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24.04.2013

Kai Klose: „Sonderprogramm“ der Landesregierung ist ein Schildbürgerstreich

Herr Präsident, meine Damen und Herren, insbesondere von CDU und FDP! Herr Minister Rentsch, Sie sind wohnungspolitisch auf ganzer Linie gescheitert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Schwarz-Gelb hat auf Bundesebene die Programme zur Städtebauförderung total heruntergefahren. Sie haben alle Prognosen zur dramatischen Wohnraumentwicklung im Ballungsraum abgetan und weiter die Hände in den Schoß gelegt. Sie haben hier im Land noch im Dezember ein untaugliches Wohnraumförderungsgesetz beschlossen, das die völlig falschen Prioritäten setzt. Sie haben die Fehlbelegungsabgabe auch gegen den erbitterten Widerstand der Kommunen, und zwar auch gegen viele Ihrer eigenen Stadtoberhäupter, abgeschafft und Ihnen damit verlässliche Gelder für den sozialen Wohnungsbau ohne jeden Ersatz entzogen.

Sie haben den Verkauf der Naussauischen Heimstätte betrieben und damit Tausende von Mieterinnen und Mietern verunsichert.

(Beifall des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Sie haben alle Warnungen, auch der Opposition, regelmäßig als Panikmache abgetan.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

In Ihrer Regierungszeit ist die Zahl der Sozialwohnungen von 180.000 auf 130.000 geschrumpft. Sie haben die hessische Wohnungspolitik ausbluten lassen. Sie allein tragen deswegen die Verantwortung für die dramatische Knappheit an bezahlbarem Wohnraum, an der der Ballungsraum aktuell leidet.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihr Wohnraumförderungsgesetz räumt seit wenigen Monaten der Förderung des Wohneigentums dann auch noch ausdrücklich Vorrang vor der Förderung des sozialen Mietwohnungsbaus ein. Dafür haben Sie sich feiern lassen.

Wir haben in unserem Gegenentwurf schon damals verlangt, die begrenzten Landesmittel angesichts des dramatischen Mangels an bezahlbarem Wohnraum auf den Mietwohnungsbau zu konzentrieren. Angesichts derart niedriger Hypothekenzinsen besteht überhaupt kein Bedarf zur zusätzlichen Förderung des Wohneigentumerwerbs aus dem Landeshaushalt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Damals haben Sie sich darüber amüsiert. Herr Kollege Lenders hat damals ausdrücklich vor einem „öffentlich geförderten Überangebot an Wohnraum“ gewarnt. Das war und das ist weiterhin ein Schlag ins Gesicht vieler Bürgerinnen und Bürger, die auf öffentlich geförderten Wohnraum angewiesen sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie können sich nämlich eine Wohnung auf dem freien Markt bei weiter drastisch steigenden Mietpreisen immer weniger leisten.

Jetzt haben Sie kürzlich die soziale Wohnraumförderung – ich glaube, es war Herr Caspar – als ein „altsozialistisches Konzept“ bezeichnet. Sie haben die Landeswohnbaupolitik selbst kurz und klein geschlagen, und versuchen jetzt von der anderen Seite der Bühne, als vermeintliche Wohltäter in Spendierhosen aufzutreten, „haltet den Dieb“ zu rufen und zusätzlich ein paar Brosamen als Ersatz anzubieten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Das ist so durchsichtig, so substanzlos, so offensichtlich panikgetrieben, dass Ihnen das jetzt nun kein Mensch mehr abnimmt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieses sogenannte Sonderprogramm der Landesregierung ist angesichts der Nöte und Sorgen der betroffenen Menschen und der Herausforderungen, mit denen die Städte konfrontiert sind, ein echtes potemkinsches Dorf, als dessen Bürgermeister Sie sich Herrn Hirschler ausgesucht haben – der brauchte wohl eine Beschäftigung –: Bunte Fassaden, frisch gestrichen, aber hinter den Fassaden gähnende Leere.

