu uns locken, dass sie den Austausch, den Dialog fördern und natürlich Debatten auslösen wird. Wir freuen uns, wenn die Präsentationen der Romantik in Hessen viele Touristinnen und Touristen anziehen und damit gut für die regionale Wirtschaft sind. Bei meinen Recherchen zu diesem Redebeitrag bin ich auf eine wunderbare Romantik-App des Kulturfonds Frankfurt RheinMain gestoßen. Ich finde, dafür kann man an dieser Stelle einmal die Werbetrommel rühren – Sie haben vorhin die Zusammenarbeit des Kulturfonds Frankfurt RheinMain und der Kulturregion bei diesem Thema angesprochen –; das ist sehr beachtlich, und ich glaube, das müssen wir noch weiter verbreiten und besser präsentieren. Die Romantik-App leistet hierfür, wenn man jetzt einmal die neuen Medien bedienen darf, einen hervorragenden Beitrag.

Dass die Pläne für das Romantikmuseum in Frankfurt einen Ort vorsehen, an dem nicht nur die Sammlung des Hochstifts gezeigt wird, sondern auch Wohnungen und ein Theater, der Cantate-Saal, reich an Geschichte und Gegenwart, Platz finden, gehört zu diesem Bild dazu. Kultur findet sozusagen mitten im Leben statt. Auch hier gilt: Gute Kulturpolitik schafft Zukunft und Lebensqualität, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsident Frank Lortz:

Frau Kollegin, Sie müssen langsam zum romantischen Schluss kommen.

Martina Feldmayer:

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich komme zum „romantischen Schluss“. – Ich wünsche dem Romantikmuseum in Frankfurt als Frankfurterin selbstverständlich alles Gute. Ich bin mir sicher, dass wir mit dem romantischen Dreiklang dazu beitragen werden, dass die Romantik in Hessen dauerhaft gesichert ist. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsident Frank Lortz:

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Feldmayer.

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