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27.11.2014

Kai Klose: Einrichtung einer Antidiskriminierungsstelle

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit der Einrichtung der Antidiskriminierungsstelle des Landes Hessen wird eines der zentralen gesellschaftspolitischen Vorhaben der neuen Landesregierung Realität.

Die Regierungskoalition aus CDU und GRÜNEN im Hessischen Landtag ist auch angetreten, um aktiv gegen Diskriminierung vorzugehen. Wir treten ein für die Gleichberechtigung, die Gleichstellung und insbesondere die Gleichbehandlung aller. Schon in der Präambel unseres Koalitionsvertrags heißt es:

Wir erkennen die Vielfalt der Gesellschaft in unserem Land an und wollen den Bürgerinnen und Bürgern in ihrer Unterschiedlichkeit gleiche Chancen bieten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wie wichtig uns dieser Bereich ist, zeigt sich nicht nur, aber besonders in der Berufung von Staatssekretär Jo Dreiseitel als Bevollmächtigten für Integration und Antidiskriminierung. Hessen ist außerdem in diesem Jahr mit der Unterschrift des Ministerpräsidenten der Koalition gegen Diskriminierung beigetreten und verpflichtet sich damit auch zu aktivem Handeln. Hessen hat gleichzeitig eine Vielzahl zivilgesellschaftlicher Verbände, die sich bereits seit Jahren in diesem Bereich engagieren. Für diese Arbeit, z. B. im Netzwerk gegen Diskriminierung, möchte ich auch von hier aus herzlichen Dank sagen. Wir wollen das aufnehmen und daran anknüpfen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Mit der Einrichtung der Stelle kommt nun ein weiterer zentraler Baustein schwarz-grüner Antidiskriminierungspolitik hinzu. Die Landesregierung hat bereits im Nachtragshaushalt die Weichen gestellt, damit die vorgesehenen Stellen besetzt werden können und die Arbeit der Antidiskriminierungsstelle Anfang 2015 real beginnen kann. Und ja, auch wir hätten uns gewünscht, dass Hessen eine solche Stelle noch früher einrichtet. Dafür hat es aber ganz offensichtlich erst uns GRÜNE in der Landesregierung gebraucht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Claudia Ravensburg (CDU))

Wir sorgen jetzt in schnellstmöglichem Tempo für echte Hilfe. Übrigens: Sprüche wie der, es sei nur ein Tropfen auf den heißen Stein, verehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD, zeugen da leider nur von Realitätsverweigerung.

Diese Antidiskriminierungsstelle wird im Vergleich der Bundesländer – sowohl was die Stellen als auch was die Sachmittel angeht – eine der am besten ausgestatteten sein. Wenn Sie schon solche Urteile von sich geben, dann werden Sie wenigstens konkret. Flotte Sprüche jedenfalls ersetzen keine Konzepte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, die GRÜNEN haben das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz noch als Teil der rot-grünen Bundesregierung mit auf den Weg gebracht, auch wenn es, als es dann endlich in Kraft trat, durch die damalige Große Koalition wenig sinnvoll an einigen Punkten verändert wurde. Dieses Gesetz hat endlich dafür gesorgt, dass Gerechtigkeit und Diskriminierungsschutz nicht nur in Sonntagsreden gepredigt, sondern in realem politischem Handeln verankert sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Dennoch ist es so, dass Menschen in Deutschland und auch in Hessen diskriminiert werden, jeden Tag, in den verschiedensten Lebensbereichen und aus den verschiedensten sogenannten Gründen. Deshalb hat Ministerpräsident Bouffier für die Koalition bereits in seiner Regierungserklärung zu Beginn der Legislaturperiode festgestellt, dass „eine Politik, die den Menschen die Wahl lässt und Vielfalt als Bereicherung begreift“ einer der Grundpfeiler unserer Politik ist. Diskriminierung, Ausgrenzung und Rassismus haben in Hessen keinen Platz.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade bei der Antidiskriminierungspolitik gehört es auch dazu, ehrlich zu sich selbst zu sein.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Niemand von uns ist frei von Vorurteilen. Wir alle finden andere Menschen manchmal wunderlich und machen uns mitunter über sie lustig. Jemandem, der anders ist, wird das auch zu verstehen gegeben. Zum Teil ist das menschlich. Aber es kann auch Grenzen überschreiten. Es kann fies sein, es kann Menschen in ihrer Würde verletzen. Deshalb ist es auch unsere Aufgabe, das Bewusstsein dafür zu schärfen, Sensibilität dafür zu wecken, sodass jeder achtsamer mit seinen Mitmenschen umgeht, seine Vorurteile hinterfragt und bearbeitet. Auch das ist ein Ziel unserer Antidiskriminierungsstrategie. Auch dazu wird die Arbeit des Bevollmächtigten und der Antidiskriminierungsstelle beitragen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Sie kennen die im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz genannten Merkmale von Diskriminierung: ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion bzw. Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexuelle Identität. Anlass für Diskriminierungen sind also meist Merkmale, die zu einem Menschen gehören, die ihn ausmachen und – Religion oder Weltanschauung möchte ich hier kurz ausklammern – für die er oder sie sich nicht entschieden hat. Es sind unveränderliche Wesensmerkmale seit ihrer Geburt, oder sie passieren ihnen im Laufe des Lebens.

