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29.04.2015
Portraitfoto von Marcus Bocklet vor grauem Hintergrund.

Marcus Bocklet: Qualitätsentwicklung im Ärztlichen Bereitschaftsdienst

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Schott, lieber Herr Dr. Spies, in der Tat haben wir es zunächst einmal mit der Frage zu tun: Was ist in den letzten Jahren, spätestens seit dem 1. Januar 2014, eigentlich passiert? Dazu gilt es festzustellen, dass die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten, wie man sie auch nennt, durch den Ärztlichen Bereitschaftsdienst Gegenstand des Sicherstellungsauftrags der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen ist. In diesem Rahmen regelt die KVH den Ärztlichen Bereitschaftsdienst eigenverantwortlich.

(Zuruf von der LINKEN)

Ich finde, man muss trotz alledem feststellen: Ohne in eine Zuständigkeitshuberei zu verfallen, ist festzustellen, dass der Erregungszustand bei der Opposition im Verhältnis zu dem Gemütszustand derer, an die man die Kritik richtet, sehr hoch ist. Daher sollten Sie in dem Fall ein bisschen herunterkommen.

(Beifall des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Zuständig für das ganze Verfahren ist die Kassenärztliche Vereinigung. Wir reden jetzt darüber, ob sie sich bei dem, was sie da gemacht hat, wie sie sich neu strukturiert hat, klug verhalten hat. Herr Kollege Spies, Frau Schott, nach all dem, was wir aus der Presse, aus den Protesten wissen, muss man sagen: Die Reform, die die KVH gemacht hat, ist wohl alles andere als glücklich gelaufen.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Das muss man einmal feststellen. Man muss feststellen, dass man flächendeckend eine neue Struktur über Hessen gezogen und dabei offensichtlich den regionalen Begebenheiten, der zum Teil sehr guten regionalen Selbstorganisation von Ärzten, die sich freiwillig darum gekümmert haben, wie der hausärztliche Bereitschaftsdienst optimiert werden konnte, wenig Beachtung geschenkt hat. Wenn darüber hinweggewalzt wurde, wie es im Rheingau-Taunus-Kreis und im Lahn-Dill-Kreis der Fall war, dann ist eine Kritik an der Kassenärztlichen Vereinigung allem Anschein nach sehr berechtigt. Daher muss man in Richtung der KV sagen: Kommt zur Besinnung, ihr seid nicht unfehlbar, ihr müsst euch der Kritik stellen und im Zweifel eure Entscheidung auch revidieren, ihr müsst euch anpassen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Da tut man sich nicht schwer, und der Kollege Dr. Bartelt sieht das genauso – das weiß ich –, auch wenn er einen starken Schwerpunkt auf die Zuständigkeitsfrage gelegt hat.

Herr Kollege, wir sind uns einig, dass über das, was man da bisher hört, kein Mensch glücklich sein kann. Die Neuregelung der Struktur des ärztlichen Bereitschaftsdienstes soll für die Patienten Verbesserungen bringen. Er soll effizienter sein, und es soll schneller gehen. Nach dem, was man über das hört, was am 1. Januar final in Kraft getreten ist – auch in der letzten Welle –, ist das aber nicht so. Man hört – Sie haben es beschrieben – vom Hals-Nasen-Ohrenarzt, vom Gynäkologen und vom Hautarzt, die nun auch noch hausärztliche Aufgaben wahrnehmen sollen. Diese Tatsache kann einen nicht wirklich beruhigen. Deswegen muss man sich Gedanken darüber machen, ob die KVH tatsächlich den richtigen Weg eingeschlagen hat.

Dieses ploppt aber nicht erst heute hoch. Ich kann nur sagen, dass das beim Gesundheitsminister ständig Thema war und er mehrfach darüber berichtet hat, dass er mit den Vertretern der KVH eindringlich darüber diskutiert, dass sie ihren Weg transparenter machen. Das ist richtig. Ich bedanke mich bei dem Minister auch dafür. Ich glaube, Schwarz-Grün ist da gut aufgestellt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wenn Probleme in der Selbstorganisation der KVH auftauchen, muss sie sich der Kritik stellen, und dann muss sie transparent und selbstkritisch damit umgehen. Wir unterstützen dieses Verfahren ausdrücklich. Ich wiederhole auch, dass es entsprechende Befunde gibt. Ich nenne als Beispiel die Selbstversuche des hr: Wenn jemand ewig lange in der Warteschlange sitzt, ist das kein guter Zustand. Dann muss man das Problem benennen und – besser noch – diesen Tatbestand sofort ändern.

Deswegen fordern wir an dieser Stelle die KVen in Hessen auf: Organisieren Sie ihre Bereitschaftsdienste so, dass lange Warteschleifen vermieden werden. Das ist doch selbstverständlich. Darin sind wir uns in diesem Haus alle einig.

