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07.10.2009

Kordula Schulz-Asche zum Hessischen Nichtraucherschutzgesetz

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dieser Landtag hat mit sehr großer Mehrheit im Jahr 2007 ein Nichtraucherschutzgesetz verabschiedet, das das Rauchen in öffentlichen Gebäuden und Räumen untersagt. Damit ist es nach einer sehr langen Debatte gelungen, Besucher und Gäste ebenso vor gesundheitlich schädlichem Passivrauchen zu schützen wie das Personal.

Heute ist es völlig normal, dass in Rathäusern und Kindergärten nicht mehr geraucht wird. Wenn man bedenkt, dass dieses Gesetz erst zwei Jahre alt ist, dann ist das erstaunlich. Aber ich bin froh, dass es so ist, und freue mich darüber.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich muss es Ausnahmen geben, nämlich dann, wenn der Aufenthaltsort nicht frei gewählt werden kann.

Uns allen ist klar, dass jemand, der im Gefängnis sitzt, nicht einfach vor die Tür gehen kann, um eine Zigarette zu rauchen. Genauso ist es im Maßregelvollzug, bei allen therapeutischen Fragen, die dadurch berührt werden: Man kann dort nicht einfach vor die Tür gehen und eine rauchen. Das kann man in der Kneipe tun, nicht aber im Maßregelvollzug oder im Gefängnis. Deswegen begrüßen wir die Regelung, die hier seitens CDU und FDP für diesen Bereich vorgeschlagen werden.

Eine ähnliche Situation sehen wir auch bei den polizeilichen Verhören. Auch das ist sicher eine oft nicht freiwillig erlebte Stresssituation, und dort können wir eine solche Regelung durchaus unterstützen.

Meine Damen und Herren, wissenschaftliche Studien belegen, dass das Risiko für bestimmte Krankheiten in der Bevölkerung durch einen konsequenten Nichtraucherschutz auffallend sinkt. Festzustellen ist – gerade auch durch die Debatte, die wir hier in den letzten Jahren geführt haben –, dass jetzt die ersten Erfolge sichtbar werden. Wir haben einen deutlichen Rückgang bei jugendlichen Rauchern. Rauchen ist out, und das ist auch gut so.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Heike Hofmann (SPD))

Die Zustimmung der Bevölkerung insgesamt zum konsequenten Nichtraucherschutz ist inzwischen auch für den Gaststättenbereich auf fast 75 % gestiegen. Der Kollege Rentsch hat es schon angesprochen: drei Viertel der Bevölkerung möchte eine bundeseinheitliche Regelung. Das haben wir schon mehrfach versucht, sind aber leider damit gescheitert, dies über den Arbeitsschutz bundesweit zu regeln. Vielleicht ergeben sich hier neue Möglichkeiten – obwohl ich aufgrund der restlichen Regelungen von CDU und FDP da eher schwarzsehe.

Meine Damen und Herren, die anderen Regelungen nämlich, die Sie in Ihrem Gesetzentwurf vorschlagen, sehen wir mit äußerster Skepsis.

Herr Kollege Rentsch, mich hat etwas gewundert, warum Sie z. B. die Tatsache gar nicht erwähnt haben, dass Sie Spielkasinos aus der bisherigen Regelung ausnehmen wollen. Es ist nicht besonders einsichtig, warum gerade Spielkasinos einen Sonderstatus erhalten sollen. Das ist einer der Punkte, den Sie in Ihrem Gesetz vorschlagen. Ich weiß nicht, ob es in einem Spielkasino keine Nebenräume geben kann, in die man sich zurückziehen kann. Mir ist überhaupt nicht klar, warum Sie Spielkasinos einen Sonderstatus einräumen wollen.

