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16.10.2014

Frank Kaufmann: Terminal 3 am Frankfurter Flughafen: Vorhaben kritisch prüfen

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gebe zu, ein bisschen vor einem Dilemma zu stehen, weil die Kollegin Wissler den großen Rundumschlag mit der dringenden Bitte geführt hat, dass die GRÜNEN doch unbedingt ihr Wahlprogramm einhalten mögen.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Ich weiß gar nicht, was Sie für ein Interesse daran haben. Aber bei dieser Gelegenheit haben Sie vielleicht vergessen, sich zwei Dinge klarzumachen: Erstens das Wahlergebnis vom 22. September 2014 und zweitens der sich daraus ergeben habende Koalitionsvertrag, und genau der ist die politische Grundlage für das, was wir jetzt hier tun.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Der zweite Teil des Dilemmas hat ein bisschen mit dem zu tun, was der Kollege Rentsch hier vorgetragen hat. Der Kollege Arnold hat es schon erwähnt: Da kam der Flughafen sozusagen ganz am Schluss vor, es gab eher eine globale, aus einer sehr einseitigen neoliberalen Wirtschaftsperspektive formulierte Gesamtkritik, aber auch mehr an der Bundes-, denn an der hessischen Landespolitik, Stichwort Energiewende, Mindestlohn und was Sie noch alles so dahergebetet haben. Das hat mit dem Thema, das auf der Tagesordnung steht und übrigens von Ihnen vorgegeben wurde, nämlich das Terminal 3 – es tut mir leid, das festzustellen, Herr Kollege Rentsch –, vergleichsweise wenig zu tun.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Versuch, das hinterher einzubinden, na ja, der scheint mir auch nicht ganz gelungen zu sein.

Ich hatte eher den Eindruck, Sie wollten das, was Sie bereits im Sommerinterview so schön mit dem Hessischen Rundfunk so schön dargestellt haben, nämlich den grünen Teufel, hier noch einmal wiederbeleben.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Sie haben der CDU ja immer wieder drohend vorgehalten, wie schlimm es doch sei, dass sie sich mit uns verbunden hat.

Dazu kann ich nur sagen: Bei dieser Auseinandersetzung werden die Schwarzen gegen Sie gewinnen, und zwar genau deshalb, weil sie sich mit den grünen Teufeln verbunden haben, weil es nämlich einen gemeinsamen, klugen, wohl durchdachten Koalitionsvertrag gibt, den wir gemeinsam erarbeitet haben

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

und der genau die Flughafenfrage, die Probleme auf die Zukunft gerichtet anpackt und mir Perspektive löst. Insoweit ist das wohl eher eine sinnvolle Vorgehensweise.

Da der Kollege Rentsch es so vergessen hat, sollte man ihm doch noch einmal die Nachhilfe angedeihen lassen und aus dem Koalitionsvertrag die auf das Terminal 3 bezogene Passage zitieren. Der Kollege Arnold hat ja die generellen Aussagen schon in die Debatte eingeführt. Also, Kollege Rentsch, Zeile 3.127 ff. Dort lesen Sie unter der Überschrift „Terminal 3“:

Angesichts eines Investitionsvolumens von über 2 Milliarden Euro, der damit verbundenen erheblichen ökonomischen Herausforderungen für die Fraport AG und der vorhandenen Sorgen über die Auswirkungen des geplanten Baus eines dritten Terminals auf die Rhein-Main-Region halten die Koalitionspartner eine Bedarfsprüfung des Bauvorhabens für erforderlich. Vor diesem Hintergrund spricht sich das Land Hessen als Miteigentümer der Fraport dafür aus, auf möglicherweise steigende Fluggastzahlen solange wie möglich mit ökonomisch vertretbaren und für die Region verträglicheren Alternativen zum Bau des Terminals 3 zu reagieren.

Meine Damen und Herren, genau das, was vereinbart ist, wird jetzt bearbeitet.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich denke, es haben alle mitbekommen, dass sich Fraport öffentlich dazu geäußert und Materialien präsentiert hat, die aus Sicht der Unternehmensführung die Notwendigkeit des geplanten Baus des Terminals begründen. Gemäß unsrem Vertrag, ich zitierte es, findet jetzt die vereinbarte Prüfung statt, bei der die unterschiedlichen Aspekte unter die Lupe zu nehmen sind. Zum einen müssen die vorgelegten Bedarfsprognosen kritisch gewürdigt werden, zum anderen stellt sich die Frage nach Alternativen in konzeptioneller und baulicher Hinsicht. Auf der Tagesordnung stehen selbstverständlich auch die ökonomischen Bewertungen, die wir im Übrigen für unverzichtbar halten.

Meine Damen und Herren, unter vernünftigen Menschen sollte dieses Vorgehen eigentlich unstrittig sein. Indes: Gucken Sie noch einmal in den Antrag der FDP hinein, die weiß es natürlich besser und verkündet, von Sachverstand relativ ungetrübt, bereits ein abgeschlossenes Vorurteil, nämlich: Wir sollen dem alle folgen, und was er gern möchte, hat uns der Kollege Rentsch bereits vorhin erzählt. – Herr Kollege Rentsch, meine Herren und Frau Kollegin Beer von der FDP: Wäre nicht etwas mehr kritischer Geist angezeigt, oder sind Sie wirklich so blind, gar keine Ungereimtheit in den Fraport-Unterlagen zu sehen?

