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12.03.2014

Frank Kaufmann: „Nachtruhe“ am Frankfurter Flughafen

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! So sehr die von der SPD-Fraktion mit ihrem heutigen Setzpunkt initiierte Flughafendebatte letztendlich offenhält, welche Botschaft von den Sozialdemokraten damit eigentlich gesendet wird, so dankbar bin ich doch dafür, Herr Kollege Weiß und Ihnen allen von der Sozialdemokratie, dass wir auf diese Weise Gelegenheit bekommen, die Ziele des Koalitionsvertrags und unsere Position hier noch einmal zu unterstreichen.

Der Herr Verkehrsminister hat Ihre Fragen schon beantwortet. Trotzdem will auch ich mich noch ein bisschen mit den Anträgen der Opposition befassen.

Das große Rätsel in Sachen Flughafenpolitik gibt uns – ich muss es leider so sagen –, die SPD auf, und die Frage wird immer drängender: Was wollen die Sozialdemokraten eigentlich?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich versuche mich jetzt einmal an der Klärung dieser Frage. Die Spurensuche beginnt im Regierungsprogramm der SPD. Dort lesen wir – ich zitiere –:

Wir halten an der strikten Einhaltung der Nachtruhe in der sogenannten Mediationsnacht fest.

Dazu sage ich: sehr gut. Die Mediationsnacht ist uns GRÜNEN zwar erheblich zu kurz, aber darauf kann man wenigstens aufbauen. Ich halte außerdem fest: Die hessische SPD versammelt sich hinter Ihrem Landesvorsitzenden, dem Kollegen Thorsten Schäfer-Gümbel, als einem Verteidiger des Nachtflugverbots.

Gleichzeitig müssen wir aber registrieren, dass in dem in Berlin geschlossenen Koalitionsvertrag, den der Herr Kollege Schäfer-Gümbel leitend mit verhandelt hat, folgende Aussage zu finden ist – ich zitiere –:

Generelle Betriebsbeschränkungen mit einem Nachtflugverbot lehnen wir ab.

Die Einhaltung der Nachtruhe wird von Ihnen also gleich wieder infrage gestellt. Deswegen darf man hier schon und erneut die Sorge darüber äußern, was die SPD denn eigentlich will.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Weiß, wie war das? Sie haben hier „klare Ziele statt Schaufensterpolitik“ gefordert. Wie sieht es denn bei Ihnen aus? Deshalb schauen wir noch einmal in das Regierungsprogramm der SPD. Ich zitiere:

Deshalb müssen schnellstmöglich weitere Entlastungsmöglichkeiten durch ein wirkliches Anschwellen zwischen 5 und 6 Uhr sowie Abschwellen zwischen 22 und 23 Uhr …

– jetzt mache ich einen kleinen Sprung in diesem Satz –

sowie eine konzentrierte Nutzung des Bahnsystems (Lärmpausen) konsequent genutzt werden.

Meine Damen und Herren, es ist ausdrücklich zu begrüßen, dass wir hier offensichtlich die gleichen Ziele finden, die wir auch in der Koalition formuliert haben. Dann betrübt es uns allerdings doch sehr, dass Sie genau an diesem Punkt heute nichts weiter zu bieten hatten als Fragen. Wenn Sie das als Programmaussage so formulieren, würde man nämlich die Erwartung hegen dürfen, dass wenigstens die eine oder andere, zunächst kleine Idee dahinter steht, die Sie uns sagen könnten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Das ist aber nicht der Fall. Es blieb bei den Fragen. Ich hoffe deswegen, dass Ihnen die Aussagen des Verkehrsministers ein bisschen auf die Sprünge geholfen haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion, wenn Sie von der Landesregierung, die heute exakt 53 Tage im Amt ist, fertige Antworten zu konzeptionellen Details der Lärmpause fordern, dann sollten Sie sich wenigstens verkneifen, gleich darüber zu spekulieren, was wäre, wenn irgendetwas nicht klappen sollte.

