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09.07.2009

Frank Kaufmann zu Sicherung des Nachtflugverbots

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Herren von der FDP, insbesondere Herr Kollege Müller (Heidenrod), lassen Sie doch die Ente zu Wasser

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

und regen Sie sich nicht an einer völlig falschen Stelle auf, wenn wir hier über den Flughafen reden.

Es ist sicherlich richtig, dass die Anträge, die heute zu dem Tagesordnungspunkt zusammengefasst sind, nicht so ganz und optimal zusammenpassen. Dennoch kann man sie unter einem Tenor abhandeln, und das ist die Frage: Was bedeutet eigentlich der Ausbau?

Wir GRÜNE – damit sage ich nichts Neues – halten den Ausbau für falsch, für unverantwortbar und nur aufgrund von Wortbrüchen überhaupt so weit durchgesetzt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Deswegen schauen wir aktuell auf den Prozess in Kassel, der bezüglich der mündlichen Verhandlung abgeschlossen ist. Auf das Urteil warten wir noch. Ich will Ihnen einige wenige Punkte, die in den Beschlussvorlagen und Anträgen stehen, referieren.

Thema Fluglärm. Wenn der Prozesssachbeistand von Fraport in der Diskussion über Fluglärm vor dem VGH erklärt, es sei völlig egal, ob man als Grenzwert 40 oder 50 dB für Schulklassen berücksichtige, weil da eh immer 85 dB Krach seien, dann zeigt das, inwieweit Fraport sich mit Lärmreduzierung ernsthaft befasst, nämlich gar nicht.

Zum Thema Nachtflugverbot liest man ganz aktuell im Politbrief der Lufthansa vom Juni 2009 – der ist erst vor wenigen Tagen herausgekommen –:

Im europäischen Vergleich ist FRA

– damit ist Frankfurt gemeint –

bei Nachtflügen heute bereits abgeschlagen. Das drohende Nachtflugverbot gefährdet das gesamte Frachtdrehkreuz in Frankfurt.

Im Geschäftsbericht von Fraport wird das Nachtflugverbot unter dem Begriff Risiken ebenfalls erwähnt, und zwar unter kritischen Gesichtspunkten. Dazu kann ich doch nur anmerken: Es war völlig richtig, dass SPD und GRÜNE im letzten Jahr gesagt haben, das Nachtflugverbot muss in einem ergänzenden Verfahren zum Planfeststellungsverfahren durchgesetzt werden.

Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Da ich niemanden von Ihnen in Kassel gesehen habe, erzähle ich es Ihnen hier noch einmal. Das Urteil ist zwar noch nicht gesprochen, das stimmt, doch der Vorsitzende des Gerichts hat wörtlich gesagt: Wir entscheiden aufgrund der Verhandlung, aber wir stehen in der Tradition unserer Gedanken. – Zu den Gedanken gehört der Beschluss vom Januar. Dort ist nachzulesen:

In der Zulassung von 17 planmäßigen Flügen in der Kernzeit der Nacht dürfte nach allem ein Abwägungsfehler liegen, der sich voraussichtlich auch als erheblich erweisen wird.

Ein wenig weiter heißt es in dem gleichen Beschluss:

Dieser Mangel kann in einem ergänzenden Planfeststellungsverfahren ausgeräumt werden.

Meine Damen und Herren, ich habe vorhin gesagt, was wir im letzten Herbst gemeinsam vorhatten. Ich habe noch gut in Erinnerung, wie Sie – damit meine ich die Ausbaubefürworter –, die Fraport-Spitze und wer weiß noch geschrien haben, das Abendland gehe unter.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Ich halte fest, in der rechtlichen Einschätzung lagen wir den Realitäten offensichtlich wesentlich näher als Sie, verehrter Herr Kollege Müller.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich komme zum dritten aktuellen Punkt, zu den Finanzen. Ich gebe zu, dass es den LINKEN schwer fällt, sich ausgerechnet auf das wackelige Gebiet der Kapitalisierung von Aktiengesellschaften zu wagen.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Lieber Herr Kollege Schaus, das ist Ihnen auch nicht ganz gelungen.

(Zuruf des Abg. Günter Schork (CDU))

– Das war freundlich ausgedrückt, Herr Kollege Schork. – Die Firma Fraport war, was die Landesanteile, also unseren Besitz, angeht, am 31. Dezember 2007 1.557 Millionen Euro, also 1,5 Milliarden Euro wert. Ein Jahr später, am 31. Dezember 2008, waren es noch 895 Millionen Euro. Das heißt, wir haben 662 Millionen Euro allein dadurch verloren, dass der Aktienkurs gesunken ist. Insoweit können Sie auch leicht feststellen, wie hoch das Risiko ist – damit wird der Antrag der LINKEN völlig überflüssig –: Das Risiko für das Land ist der restliche Wert des Aktienbesitzes.

