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14.12.2010

Kordula Schulz-Asche: Hessisches Krankenhausgesetz 2011

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Spies, bei aller Wertschätzung

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

glaube ich, dass es notwendig ist, sich Gedanken darüber zu machen, in welcher Situation sich die Krankenhäuser in Hessen befinden. Das, was Sie vorgetragen haben, war doch sehr kurz gesprungen. Wenn wir uns die Landschaft anschauen, sehen wir eine Gesundheitswirtschaft, die gerade dabei ist, sich global aufzustellen, wo sich Großkonzerne und Konsortien zusammenschließen – von verschiedenen Anbietern bis hin zum letzten Dienstleister von kleinsten Medizinleistungen –, wo sich große Konsortien bilden, die alle schon einmal Geld zur Seite legen, um zu warten, was es z. B. an Krankenhäusern in Hessen aufzukaufen gibt, mit denen man Profit machen kann, mit denen man vernünftige Einnahmen erzielen kann.

Herr Kollege Spies, das, was die SPD vorlegt, ist leider überhaupt nicht in der Lage, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Auch die Landesregierung greift meiner Meinung nach zu kurz.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen ganz dringend – meine Fraktion hat entsprechende Änderungsanträge vorgelegt – Grundlagen für unsere Krankenhäuser, damit diese in die Lage versetzt werden, wirtschaftlich zu arbeiten. Wir brauchen eine Krankenhauslandschaft, die an Patienteninteressen orientiert ist. Wir brauchen effizientere Zusammenarbeit und Kooperationsformen. Wir brauchen ein Konzept, das umgesetzt wird. Es reicht nicht, wenn wir hier vorne – sei es die SPD und später die Linkspartei, aber auch Herr Rentsch und Herr Bartelt werden das tun – wie die Teletubbies dem eigenen Klientel in der Hoffnung zu winken, damit die Kommunalwahl zu überstehen.

Unsere Krankenhäuser haben Besseres verdient. Sie haben es verdient, dass man ihnen die Möglichkeiten gibt, im Wettbewerb zu bestehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weil Sie so erstaunt schauen: Es ist egal, ob es sich um ein neu gebautes Klinikum in einer verschuldeten Kommune handelt, ob es sich um ein altes Klinikum handelt, in dem ein Betriebsrat jede Reform verhindert, oder ob es sich um eine andere Stadt handelt – ich will den Namen nicht nennen –, wo Kommunalpolitiker zusammen mit den Chefärzten jede vernünftige Reform des Krankenhauses verhindern. Das sind die Probleme, vor denen unsere Krankenhäuser aktuell stehen und wo wir ihnen per Gesetz die Möglichkeit geben müssen, wirtschaftlicher zu agieren.

Meine Damen und Herren, für uns GRÜNE sind die kommunalen Krankenhäuser ein ganz wesentlicher Teil der Daseinsvorsorge. Uns geht es darum, diese zu retten. Sie brauchen ganz dringend bessere Voraussetzungen, miteinander zu kooperieren, sich zusammenzuschließen, wirtschaftlicher zu arbeiten, freier zu entscheiden, was wirtschaftlich notwendig ist.

Wir brauchen dazu eine Änderung des Kartellrechts, weil das jetzige Kartellrecht die kommunalen Krankenhäuser gegenüber den Konzernen benachteiligt. Und – da bin ich teilweise mit dem zusammen, was Herr Spies gesagt hat –, wenn wir auf der einen Seite sagen, das Krankenhaus müsse selbstständig und wirtschaftlich entscheiden können, müssen wir auf der anderen Seite Qualitätsstandards vorgeben, bei denen klar ist, dass der Verbraucherschutz, die Patienteninteressen und die Qualität der Versorgung gesichert sind.

Wir haben seit Jahren und freuen uns darüber, dass es endlich auch die Landesregierung einsieht, eine Hygieneverordnung gefordert. Kollege Spies hat zu recht darauf verwiesen, auch wir halten Personalstandards für notwendig. Auf diesen Punkt möchte ich ausführlicher eingehen.