Ich komme zum nächsten Punkt. Die Reform der Strukturorganisation hat dazu beigetragen, dass die Bezirke zusammengefasst wurden: Von 114 sind nur noch 41 Bezirke übrig geblieben, und 38 der 58 Bereitschaftsdienstzentralen – das muss man sich einmal überlegen – sind bereits jetzt in Krankenhäusern untergebracht. Es ist auch nicht per se schlecht, dass man in Krankenhäusern die Möglichkeit hat, den Bereitschaftsdienst in Anspruch zu nehmen, und kurze Wege hat, wenn man weiterbehandelt werden muss.

Ich will nur sagen, nicht alles daran ist falsch. Nehmen Sie die Telefonzentralen in Kassel und in Frankfurt: Da hockt nicht jeweils ein verschlafener Sicherheitsdienstmitarbeiter, sondern in Kassel sitzen 43 und in Frankfurt 76 Mitarbeiter, die sich um diese Frage kümmern.

Aber ich wiederhole: Wenn es Kritik daran gibt und die Warteschleifen nachweislich zu lang sind, ist davon auszugehen, dass ein Fehler im System vorliegt, und dann muss dieser Fehler revidiert werden. So einfach kann es manchmal sein.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Frau Schott, ich will noch eines zur Relativierung sagen; denn ich finde es beunruhigend, wie Sie es machen: Der Bereitschaftsdienst ist kein Notfalldienst. Das will ich noch einmal sagen. Wenn die Menschen draußen im Land durch diese Diskussion das Gefühl haben, sie können, wenn sie zu Hause einen massiven Notfall haben, niemanden erreichen, ist das ein Problem.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

– Doch, dieser Eindruck wird erweckt: Was ist, wenn jemand massives Herzstechen bekommt, die Besinnung verliert und man plötzlich niemanden mehr erreicht? Das ist grober Unfug. Man wählt nach wie vor die 112, und dann ist, so, wie wir es kennen, der Rettungswagen in zehn oder zwölf Minuten vor Ort. Man sollte nicht den Eindruck erwecken, dass dies in Gefahr sei. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Notfallversorgung in Hessen ist nicht in Gefahr.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Es geht um den Bereitschaftsdienst. Es geht darum – ich wiederhole es –, dass eine vertragsärztliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten gewährleistet ist. Das heißt, es geht um eine Grauzone: Man befindet sich nicht wohl und überlegt sich, ob man das noch bis Montag aushält oder ob man gleich behandelt werden muss. Da gibt es natürlich Wartezeiten – zu Recht, sagt die Landesregierung –, genauso wie es in den Sprechstundenzeiten Wartezeiten gibt. Das wird man nicht gänzlich vermeiden können.

Aber diesen Eindruck will ich hier nicht erwecken – deswegen betone ich das noch einmal –: Wenn die KVen eine Reform machen, die zu einer Verschlechterung der Versorgung führt, sie also eine Strukturreform durchführen, die die Qualität der ärztlichen Versorgung tatsächlich gefährdet, wenn sie fachfremde Ärzte in die Pflicht nehmen, hausärztliche Aufgaben zu übernehmen, und wenn es zu langen Wartezeiten kommt, müssen wir alle, das gesamte Haus, daran Kritik üben. Dieses Signal kann heute vom Landtag ausgehen. Sie müssen sich stärker der Kritik stellen, und sie müssen die Fehlentwicklungen revidieren und die Defizite beseitigen. Daran darf doch kein Zweifel bestehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Die Probleme sind schon seit Monaten bekannt. Ich gebe auch da eine Empfehlung: Seit acht Tagen liegt die Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage von Dr. Spies und Herrn Gremmels, SPD, vor.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Viele Befürchtungen sind darin schon entkräftet worden. Das muss man auch einmal sagen. Zum Beispiel wurde befürchtet, dass es eine massive Zunahme der Zahl der Rettungsdienstfahrten oder eine Inflation bei der Zahl der Notaufnahmen geben würde. Schauen Sie sich die Bilder an. Mal sind Anstiege zu verzeichnen, mal gehen die Zahlen wieder runter. Es hat sich dort also keine massive Gefährdungslage eingestellt. Ich bitte Sie, in der Debatte etwas zur Versachlichung beizutragen.

Die aufgrund der Neustrukturierung eingetretene Situation ist keine wünschenswerte; sie ist kritikwürdig. Aber wir sollten in diesem Haus alles unternehmen, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass sich, wenn es jemandem in diesem Land schlecht geht, niemand um ihn kümmert. Das kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein.

Ich komme zum Schluss. Ich betone noch einmal: Wenn die KVen den Eindruck erwecken, sie seien unfehlbar, haben sie etwas falsch verstanden. Selbstorganisation und Selbstverwaltung sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Das heißt, dass sie sich auch der öffentlichen Kritik stellen und ihre Haltung gegebenenfalls so revidieren müssen, dass sich niemand mehr Sorgen zu machen braucht, wenn es ihm einmal schlecht geht. Das muss das Signal sein, das heute gegeben wird.

Ich bin mir sicher, CDU und GRÜNE sind sich bei dieser Position ganz einig. Wir fordern die KVen auf, aktiv Stellung zu dieser Kritik zu nehmen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank, Herr Kollege Bocklet.

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