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31.01.2013

Kordula Schulz-Asche: Forschung, Lehre und Patientenversorgung in Mittelhessen auf Dauer stärken

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir erleben beim Universitätsklinikum Gießen-Marburg seit Jahren, dass die Landesregierung am Nasenring durch die Manege geführt wird. Wir haben hier ein „Leuchtturmprojekt“, das von allen Seiten hochgradig gelobt wurde und das wir seit Jahren beim Zerbröseln betrachten können. Meine Damen und Herren, die Privatisierung dieses Universitätsklinikums war schlecht gemacht und wurde von der Wissenschaftsministerin in den letzten Jahren auch noch schlecht begleitet.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Das, was Sie am Montag als gemeinsame Vereinbarung des Rhön-Klinikums, der Universitäten und der Landesregierung vorgelegt haben, ist erneut ein Armutszeugnis für die Hochschulpolitik dieser Landesregierung.

Man kann doch kaum deutlicher machen, wie verbraucht und erschöpft diese Regierung ist. Man braucht sich nur anzuschauen, dass Herr Bouffier das Beschäftigungsmoratorium schon vor einem Jahr versprochen hat. Jetzt gibt es ein neues, und das ist genau so vage wie das im letzten Jahr versprochene. Sicherheit für die Beschäftigten schafft das auf keinen Fall.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Die Rhön-Klinikum AG hat mit der Nichteinhaltung des Vertrags tatsächlich Recht gebrochen. Was ist das Ergebnis? Die Landesregierung gibt jetzt zusätzlich öffentliche Investitionsmittel in diesen Bereich. Das ist das, was Sie hier als Leuchtturm verkaufen wollen und als neues Erfolgsprojekt bezeichnen. Nein, meine Damen und Herren, es ist vielmehr ein Zeichen dafür, dass diese Landesregierung nicht in der Lage ist, die Probleme rund um das Universitätsklinikum zu lösen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Ich bin Politikerin und nicht Tumorforscherin oder Strahlentherapeutin. Frau Kollegin Wissler, ich glaube, wir alle sollten es uns nicht an die Weste heften, dass wir sagen können, ob diese Therapie wirklich auf Dauer etwas bringen wird oder nicht.

Aber ich sage eines ganz deutlich: Wir haben ein großes Interesse daran, dass in Marburg – in Hessen insgesamt – weiterhin klinische Forschung in solchen Bereichen betrieben wird, in denen sie sich vielleicht nicht sofort rechnet. Wir haben ein Interesse daran, dass in Hessen in einem Bereich, der für die Medizin zunehmend wichtig wird, weiterhin geforscht und gelehrt werden kann und dass Patienten versorgt werden können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man kann relativ präzise sagen, was jetzt zu tun ist, um mit der Partikeltherapie weiterzukommen. Deshalb sage ich Ihnen: Wir wollen, dass diese Landesregierung mit der Rhön-Klinikum AG konsequent darüber verhandelt, dass die Inbetriebnahme auch dann erfolgt – selbst wenn es ein Jahr später ist –, wenn aufgrund geringer Patientenzahlen die Wirtschaftlichkeit nicht sofort gewährleistet werden kann. Das ist der erste Punkt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU))

– Herr Dr. Müller, ich danke Ihnen, dass Sie mir da zustimmen. – Zweiter Punkt. Es ist nicht so, dass Rhön-Klinikum der einzige Akteur in diesem Bereich wäre. Wir fordern Sie weiterhin auf, sofort mit der Siemens AG zu verhandeln, um die Partikeltherapie, die in Deutschland – also auch in Mittelhessen – in die universitäre Forschung eingebunden ist, nicht nur in Marburg zu erhalten, sondern darüber hinaus den Abbau und die Verlagerung ins Ausland zu verhindern. Deswegen fordere ich Sie auf: Nehmen Sie sofort Verhandlungen mit der Siemens AG auf. Holen Sie sich zur Not Unterstützung aus dem Bund; aber fangen Sie endlich an, auch die Siemens AG als Gesprächspartner ernst zu nehmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dritter Punkt. Auch das liegt seit über einem Jahr völlig klar auf der Hand: Nehmen Sie bitte sofort Verhandlungen mit der Landesregierung von Baden-Württemberg als Trägerin der Universität Heidelberg und des dortigen Partikeltherapiezentrums mit dem Ziel auf, eine enge Kooperation herzustellen, um in Hessen und in ganz Deutschland Synergieeffekte der Strahlentherapieforschung zur Tumorbekämpfung zu generieren.

Letzter Punkt. Tun Sie endlich mehr dafür, dass der angesehene Tumorforschungsstandort Marburg auch in Zukunft erhalten bleibt. Dazu gehören Innovation, klinische Forschung und auch Forschung in Bereichen, die bisher nicht wirtschaftlich sind. Es ist das Wesen von Forschung, dass sie nicht immer sofort Rendite abwirft. Fangen Sie deswegen im Interesse der Hochschulmedizin in Hessen endlich damit an, sich anständig um die Kliniken und um die Universitätsmedizin in Mittelhessen zu kümmern. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)