Inhalt

14.05.2009

Frank Kaufmann zum Thema Nordwest-Landebahn - Spatenstich für neue Arbeitsplätze und die Zukunft in Hessen

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Augenzeugen berichten von einem ziemlich merkwürdigen, geradezu okkulten Ereignis,

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

welches am letzten Freitag vormittags in der Gemarkung der Stadt Kelsterbach stattgefunden hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Drei Herren in Schwarz und eine Dame in Rosé gekleidet, so entnimmt man es den Gazetten, trafen sich zusammen mit etwa 100 Gleichgesinnten, überwiegend Würdenträgern – auch welcher aus der SPD, wie wir gerade gehört haben –, trotz feuchten Wetters unter freiem Himmel, und zwar auf einer Fläche, auf der vor Kurzem noch gesunder, wertvoller Wald gestanden hat, der über eine üppige Fauna verfügte, der aber speziell für dieses Ereignis und des sich dem Ereignis anschließenden Picknicks abgeholzt und planiert wurde, um am Ort dieses Waldfrevels von den vier genannten und den weiteren schon erwähnten Würdenträgern in bester Stimmung und mithilfe von vergoldeten Spaten schwungvoll, zuvor dorthin angekarrten und ausgebreiteten Bausand, unter heftigem Blitzlichtgewitter der Pressefotografen, in die Luft zu werfen. So hat es ausgesehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Heiterkeit bei der SPD)

Meine Damen und Herren, weitere und ebenfalls rund 100, allerdings Andersgesinnte

(Zuruf von der CDU)

wurden zur selben Zeit durch mehrere Hundert Polizeibeamte davon abgehalten, am fröhlichen Sandwerfen teilzunehmen.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie wurden ausgesperrt, um die schöne, neue virtuelle Parallelwelt der Luftverkehrswirtschaft nicht zu stören. Ich sage von hier aus: Sie sollten sich darüber nicht grämen, dass Sie ausgesperrt waren. Sie konnten immerhin mit beiden Beinen auf dem Boden der Realität stehen bleiben und mussten nicht abheben wie diese strahlende Festgesellschaft beim Graben.

Meine Damen und Herren, den virtuellen Teil dieser Ereignisse haben CDU und FDP zum Gegenstand einer Aktuellen Stunde gemacht. Ich sage, Sie hätten lieber über die Realitäten sprechen sollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Meine Damen und Herren, doch von der Realität wollen Sie offensichtlich nicht viel wissen. Die Wirklichkeit, das sind die Kurzarbeiter im Cargo-Bereich bei Fraport und weiteren Luftfrachtfirmen. Die Wirklichkeit, das sind ebenso Zehntausende von abgehackten Bäumen, zerstörten Biotopen und vernichteten Ökosystemen. Die Wirklichkeit, das sind auch die nicht ausgenutzten Slots und die mangels Nachfrage nicht stattfinden Flüge, nicht nur bei der Lufthansa. Die Wirklichkeit, das ist der Streit der Luftverkehrsunternehmen von ihrer Slot-Bedienungspflicht erlöst zu werden und weniger als 80 Prozent – noch nicht einmal dreiviertel – der geplanten Flüge durchführen zu müssen, aber die Rechte natürlich behalten zu dürfen.

Die Wirklichkeit, das ist zurzeit natürlich auch, höchstens eine vorläufige rechtliche Grundlage für die Aktivitäten im Wald zu haben. Die Wirklichkeit, das ist auch ein Rückgang der Passagierzahlen in Frankfurt in den ersten vier Monaten dieses Jahres in Höhe von 9,2 Prozent. Die Wirklichkeit, das ist ein Rückgang der Luftfracht um 23,9 Prozent im selben Zeitraum. Die Wirklichkeit, das ist schließlich auch der aktuelle Börsenwert der Fraport AG, der zurzeit deutlich unter dem Ausgabekurs beim Börsengang liegt und einen Gesamtbörsenwert von Fraport signalisiert, der nur noch ca. die Hälfte der angegebenen Kosten des Ausbaus abdeckt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Meine Damen und Herren, nicht die Wirklichkeit, sondern das Wunschdenken sind hier die Auslassungen der Antragsteller gewesen – wir haben es auch gehört –, wie auch die von Wilhelm Bender, der davon schwärmt, alles sei nur eine kleine Beule in der Entwicklung, und alles werde wieder so werden.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, ich erinnere Sie daran, was der Finanzminister bei der Einbringung unseres Haushalts 2009 hier vorgetragen hat. Er sagte nämlich: Wer in diesen Tagen antritt und erklärt, er wisse, wie alles zu laufen habe und könne voraussehen, wie alles laufen werde, der belüge die Menschen.

Meine Damen und Herren, machen Sie sich einmal Gedanken darüber, wer im ehemaligen Kelsterbacher Wald die Menschen belogen hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Festgesellschaft, die bei der Vernichtung des Waldes dabei war, weil es ihnen nicht schnell genug gehen konnte, dass endlich Beton in die Landschaft geschüttet wird, obwohl sich juristisch kein fester Boden unter ihnen befindet. Das ist schlimm.

(Florian Rentsch (FDP): Was? Das gibt es gar nicht!)

Das Schlimme an diesem freitäglichen Mummenschanz aber ist neben der Vernichtung des Waldes vor allem der Betrug an den Menschen, vor allem an denjenigen, die rund um den Flughafen leben und täglich oder lieber noch nächtlich den wachsenden Fluglärm ertragen müssen. Das Nachtflugverbot war und ist versprochen. Die Fraport hat es einst selbst beantragt. Der VGH hat darauf hingewiesen, dass es rechtlich durchsetzbar wäre. Aber die Spatenschwinger vom letzten Freitag, nämlich Koch, Weimar und Bender, weigern sich, ihr Versprechen einzulösen.

Vizepräsident Frank Lortz:

Herr Kollege Kaufmann, Sie müssen zum Schluss kommen.

Frank-Peter Kaufmann:

Mein letzter Satz, Herr Präsident. Die Jubelarien über die Waldvernichtung sollten Sie besser lassen und stattdessen das Nachtflugverbot endlich durchsetzen. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)