Deswegen lohnt es durchaus, in die Tiefe zu gehen und sich die Einzelmaßnahmen anzuschauen, die versprochen werden. Sie stellen mit Ihrem angeblich so großartigen Sonderprogramm 14 Millionen € jährlich neu für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung. Das hört sich erst einmal nach etwas an. Setzt man aber dagegen, dass Sie 2011 die Fehlbelegungsabgabe ersatzlos abgeschafft und den Kommunen so rund 17 Millionen € jährlich für die soziale Wohnraumförderung entzogen haben – ich habe Herrn Oberbürgermeister Müller aus Wiesbaden noch gut im Ohr, wie er beim Hessischen Mietertag ziemlich lautstark über die Landesregierung geschimpft hat. Wenn man das gegenüberstellt, steht unter dem Strich weniger Geld und nicht mehr Geld für Investitionen im sozialen Wohnungsbau zur Verfügung. Sie sind sich noch nicht einmal für solche Taschenspielertricks zu schade.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Eine besondere Ironie ist es doch – da möchte ich den Kollegen Caspar ganz persönlich ansprechen –, dass es die Frankfurter CDU ist, die gemeinsam mit ihrem Koalitionspartner in einem Antrag von letzter Woche vom Land fordert, alsbald wieder „einen Rechtsrahmen für die Erhebung einer Fehlbelegungsabgabe einzuführen“.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Man höre und staune, „weil auf einem angespannten Wohnungsmarkt kein Raum für Fehlsubventionierungen ist“. – Genauso ist es. Hören Sie auf Ihre Kolleginnen und Kollegen im Römer, wenigstens Sie, und korrigieren Sie Ihren Fehler aus dem Sommer 2011.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Zweiter Punkt: Die angeblich zusätzlichen Bundesgelder. Sie haben schon im Haushaltsplan 2013/2014 die Kompensationsmittel des Bundes für die soziale Wohnraumförderung fast komplett als Zuführung zum Sondervermögen verbucht. Wenn Sie das jetzt als zusätzliche Gelder verkaufen, versuchen Sie nichts anderes, als die Bürgerinnen und Bürger mutwillig zu täuschen. Hinzu kommt, Ministerpräsident Bouffier und Minister Rentsch haben sich allen Ernstes hingestellt und angekündigt, von 2014 bis 2019 weitere 150 Millionen € Bundesmittel für den Wohnungsbau zweckzubinden. Nur: Weder ist der Bundeshaushalt 2014 verabschiedet, noch wurde über die Höhe der Kompensationsmittel in den Jahren danach entschieden. Darüber müssen Bund und Länder erst noch verhandeln. Sie versprechen Geld, über das Sie überhaupt nicht verfügen können. Sie hantieren mit ungedeckten Wechseln auf die Zukunft. Das belegt einmal mehr, wie unseriös Ihre Politik ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Ihr Mantra war doch viel zu lange, in Hessen gebe es gar keinen Bedarf an sozialem Wohnungsbau mehr. Wir alle erinnern uns noch sehr gut an den Versuch von Finanzminister Schäfer, Hand in Hand mit der FDP, die Landesanteile an der Naussauischen Heimstätte zu verscherbeln und damit eines der zentralen Instrumente hessischer Wohnungspolitik aus der Hand zu geben. Auch da haben Sie klar gemacht: Öffentlicher Wohnungsbau ist für Sie so etwas wie sozialromantische Folklore. Verantwortlich fühlen Sie sich für Menschen, die auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind, leider schon lange nicht mehr.

Bei der FDP wundert das auch nicht. Sie haben letztes Jahr noch geschrieben: Sozialer Wohnungsbau und staatliche Wohnungsbauunternehmen stammen aus einer längst vergangenen Zeit.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Leider hat sich offensichtlich inzwischen auch die Union, jedenfalls die im Landtag, dieser Klientelpolitik der FDP unterworfen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, falls Sie noch auf der Suche nach Gründen dafür sind, warum Sie in den Großstädten keinen Fuß mehr auf den Boden kriegen: Dieser gehört dazu.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Ich halte also fest: Erstens. Durch die Wiedereinführung der Fehlbelegungsabgabe und die Konzentration der bereits vorhandenen Landesmittel ausschließlich auf den sozialen Mietwohnungsbau, wie wir es in unserem Gesetzentwurf verlangt haben, könnten jährlich 1.000 neue Sozialwohnungen errichtet werden.

Zweitens. Wir wollen eine niedrigere Kappungsgrenze für die Mieterhöhungen. Die Bundesgesetzgebung gibt uns diese Möglichkeit. Die Bayerische Staatsregierung, an der Sie sich früher so gerne ausgerichtet haben, hat das übrigens für München bereits beschlossen. Und, das wird Sie jetzt nicht mehr wundern, auch die Frankfurter CDU hat sich dieser Forderung angeschlossen.

Drittens. Die Landesregierung muss endlich wieder zu einer aktiven Wohnungsbau- und Städtepolitik zurückkehren.

Angebot und Nachfrage dürfen bezüglich Mietwohnungen eben nicht dem freien Spiel der Marktkräfte überlassen werden. Deshalb braucht es wieder ein Wohnraumzweckentfremdungsverbot als Option für die Kommunen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weil ich das Kopfschütteln des Kollegen Lenders sehe: Auch diese Forderung an das Land teilt – wundert es Sie noch – die Frankfurter CDU, die CDU in der größten Stadt Hessens,

(Zuruf des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

und zwar deshalb, weil den Städten das Wasser bis zum Halse steht. Nicht ohne Grund ist aktuell das Thema Sozialer Wohnungsbau ein zentrales Thema beim Deutschen Städtetag in Frankfurt.

Statt wirksam zu handeln, endlich die richtigen Instrumente in die Hand zu nehmen und Ihre schweren Versäumnisse aufzuholen, führen Sie hier wieder eine Debatte nach dem Motto „Wenn die Regierung versagt, muss die Opposition zurücktreten“.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Ich muss wirklich sagen: Sie von der Union haben Ihren letzten kompetenten Wohnungspolitiker, Gottfried Milde, an die WI-Bank verloren. „Rette sich, wer kann“ war sein Motto. Er hat es noch rechtzeitig geschafft. Es kommt jetzt darauf an, dass Sie die Bedürfnisse der auf bezahlbaren Wohnraum angewiesenen Menschen nicht aus dem Blick verlieren. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

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