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03.04.2014
Portraitfoto von Marcus Bocklet vor grauem Hintergrund.

Marcus Bocklet: Gesetzliche Rahmenbedingungen für ein Leben in Würde psychisch kranker Menschen

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Spies trägt vor, dass dieses Thema eigentlich nicht strittig sei, der parteipolitischen Profilierung nicht nutze und es noch besserer Stil sei, wenn man dem Vorschlag der SPD folgen und eine Anhörung weit vor einem Gesetzesverfahren machen würde. – Herr Spies, wenn dem so wäre, muss ich Sie fragen: Warum machen Sie eigentlich vorher eine eigene Pressekonferenz und sprechen nicht mit den Obleuten über die Möglichkeit einer frühzeitigen Anhörung? Diese Frage hätte ich Ihnen gern einmal gestellt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Ganz offensichtlich ist die Frage des guten Stils auch eine Definitionsfrage der SPD. Wären Sie tatsächlich der Meinung gewesen, dass es so unstrittig ist, dass wir gemeinsam mit allen fünf Fraktionen an der Idee eines frühzeitigen Beteiligungsverfahrens arbeiten könnten, warum haben Sie sich nicht beim letzten Obleutetreffen beispielsweise des Sozial- und Integrationspolitischen Ausschusses gemeldet und gesagt: „Hört mal, Kolleginnen und Kollegen, können wir da konsensual etwas ganz Besonderes machen?“ – Nein, darum geht es Ihnen offensichtlich nicht, sondern es geht Ihnen darum, zu sagen: „Wir von der SPD haben etwas im Koalitionsvertrag entdeckt, und wir fordern schon mal eine Anhörung, wo bleibt eigentlich das Konzept, wo bleibt eigentlich das Gesetz?“ – Das haben Sie bei der Kinderförderung gemacht, das machen Sie jetzt beim PsychKG, wir können Ihnen da noch viele Anregungen geben.

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:

Herr Bocklet, lassen Sie eine Antwort des Abg. Dr. Spies zu?

Marcus Bocklet:

Ja, gern. – Ich stelle noch die Frage, damit es im Rahmen der Geschäftsordnung bleibt: Stimmen Sie mir zu?

Dr. Thomas Spies (SPD):

Wären Sie bereit, zu memorieren, dass ich mit meinem Beitrag zur Frage, was das mit Stil zu tun hat, ausdrücklich auf diese Frage eingegangen bin, nämlich mit dem Hinweis, dass allerdings eine Pressekonferenz, die ebenfalls genau diesen Ansatz zum Gegenstand hatte – ich erinnerte an den Eröffnungstanz, an dieser Stelle den neuen Stil von mehr Kooperation üben zu wollen –, um aber – und das will ich nicht bestreiten –

(Unruhe)

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:

Herr Dr. Spies, kommen Sie bitte zum Punkt.

Dr. Thomas Spies:

Aber ja. – auch darauf zu verweisen, dass natürlich eine Pressekonferenz in dieser Frage, die nicht beliebig lange liegen bleiben darf, geeignet ist, auch einen angemessenen Druck herzustellen?

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:

Herr Bocklet, Sie haben das Wort.

Marcus Bocklet:

Ich wäre gern darauf eingegangen, aber ich habe das Gefühl, meine Redezeit ist abgelaufen.

(Heiterkeit und Beifall)

Herr Dr. Spies, Sie haben eine Pressekonferenz abgehalten, um dieses Thema zu besetzen, und zwar parteipolitisch. Das ist Ihr gutes Recht, aber tun Sie dann doch bitte nicht so, als ob Sie dann völlig selbstlos auftreten können. Es geht Ihnen darum, sich auf diesem Feld profilieren zu wollen und sagen zu können: Wir haben es zuerst gewusst, Herr Lehrer. – Fakt ist in diesem Zusammenhang doch, dass sich CDU und GRÜNE im Dezember in ihrem Koalitionsvertrag geeinigt haben, dass es dringend einer Weiterentwicklung, einer Fortführung, einer neuen gesetzlichen Grundlage im Umgang mit psychisch Kranken bedarf. Das ist ein gutes Zeichen für Hessen, es wird eine neue gesetzliche Grundlage geben, nehmen Sie das doch bitte zur Kenntnis. Es ist ein guter Tag für Hessen; denn das wird so kommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens. Das ist ein unglaublich sensibles Thema. Im Übrigen teile ich Ihre Meinung nicht, dass es so unstrittig ist. Ich glaube vielmehr, dass man, wenn man dabei Fehler begeht, ganz große Diskussionen im Land heraufbeschwören kann. Deswegen ist es auch für uns GRÜNE – ich betone es noch einmal – ein ganz sensibler Bereich der Bürgerrechte: Es geht um freiheitsentziehende Maßnahmen, es geht um Prävention, Vermeidung von Unterbringung, es geht um die Frage von menschengerechter Unterbringung, es geht um Betreuung und Nachsorge. Das ist ein hochsensibler Bereich. Genau deswegen sind wir, übrigens genau wie Sie auch der Meinung, dass wir frühzeitig alle Betroffenenverbände, Kommunen, Expertinnen und Experten sowie Wissenschaftler in die Diskussion einbinden wollen, um eben keine Fehler zu begehen und Gräben aufzureißen. Wir wollen alle Bedenken mit einbeziehen und werden Sie mit einbeziehen. Wir brauchen ein zukunftsfähiges PsychKG, und ich bin mir sicher, wir werden auch ein zukunftsfähiges PsychKG bekommen.

Liebe Kollegen von der SPD und der LINKEN, den Eindruck zu erwecken, wir stünden hier vor einem kompletten Neuanfang, ist weit übers Ziel hinausgeschossen. In allen angrenzenden Bundesländern gibt es mittlerweile Entwürfe oder in Kraft getretene PsychKGs. Wir müssen doch nicht bei null ansetzen. Wir kennen die Problematik, wir werden die Menschen zu Wort kommen lassen, wir werden ihre Sorgen und Bedenken einbeziehen. Ich verstehe deshalb auch nicht die von Ihrer Seite so hochstilisierte Frage, wann nun eine Anhörung stattfindet – ob nun vorher, wenn noch keiner weiß, worüber wir eigentlich reden, aber auch das können wir machen –, das ist ein bisschen wie die Frage mit der Henne und dem Ei.

Im Kern aber ist es doch eigentlich zweitrangig, ob man eine Anhörung vor einer Vorlage oder danach durchführt. Aus dem politischen Kontext bin ich es gewohnt, dass man erst über etwas redet, wenn man beispielsweise wenigstens schriftlich ein paar Eckpunkte vorliegen hat, anstatt das jeder ins Blaue redet, nach dem Motto: Schön, dass wir drüber gesprochen haben, aber es bleibt folgenlos. – Nein,

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:

Herr Bocklet, ich habe ein wenig Zeit dazu gegeben, aber Sie müssen zum Schluss kommen.

Marcus Bocklet:

der Punkt muss sein, dass wir im Rahmen eines neuen Gesetzes eine umfängliche Beteiligung haben werden. Es muss gewährleistet bleiben, dass wir sensibel mit dem Thema umgehen, dass es um Bürgerrechte geht, und dass wir von CDU und GRÜNEN mit größter Vorsicht darauf achten werden, ein sehr gutes PsychKG zu bekommen. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:

Danke, Herr Bocklet.

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