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25.06.2015
Portraitfoto von Marcus Bocklet vor grauem Hintergrund.

Marcus Bocklet: Gesetz zur Änderung des Hessischen Schulgesetzes

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu den Vorgängen in Frankfurt werde ich gleich etwas sagen.

Herr Kollege Greilich, vorab etwas zu Ihrem Satz, Herr Schwarz habe nicht in das Gesetz geschaut. In Art. 1 Ihres Gesetzentwurfs heißt es:

Als Nr. 5 wird neu angefügt:

„5. bei denen die Grundschule die Eignung für den gewählten Bildungsgang nach § 77 Abs. 3 festgestellt und die Aufnahme empfohlen hat.“

Wenn dieser Satz in das Gesetz eingefügt würde, dann wäre das im Kern die Abschaffung der Elternwahlfreiheit. Da können Sie hier so lange um den heißen Brei herumtanzen, wie Sie wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich frage Sie allen Ernstes, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP-Fraktion: Wollen wir in der Bildungspolitik wirklich um 40 Jahre zurückgehen, 40 Jahre zurück in die Grabenkämpfe alter Schulpolitik, als es darum ging, ob die Eltern eine Wahlfreiheit bekommen oder ob der Grundschullehrer entscheidet. Man mag hinsichtlich der Ergebnisse des Bildungsgipfels unterschiedlicher Auffassung sein, aber so weit wird kein Teilnehmer des Bildungsgipfels zurückfallen, dass er diese Frage wirklich noch einmal neu aufmachen würde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wenn Sie sich durchsetzen würden, würde es eine klare Reglementierung geben. Da können Sie doch nicht um den heißen Brei herumreden. Da können Sie sich auch nicht wegducken. Wenn das wirklich Ihr pädagogischer Ansatz ist: Wozu würde das führen? Was glauben Sie? In der Enquetekommission haben wir uns angehört, wie es den Kindern geht, die schon in der 4. Klasse eine Entscheidung treffen müssen, obwohl alle Fachleute tendenziell zu einem längeren gemeinsamen Lernen raten. Darüber kann man diskutieren; aber wir sollten doch einen Konsens in der Frage haben, dass man zumindest ein nicht noch kürzeres gemeinsames Lernen präjudizieren sollte. Was würde sonst passieren? Die Eltern würden doch schon in der 3. und 4. Klasse dazu auffordern, ihre Kinder noch mehr zu triezen, noch mehr auf die Noten zu achten, noch mehr Leistungsdruck aufzubauen. Um wie viel früher soll der Bildungs- und Leistungsdruck denn noch einsetzen, meine Damen und Herren?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt sage ich Ihnen gern noch etwas zu den Vorgängen in Frankfurt. Es kann doch nicht wirklich wahr sein, dass ein Gesetzentwurf aufgrund eines Problems in einer Großstadt eingebracht wird. Ich bin Frankfurter Abgeordneter. Sie können mir glauben, dass ich von den Nachrichten und Wendungen wahrlich nicht amüsiert bin.

Es gab aus unterschiedlichen Gründen die Prognose, dass es einen starken Anstieg der Zahl der Schüler geben werde. Man muss sich einmal vergegenwärtigen: Frankfurt wächst pro Jahr um 15.000 Einwohner, also um die Größe von Mörfelden-Walldorf. Für diese Menschen müssen die Infrastruktur, Wohnungen, Kindergärten und Schulen geschaffen werden. Damit ist klar, dass wir nicht über Kindergeburtstage reden. Diese Aufgabe muss die Stadt jedes Jahr stemmen. Die Prognose besagte, dass alle Gymnasien Schüler an Gesamtschulen abgeben würden. Warum? Weil die Schüler wegen G 8 von den Gymnasien zu G 9 an den Gesamtschulen geflohen sind. Diese Tendenz gab es. Es war nicht absehbar, wie stark sich diese Tendenz umkehren würde – von den Gesamtschulen an die Gymnasien zurück.

Ich halte fest: Jedes Frankfurter Kind, das nach der 4. Klasse auf ein Gymnasium wechseln soll, kann dies tun. Die Frage wird nur sein: An welchem Gymnasium und in welchem Stadtteil? Es ist ärgerlich, dass 500 Eltern den Schulwunsch für ihre Kinder nicht erfüllt bekommen, aber es ist der gewünschte Bildungsgang, und den Kindern werden bei ihrer Schulkarriere keine Steine in den Weg gelegt. Der Vorgang ist zwar ärgerlich, aber es ist nicht der Untergang des Abendlandes, anders, als Sie das suggerieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Es gibt in Frankfurt eine Menge nachzuholen. Ich sage Ihnen gerne: Wenn wir über die Wohnungspolitik reden, regieren CDU und GRÜNE mit. Wir unternehmen intensive Anstrengungen, geeignete Flächen zu finden, um Wohnraum zu schaffen. So schwierig es ist, in einer Großstadt neuen Wohnraum zu schaffen, genauso schwierig ist es aber bei Kindergärten und Kitas. Wenn wir im Nordend, in Bornheim, in Bockenheim oder sonst wo, z. B. in Preungesheim, eine Kita bauen wollen, was glauben Sie, wie groß da die Begeisterung der Anwohner in Erwartung von Kinderlärm ist? Was, glauben Sie, ist los, wenn man neue Schulen bauen will? Was macht die Stadt Frankfurt? Sie baut ein Gymnasium in Nied, weil es da größere Freiflächen gibt. Was tun im Gegenzug die Eltern? Sie beschweren sich, weil sie 30 Minuten mit der S- oder mit der U-Bahn fahren müssen. Sie sehen, das ist ein diffiziles Geschäft. Das sollte niemand unterschätzen. Wenn der Elternwille jetzt in bestimmten Stadtteilen nicht umgesetzt werden kann, sollten wir aber nicht den Bogen schlagen, zu sagen, wir schaffen die Wahlfreiheit der Eltern ab. Wie absurd ist das denn? Das kann ja wohl nicht wahr sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Lassen Sie mich zusammenfassen. Wir GRÜNEN werden dafür kämpfen – ich bin froh, dass die CDU da mit uns streitet –, dass die Wahlfreiheit der Eltern, welche Schule ihr Kind nach der Grundschule besucht, bestehen bleibt. Wir werden uns auch dafür einsetzen, dass in der Stadt Frankfurt weitere Anstrengungen unternommen werden, die Schulwahl so zu gestalten, dass die Schule erster Wahl besucht werden kann. Die Schülerzahl nimmt in Frankfurt aber exorbitant zu.

Das muss man zur Kenntnis nehmen. Keiner macht das aus Daffke. Das ist ein großer Krampf, eine große – auch finanzielle – Anstrengung. Ich glaube, wenn wir die Schulfreiheit erhalten und die ein oder zwei Krisenjahre, die es in Frankfurt jetzt zu bewältigen gilt, ernst nehmen, ist das der richtige Weg für die Bildungspolitik und kein Salto mortale in die Siebzigerjahre. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Vielen Dank, Herr Kollege Bocklet.

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