Hinzu kommt leider allzu oft die Erfahrung, dass andere aufgrund genau dieser Merkmale ablehnend reagieren. Das macht wütend, es ist aber auch belastend. Viele Menschen leiden sehr darunter, nicht so akzeptiert zu werden, wie sie sind. Ganz ehrlich: Es ist auch wahnsinnig anstrengend, sich immer wieder dafür rechtfertigen zu müssen, wer man ist. Es ist anstrengend, und es ist herabwürdigend.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns Diskriminierungen in diesem Land entschieden entgegenstellen. Diskriminierungen treten – das zeigt die aktuelle Forschung – häufig mehrdimensional auf. Beispielsweise haben es behinderte Frauen in verschiedenen Bereichen nachweislich besonders schwer. Homosexuelle, die aus einem anderen Kulturkreis stammen, stehen unter einem besonderen sozialen Druck. Insbesondere im beschriebenen zwischenmenschlichen und persönlichen Bereich ist und bleibt es Aufgabe der gesamten Gesellschaft, Diskriminierung und Rassismus jeder Art entgegenzutreten. Mit den Angeboten, die die Antidiskriminierungsstelle macht – Öffentlichkeitsarbeit, Prävention, Vernetzung –, kann sie direkt in die Gesellschaft hineinwirken.

Dazu kommen strukturelle und institutionelle Diskriminierungen. Hier sind wir als Politik gefordert, Hürden und Benachteiligungen zu verringern und zu beseitigen. Ich will beispielhaft ein paar wenige Fälle aufzeigen. Ganz augenfällig wird es bei der Entgeltungleichheit von Frauen und Männern trotz gleicher Aufgaben und Qualifikationen. Das ist ein Paradebeispiel für eine nicht nachvollziehbare, aber belegbare strukturelle Benachteiligung. Die Suche nach barrierefreiem Wohnraum kann für ältere und behinderte Menschen mit starken Benachteiligungen verbunden sein. Auch Menschen mit Migrationshintergrund machen die Erfahrung, dass die Wohnraumsuche nicht immer diskriminierungsfrei vonstattengeht.

Wenn man darüber nachdenkt, dass eine Sendung des Hessischen Rundfunks zum Thema Toleranz kürzlich mit folgender Frage angekündigt wurde: „Ist sich das knutschende schwule Paar in der U‑Bahn eigentlich bewusst, wie viel Toleranz es seinen Mitreisenden abverlangt?“, dann zeigt das, wie weit wir noch von Diskriminierungsfreiheit entfernt sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU, der SPD und der LINKEN)

Denn dort hat sich offensichtlich niemand die Frage gestellt, wie viele schwule oder lesbische Paare schon Beschimpfungen oder sogar Gewalt ausgesetzt waren, wenn sie überhaupt den Mut aufgebracht haben, sich öffentlich zu küssen oder auch nur an der Hand zu halten.

Meine Damen und Herren, Sie sehen auch an diesen Beispielen, wie wichtig die Arbeit der Antidiskriminierungsstelle ist. Sie wird unbürokratische, schnelle Hilfe für betroffene Personen gewährleisten und dafür sorgen, dass die Betroffenen im Falle einer Diskriminierung über ihre Rechte und deren Durchsetzungsmöglichkeiten informiert werden.

Ich bin fest davon überzeugt, dass die Antidiskriminierungsstelle zu mehr Gerechtigkeit, mehr Akzeptanz und mehr Gleichbehandlung beitragen wird. Ich möchte deshalb an Sie alle appellieren, diese wichtige neue Institution für unser Land im Interesse der betroffenen Menschen wohlwollend zu begleiten. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Wolfgang Greilich:

Vielen Dank, Herr Kollege Klose.

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