Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben heute in der ersten Lesung eine Gesetzesvorlage zu beraten, in der es um einen Staatsvertrag der Bundesländer betreffend die Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten geht.
Ich sehe bei dieser Vorlage eigentlich keinen großen Widerspruch. Es werden Gesetzesänderungen des Bundes, EU-Vorgaben umgesetzt, und zudem wird eine Bündelung verschiedener Aufgaben bei der Zentralstelle der Länder empfohlen. Das halten wir eigentlich für einen richtigen Schritt halten.
Wichtig ist aber auch, zu bedenken, dass wir gerade in der letzten Zeit eine breite Debatte über die Qualität bestimmter Formen von Medizinprodukten und über den Patientenschutz, gerade bei Implantaten haben. Von daher glaube ich, dass es richtig ist, sich auch Gedanken darüber zu machen, wie man die Interessen von Patientinnen und Patienten sehr viel stärker, als es bisher der Fall ist, in den Vordergrund stellen kann.
Um ein paar Probleme anzureißen: Die Einstufung von Medizinprodukten in verschiedene Klassen der Gefährlichkeit ist den Herstellern überlassen. Das ist gerade bei Implantaten eine doch sehr oberflächliche Vorgehensweise. Eine echte Kosten-Nutzen-Bewertung oder Risiko-Nutzen-Bewertung findet bei den meisten Produkten nicht statt. Auch das finde ich im Sinne von Patientenrechten und Patientenschutz ein diskussionswürdiges Problem, wo man darangehen muss.
Wir haben einmal selbst nachgeprüft, wie es mit den bisherigen Zulassungsverfahren für Implantate aussieht. Da stellt sich heraus, dass es doch eine große Menge an zurückgerufenen Medizinprodukten gibt. Zwischen 2009 und 2011 sind jährlich 30 bis 70 Implantate zurückgerufen worden. Das macht offensichtlich, dass es sich nicht nur um Einzelfälle handelt, sondern dass wir es hier unter Umständen doch mit größeren Risiken für Menschen zu tun haben, die mit Implantaten leben müssen. Wir wissen, dass diese Implantate nicht nur aus Schönheitsgründen, sondern gerade auch nach Brustoperationen eingesetzt werden. Gerade die Gruppe der Frauen, die von Brustkrebs betroffen sind, ist auf den besonderen Schutz der Gesellschaft angewiesen, und das hat natürlich auch mit der Regelung für Medizinprodukte zu tun.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich hatte schon gesagt, dass wir im Moment keinen Anlass sehen, uns besonders gegen das Gesetz zu stemmen. Aber für 2012 ist eine weitere Revision von drei EU-Medizinprodukterichtlinien geplant, sodass man auch noch einmal schauen muss, welche Auswirkungen dies am Ende haben wird. Wenn diese EU-Richtlinien überarbeitet werden, werden wir fordern, dass sie doch sehr viel mehr als bisher an die Arzneimittelstudien angelehnt werden, d. h. auch entsprechende Prüfverfahren zu durchlaufen haben, dass es eine zentrale Zulassung solcher Produkte gibt, insbesondere der Klasse 3, die mit erheblichen Eingriffen verbunden sind, und dass es auch bei den Gesundheitsgefahren eine Anpassung an das Arzneimittelrecht gibt.
Im Zusammenhang mit dem Skandal um Brustimplantate, mit dem wir es gerade zu tun hatten, sind Fragen offen geblieben, die zu stellen sind: wie die Abläufe waren, wie es über so lange Zeiträume zu solchem kriminellen Vertrieb von Implantaten kommen konnte. Das muss meiner Meinung nach aber auf der Bundesebene geregelt werden.
Herr Dr. Bartelt, in einem Punkt möchte ich Ihnen ausdrücklich widersprechen. Ja, die hessische Wirtschaft ist bei Medizinprodukten sehr engagiert, und es sind sehr viele Arbeitsplätze damit verbunden. Trotzdem finde ich, dass es eine Abwägung zwischen dem, was für die Patientinnen und Patienten wichtig ist, und den wirtschaftlichen Interessen in der Form, wie Sie es hier dargestellt haben, nicht geben kann. Ja, wir wollen Arbeitsplätze erhalten. Ja, Hessen ist ein wichtiger Standort sowohl der Arzneimittel- als auch der Medizinprodukteindustrie. Aber letztendlich müssen für uns die Interessen der Patientinnen und Patienten im Vordergrund stehen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)