Ebenso auffällig ist es, dass Sie die Discos nicht aufgenommen haben – ein Bereich, dessen Regelung das Bundesverfassungsgericht eindeutig verlangt hat: dass nämlich in Räumen mit Tanzflächen nicht geraucht werden darf. Da fragt man sich schon: Was ist eigentlich das Besondere an Spielkasinos und Discos, dass dort Ausnahmeregelungen getroffen werden und das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht beachtet werden soll? Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Ich glaube, das ist eine ganz blinde Lobbypolitik, die Sie hier auf Kosten der Mitarbeiter und Gäste durchsetzen wollen, und zwar sowohl der rauchenden als auch der nicht rauchenden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ebenso problematisch erscheint mir Ihr Begriff der geschlossenen Gesellschaft. Nicht zufällig fühle ich mich dabei an den gleichnamigen Roman von Sartre erinnert – der heißt „Die geschlossene Gesellschaft“. Lesen Sie das nochmals nach, dann bekommen Sie vielleicht eine Ahnung  von dem, was Sie der Bevölkerung in diesem Land vorschlagen.

Sie wollen Familienfeiern ausnehmen. Meine Damen und Herren, davon abgesehen, dass jeder von uns Familienfeiern kennt, zu denen er nicht freiwillig gegangen ist. Wenn man Familienfeiern außerhalb des Hauses durchführt, dann finden sie aus besonderen Anlässen statt. Dann sind das sehr viele Gäste, und es gibt einen hohen sozialen Druck, daran teilzunehmen, beispielsweise bei Hochzeiten oder Jubiläen.

Meine Damen und Herren, mit der Erlaubnis des Rauchens bei solchen Veranstaltungen werden Schwangere und Familien mit Kindern ausdrücklich ausgegrenzt, es sei denn, sie nehmen ein hohes gesundheitliches Risiko in Kauf. Das widerspricht nicht nur allen Grundsätzen eines konsequenten Nichtraucherschutzes, sondern eines gesellschaftlichen Schutzes von Kindern und Jugendlichen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die zweite Form, die man sich bei geschlossenen Gesellschaften vorstellen kann, z. B. Empfänge oder parlamentarische Abende, ist überhaupt nicht einsehbar, warum es eine besondere Regelung geben soll. Auch da ist es nach der jetzigen gesetzlichen Regelung durchaus möglich, in Nebenräumen zu rauchen. Von daher ist überhaupt nicht deutlich, was Sie mit Ihren geschlossenen Gesellschaften meinen.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Sie meinen auch nicht Familienfeiern, sondern versuchen die Raucherklubs aus Bayern wieder über die Hintertür einzuführen. Genau das ist der Hintergrund Ihrer geschlossenen Gesellschaften. Meine Damen und Herren, deswegen werden wir das ablehnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Meine Damen und Herren, der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern ist ein soziales Wesen. Wir haben in Deutschland eine ausgeprägte Feier- und Freizeitkultur, und dazu gehören natürlich Restaurants, Kneipen, Festzelte und Discos.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Herr Kollege Rentsch, hier kommen Menschen zusammen. Diese klönen miteinander, diskutieren, streiten, trinken, essen und tanzen; und manche würden gerne rauchen; und andere würden gerne haben, dass nicht geraucht wird. Und manche haben keine Wahl, weil sie an solchen Orten arbeiten. All diesen unterschiedlichen Interessen und Bedürfnissen im Gaststättenbereich wird Ihr Gesetzentwurf nicht gerecht.

Ihre Vorschläge zu Einraumkneipen sind völlig diffus. Sie haben offensichtlich auch gar nicht die Absicht, eindeutig und nachvollziehbar zu sein, weil Sie von der FDP letztendlich die Aufhebung des konsequenten Nichtraucherschutzes im Gaststättenbereich wollen.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

– Meine Damen und Herren, gut, dass Sie das Thema aufrufen: Das Bundesverfassungsgericht hat über die Klagen zum hessischen Nichtraucherschutz überhaupt nicht abschließend entschieden. Es hat die Dringlichkeit von Eilverfahren abgelehnt und wird auch in diesem Jahr nach unseren Informationen nicht mehr entscheiden.