Es ist ohne Zweifel so, dass wir in den Krankenhäusern im Pflegebereich eine enorme Arbeitsverdichtung haben. Sie wissen, dass ich selber Krankenschwester bin. Wir haben eine fast gleichbleibende oder sogar steigende Zahl der Fallzahlen. Wir haben eine Abnahme von Verweildauer, und wir haben einen Rückgang der Bettenzahl. All dies zusammen führt dazu, dass im Bereich der Pflege die einzelnen Arbeitsabläufe stärker verdichtet werden. Ich halte es für notwendig, in diesem Bereich darauf zu schauen, welche Personalstandards gesetzt werden müssen.

Das, was die SPD und die Linkspartei machen, ist eine Vorgabe, eine Entwicklung aus dem Jahre 1992 für Personalstandards zu nehmen. In der Zwischenzeit hat sich die Krankenhauslandschaft völlig verändert. Ich habe es gerade mit den Fallzahlen, den Bettenzahlen und der Arbeitsverdichtung dargestellt. Die einen sagen, wir nehmen einfach diese Standards von 1992 und sagen 90 %. Die Linkspartei, der ist das wie immer zu wenig, sagt: Wir nehmen jetzt 100 Prozent.

Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen versichern: Wenn diese banale Form von Personalstandards umgesetzt wird, die sich ausschließlich nach der Quantität und nicht nach der Qualität der Pflege richtet, dann werden die kommunalen Krankenhäuser alle in die Knie gehen, alle pleitegehen. Die großen privaten Konzerne warten nur genau auf diese Situation, weil sie dann mit dem Einkauf der kommunalen Krankenhäuser beginnen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

– Ich weiß, dass Sie das alles aufregt. Aber es reicht eben nicht, wenn man Leuten nur nach dem Mund redet und nicht einmal nachdenkt, wie man die Patientenversorgung tatsächlich verbessern kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Vizepräsident Lothar Quanz übernimmt den Vorsitz.)

Deswegen begrüßen wir ausdrücklich, dass in diesem Krankenhausgesetz vorgesehen ist, nicht nur den Krankenhausbereich selbst in den Blick zu nehmen, sondern auch zu sehen, wo wir Doppelstrukturen im ambulanten Bereich, vor allem im fachärztlichen Bereich, haben. Es geht darum, zu sehen: Wie ist eigentlich die Krankenversorgung vor Ort? Was haben wir an Hausärzten und was an Fachärzten vor Ort? Wie ist die Struktur in den Krankenhäusern? Wie können wir diese ganzen Bereiche so zusammenfassen, dass es am Ende tatsächlich eine gute Versorgung für die Patienten gibt? Das gilt natürlich besonders für den ländlichen Raum, wo wir jetzt schon Versorgungsengpässe haben.

Deswegen begrüße ich ausdrücklich, dass die Landesregierung sagt: Wir wollen hier einen Schritt machen, wir wollen besser koordinieren, wir wollen gemeinsam planen. – Das reicht für mich noch nicht aus, weil es nicht genügt, so etwas allein im Krankenhausgesetz zu regeln, sondern da müssen auch andere Gesetze geändert werden, z. B. im Bereich des öffentlichen Gesundheitsdienstes. Aber es ist ein richtiger Ansatz, um zu sehen: Wie können wir denn perspektivisch die Gesundheitsversorgung tatsächlich anders aufstellen?

Deswegen mein großer Appell, sich hier nicht hinzustellen, ver.di nachzuplappern oder den Beschäftigten in den Krankenhäusern vorzumachen, man müsste nur das Personal verdoppeln, und dann wäre die Welt schön. Nein, meine Damen und Herren, wir müssen dafür sorgen, dass wir eine kommunale Krankenhausversorgung haben, die tatsächlich gut ist,

(Zuruf des Abg. Dr. Thomas Spies (SPD))

die in Zukunft wirtschaftlich überlebensfähig ist und die nicht den großen privaten Konzernen vorgeworfen wird. Das ist genau das, was Sie mit solchen banalen Vorschlägen machen. Damit gewinnen Sie keine Kommunalwahl, Sie retten aber vor allem kein einziges kommunales Krankenhaus.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Kordula Schulz-Asche:

Aber selbstverständlich. – Deswegen hoffe ich, dass die Fraktionen von FDP und CDU unserem Änderungsantrag heute in der Ausschusssitzung zustimmen werden. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Vielen Dank, Frau Schulz-Asche.

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