Meine Damen und Herren, ich kann, werde und will nicht das gelbe Vorurteil durch ein teuflisch grünes ersetzen. Aber ich kann auch nicht umhin, Ihnen ein paar Fakten zu nennen und Sie daran zu erinnern – Frau Kollegin Wissler hat es bereits angesprochen, ich konkretisiere es noch einmal –, dass die jetzt vorgelegte Bedarfsprognose, die von der Firma Intraplan erarbeitet worden ist, für das Jahr 2020 als neue Bedarfszahl von 229.000 Flugbewegungen jährlich ausgeht.

Bei der Prognose, die von dem gleichen Prognostiker von der Firma Intraplan erstellt wurde, die mit dem Ausbauantrag im Jahr 2007 eingereicht wurde und ihm zugrunde gelegen hat, waren dies noch 701.000 Flugbewegungen pro Jahr als Zielzahl für 2020. Die Prognostiker haben sich also nach aktueller Erkenntnis

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

bei der zentralen Begründung für die Ausbaunotwendigkeit um mehr als 300 Prozent geirrt.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Steigerungsrate ist viermal so groß eingeschätzt worden, als sie sich jetzt darstellt. Das soll immer noch kein Grund sein, die aktuellen Daten einer intensiven Qualitätssicherung zu unterziehen? Meine Damen und Herren, solche Ignoranz erleben wir glücklicherweise nur bei der FDP. Ansonsten hat sie aber auch nichts anderes mehr.

Wir jedenfalls würden auf der Grundlage der aktuellen Interplan-Prognose feststellen müssen, dass bei entsprechender Extrapolation unter Ceteris-Paribus-Bedingungen die Zahl der Flugbewegungen, die im Planfeststellungsbeschluss mit 701.000 verankert ist und damit eine rechtliche Bedeutung erlangt hat, keineswegs im Jahr 2020, sondern erst nach dem Jahr 2040 erreicht werden würde. Da stellt sich schon die Frage: Handelt es sich damit um eine unzulässige Vorratsplanung?

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Allemal – das soll es noch einmal unterstreichen – ist eine kritische Bedarfsprüfung wirklich unverzichtbar.

Meine Damen und Herren, wir sollten obendrein nicht vergessen, dass der Flughafen Frankfurt im Zusammenhang mit Terminalbau schon einmal in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist. Das war noch zu Zeiten der FAG, der Flughafen Aktiengesellschaft, als die Fehlplanungen rund um das Terminal 2 eine wirtschaftliche Schieflage verursachten. Die falsche Konzeption des Baus, gepaart mit der Fertigstellung zum falschen Zeitpunkt, schuf den damaligen drei Eigentümern – das waren der Bund, das Land Hessen und die Stadt Frankfurt – erhebliche Probleme.

Deshalb kommt es nicht von ungefähr, dass im Koalitionsvertrag im Zusammenhang mit Terminal 3 von den ökonomischen Herausforderungen die Rede ist, für die sich der größte Einzeleigentümer, das Land Hessen, nun wahrlich interessieren muss, auch wenn der Kollege Rentsch der Meinung ist, man sollte es lieber bleiben lassen.

Meine Damen und Herren, was die konzeptionellen Aspekte angeht, so bestehen auch aktuell offene Fragen zum Terminal 3. Im Planfeststellungsbeschluss von 2007, der die planungsrechtliche Voraussetzung der Baugenehmigung darstellt – das wissen wir –, wird von einer Nutzung des geplanten Terminals 3 zu ca. 50 % durch Lufthansa und die Star Alliance ausgegangen. In einem relativ aktuellen Analystenreport von der Hongkong and Shanghai Banking Cooperation vom Mai dieses Jahres ist dagegen die Rede davon, dass Lufthansa überhaupt nicht nach Terminal 3 gehen wolle, sondern sich im Terminal 1 in Richtung Terminal 2 ausdehnen soll.

Da stellt sich die einfache Frage: Was soll nun abschließend gelten, und welche Konsequenzen hat das? Diese Frage ist bislang unbeantwortet, aber das wird durchaus relevante Auswirkungen haben, z. B. auf den Kapazitätsbedarf einzelner Einrichtungen, welche Airlines in dem Terminal abgefertigt werden und welche Konfiguration dort betrieben werden soll. Insofern sind auch hier jede Menge offene Fragen.

Meine Damen und Herren, kommen wir zu den baulichen Alternativen, die im Koalitionsvertrag genannt sind, die auch schon angesprochen waren. Die ausführliche Prüfung der Alternativen hat die Fraport bei der Präsentation auf zwei DIN-A4-Seiten abgehandelt. Ich erlaube mir, die Anmerkung zu machen: Eine ganz ausführliche Prüfung sehe ich in dieser Darstellung noch nicht, sodass man hier sicherlich noch nachfragen muss.

Ich denke, dies alles wird jetzt geschehen. Das ist angekündigt und steht bei uns im Antrag, nicht etwa, Herr Kollege Rentsch, weil es Teufelszeug von den GRÜNEN wäre, sondern weil es aus unserer Sicht als Aufgabe des Landes Hessen unverzichtbar ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Deswegen möchte ich abschließend, vielleicht um die Teufelsängstigen ein bisschen zu beruhigen, Ihnen raten, bei Goethe nachzuschlagen. In der Studierzimmerszene sagt der Teufel, er sei „ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft“. – Herr Kollege Rentsch, wir grünen Teufel nehmen in diesem Pakt, dem Pakt mit der CDU, dies gerne für uns in Anspruch. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): Ist das der Pakt mit dem Teufel? – Günter Rudolph (SPD): Da fällt einem nichts mehr zu ein!)

Vizepräsident Wolfgang Greilich:

Vielen Dank, Herr Kollege Kaufmann.