Da sich unser Gesetz im Gegensatz zu denen, über die schon ein Beschluss gefasst wurde, unterscheidet, und zwar durch die Innovationsklausel – diese ist damals von der CDU-Gesundheitsministerin Lautenschläger so bezeichnet worden –, ist es auch durchaus möglich, dass das Bundesverfassungsgericht entscheiden könnte, dass dieses Gesetz verfassungskonform ist. Damit gibt es derzeit überhaupt keinen Handlungsdruck, sich in Hessen überhaupt mit dem Thema zu befassen. Wir können ganz ruhig abwarten, was das Bundesverfassungsgericht zu den hessischen Gesetzen entscheidet; und wir können dann entsprechende Regelungen finden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da das offensichtlich nicht ganz so einfach in die Köpfe der FDP hineinzukriegen ist, sage ich Ihnen: Das Bundesverfassungsgericht hat zu Baden-Württemberg und Berlin entschieden, und zwar im Jahr 2008. Es hat zwei völlig eindeutige Aussagen gemacht. Die, wie ich finde, wesentliche Aussage dieses Entscheids des Bundesverfassungsgerichts ist – Sie haben es zwar kurz erwähnt, aber es wird immer wieder unter den Tisch gekehrt –, dass das Verbot des Rauchens in öffentlichen Räumen – einschließlich der Gastronomie – sehr wohl mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Dem Schutz der Gesundheit ist demnach ausdrücklich Vorrang vor ökonomischen Interessen zu geben.

Meine Damen und Herren, das hat das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2008 entschieden. Es gibt viele, die das nicht wahrhaben wollen und immer wieder unter den Tisch kehren. Das werden wir nicht zulassen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Thomas Spies (SPD))

Solch ein Gesetz ist auch relativ einfach zu formulieren. Die bayerischen GRÜNEN haben so ein Gesetz bereits eingebracht; und in Bayern läuft auch schon das erste Volksbegehren. Was das Bundesverfassungsgericht allerdings getan dann hat, ist, dass es gesagt hat: Dort wo Ausnahmen vorgesehen sind, kann es unter Umständen zu Wettbewerbsverzerrungen zulasten von Einraumkneipen kommen. Das haben wir im Landtag durch alle Bänke auch immer ähnlich problematisch gesehen. Und dann gibt es eine zweite Möglichkeit, die jetzt die FDP ergreift, nämlich die Ausnahmen neu zu regeln. Da kommt jetzt ein bürokratischer Wust mit letztlich nicht kontrollierbaren – Herr Rentsch hat es schon angedeutet – Vorschriften. Was ist denn eine einfach zubereitete Speise? – Ich kann mir vorstellen, dass das für mich als Frau mit Familie und als Mutter einer zwanzigjährigen Tochter etwas ganz anderes bedeutet als für so eine Männerfraktion wie der FDP.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der FDP)

Was ist denn eine einfach zubereitete Speise? – Meine Damen und Herren, das zeigt doch nur, dass Sie an einem ernsthaften, freundlichen und kommunikativen Miteinander von Nichtrauchern und Rauchern überhaupt nicht interessiert sind.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Deswegen freue ich mich schon auf die Anhörung zu Ihrem Gesetzentwurf. Ich freue mich auf die vielen Experten, die die positiven Wirkungen eines konsequenten Nichtraucherschutzes belegen. Ich freue mich – –

Vizepräsident Lothar Quanz:

Frau Kollegin, bitte kommen Sie zum Schluss.

Kordula Schulz-Asche:

Ich komme zum Schluss. – Ich freue mich auf die Experten, die uns die tatsächlichen Zahlen zur Umsatzentwicklung im Gaststättenbereich vorlegen werden, damit wir nicht weiterhin mit den Zahlen der DEHOGA oder der Zigarettenindustrie belästigt werden. Ich freue mich auf die negativen Erfahrungen in Spanien, wo gerade festgestellt wird, dass der Nichtraucherschutz praktisch nicht existent ist.

Meine Damen und Herren, das mag Ihr Vorbild sein. Sie wollen Hessen zum letzten verqualmten Raucherabteil Deutschlands, Europas machen.

(Zurufe von der FDP)

Wir wollen vermeidbare Gesundheitsrisiken am Arbeitsplatz haben. Wir wollen frei zugängliche und selbstbestimmte Freizeitgestaltung für alle. – Ich danke Ihnen recht herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Danke sehr, Frau Schulz-Asche

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