(Heiterkeit)

Das ist bei Aktiengesellschaften so üblich. Wenn die Firma pleitegeht, ist der Wert weg. Am 31. Dezember 2008 waren es also 895 Millionen Euro. Dass der Aufwand des Landes bei einem Ausbau sehr viel höher werden wird, obwohl die Luftverkehrswirtschaft und Fraport immer erklären, sie würden alles selber zahlen, wissen wir schon allein daher, wenn wir uns anschauen, was im Rahmen des Raumordnungsverfahrens an landseitigen Verkehrsanbindungen als unbedingt notwendig erachtet worden ist, um nur einmal diesen Aspekt zu nennen.

Der nächste Punkt, auf den einzugehen wäre – der Kollege Schaus hat das schon getan –: die Verkehrszahlen im ersten Quartal. Die Zahlen für das zweite Quartal liegen leider noch nicht vor. Die Zahlen des ersten Quartals: Passagiere minus 10,9 Prozent. Fracht minus 23,5 Prozent. Der Sitzladefaktor ist um 11 Prozent gesunken. Das heißt, die Maschinen sind weniger voll – und all das, obwohl die EU die Sondergenehmigung erteilt hat, dass die Slots derzeit nur zu 80 Prozent genutzt werden müssen. Das heißt, die Luftverkehrsbranche ist zurzeit in einer Krise, wenn nicht gar notleidend.

Jetzt werden Sie sagen, es wird sich alles wieder geben. Ich erinnere Sie aber daran, dass der Finanzminister im Zusammenhang mit der Krise uns allen erklärt hat: Wer jetzt glaubt, er wisse, wie alles ausgeht und wie alles werden wird, der betrügt die Menschen; er weiß es nämlich nicht, weil wir eine Krise dieser Qualität noch nicht hatten. – Herr Weimar ist Aufsichtsratsvorsitzender von Fraport. Deshalb müsste diese Aussage auch für seine „Firma“ gelten. Das heißt, es ist keineswegs prognostizierbar, ob das, was in der Vergangenheit beobachtet wurde, ohne weiteres wieder so wird. Der Flughafenausbau ist und bleibt also ein Hochrisikoprojekt, vor allem auch ökonomisch. Aber auch das erzähle ich heute nicht zum ersten Mal. Das sagen wir Ihnen seit Jahren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen wende ich mich an die Freundinnen und Freunde auch von der SPD: Das, was bei den Bodenverkehrsdiensten im Augenblick diskutiert wird, ist seit Jahren prognostiziert worden. Wir haben mehrfach gewarnt. Am Ende müssen die Beschäftigten die Zeche mitbezahlen.

(Widerspruch bei der CDU)

Um den LINKEN noch einen freundlichen Tipp zu geben: Schauen Sie in den Geschäftsbericht von Fraport, da finden Sie Einiges, auch was die Finanzierung angeht. Dann hätten Sie Ihre Anträge nicht zu stellen brauchen. Da finden Sie alles beantwortet.

Auch wenn Vorsorge getroffen worden ist – zumindest heißt es so im Geschäftsbericht –, was die Finanzierung angeht, sprich: was die Kreditsicherung angeht, bezahlt werden muss es trotzdem. Mittlerweile sind laut Geschäftsbericht bereits rund 1,2 Milliarden Euro investiert worden. Die Frage ist: Bleiben diese Investition werthaltig, wenn der Ausbau am Ende doch nicht so kommt?

Lieber Herr Kollege Schaus: Es ist ja ganz nett, im Wald Holzhütten hoch- und herunterzuziehen, am Ende ist Ihr Versuch aber eher gescheitert, sich glaubwürdig als jemand zu präsentieren, der von Anfang an gegen den Flughafenausbau gekämpft hat. Wir von den GRÜNEN sind diejenigen, die immer und auf allen Ebenen klar die Position bezogen haben, der Flughafenausbau ist nicht verantwortbar. Er schädigt die Umwelt, und er hilft den Menschen nicht weiter. In Zeiten wie diesen, sehr verehrter Herr Finanzminister, wird das mehr denn je deutlich.

Von daher gesehen ist unsere Position ganz klar. Wir werden die Anträge der LINKEN ablehnen. Wir werden weiterhin gegen den Flughafenausbau kämpfen, aber wir tun das nicht mit völlig untauglichen Mitteln, völlig dusseligen Anträgen. Damit kann man der Sache nicht ernsthaft zu Leibe rücken, sondern man schlägt nur Schaum. Das hilft den Menschen in der Region nicht weiter. Den Menschen würde es weiterhelfen, wenn das Nachtflugverbot endlich durchgesetzt würde. Das ist der Punkt, um den es jetzt an erster Stelle zu kämpfen geht, neben anderen prozessualen Fragen. „Nachtflugverbot jetzt!“, das ist die Forderung der Zeit. – Vielen Dank.