Wir GRÜNE als Teil der Koalition sind auf jeden Fall auf weniger Fluglärm für mehr Menschen im Rhein-Main-Gebiet programmiert. Das gilt auch für die CDU, wie wir gehört haben. Damit sind wir gemeinsam auf Erfolgskurs. Da die Regierung – und in dieser insbesondere der Verkehrsminister, wie ich weiß und wie er uns auch eben dargestellt hat – konzentriert an dieser Aufgabe arbeitet, der Minister bereits eine Vielzahl an Terminen dazu absolviert hat, sind die im Antrag der SPD-Fraktion formulierten Befürchtungen schlicht absurd.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Deswegen spreche ich die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten noch einmal an: Kommen Sie bitte endlich aus Traumatien zurück, auch wenn Sie bei der Regierungsbildung den Kürzeren gezogen haben.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Überwinden Sie Ihre Schmerzen, und machen Sie wieder in der hessischen Politik mit. Gerade das Thema Lärmschutz rund um den Flughafen und ebenso die Problematik des Verkehrslärms insgesamt verdienen es doch, dass wir möglichst gemeinsam dafür arbeiten, die Lärmbelastungen zu reduzieren.

Ich möchte jetzt noch einmal kurz auf die FDP eingehen. Es würde sich beinahe nicht lohnen, über das zu reden, was Sie – mit gespielter Sorge und von Ideologie triefend, allerdings von Sachkunde völlig frei – in Ihrem Antrag formuliert haben. Aber ich möchte Sie auf einen Widerspruch hinweisen.

Herr Kollege Rentsch, Sie bekennen sich in Nummer 1 Ihres Antrags zur Umsetzung des Ergebnisses des Mediationsverfahrens. In Nummer 4 – derselbe Antrag, derselbe Text – greifen Sie die geplanten Lärmobergrenzen an. Man könnte auch sagen, Sie verteufeln sie. Dabei übersehen Sie im Eifer, dass genau die Lärmobergrenzen, die essentieller Bestandteil des Mediationsergebnisses sind, im Anti-Lärm-Pakt an erster Stelle gefordert werden. Herr Kollege Rentsch, wäre es nicht sinnvoll, dass Sie sich beim nächsten Mal vor einer Antragsformulierung erst sachkundig machen?

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wissen nämlich – da darf ich den Ministerpräsidenten zitieren –: Vertiefte Sachkenntnis hindert die muntere Debatte. – Aber manchmal hilft sie in der Sache tatsächlich weiter.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Schon während der Koalitionsverhandlungen zwischen der CDU und den GRÜNEN in der letzten Adventszeit wurde immer wieder die Frage gestellt, wie ausgerechnet in der Problematik des Flughafens Schwarz und Grün als politisch entgegengesetzte Lager zusammenkommen könnten. Ich sage Ihnen jetzt, die Antwort war am Ende relativ einfach: Ohne ihnen zuzustimmen, respektieren wir gegenseitig unsere Auffassungen zum Flughafenausbau, und wir klären auf dieser Grundlage, was wir in Richtung Zukunft gemeinsam für Fluglärmschutz und Lebensqualität in der Nachbarschaft des Flughafens tun können.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Genau das machen wir. Deswegen wird die Ambivalenz der Bedeutung des Flughafens als Wirtschaftsfaktor einerseits und als Belastungsquelle andererseits in der Koalitionsvereinbarung thematisiert. Damit bildet genau dieses Spannungsverhältnis auch ein Stück Grundlage für die Flughafenpolitik. Man muss natürlich immer beide Seiten im Auge behalten.

Ziel der Politik ist demgemäß, die Wettbewerbsfähigkeit des Flughafens zu erhalten, seine wirtschaftliche Entwicklung aber nicht als alleinigen Maßstab anzusehen. Die vom Betrieb des Flughafens ausgehenden Belastungen wollen wir nämlich gemeinsam so rasch und wirksam wie möglich verringern. Das steht in der Vereinbarung, und genau daran arbeiten wir. Deswegen kann man Sie eigentlich nur einladen: Lassen Sie die Regierungsfraktionen in dieser Arbeit nicht allein, wenn es Ihnen um die Sache geht, sondern machen Sie doch dabei bitte mit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Konkret zum Thema Nachtruhe möchte ich – vielleicht, wenn Sie so wollen, aus pädagogischen Gründen; im Prinzip hat der Verkehrsminister das alles schon dargestellt –: Die Koalitionsvereinbarung bedeutet, dass die Dauer der Nachtruhe für die unter den Flugrouten lebenden Menschen auf durchschnittlich sieben Stunden verlängert wird, indem die Nutzung der einzelnen Bahnen in den Nachtrandstunden entsprechend gesteuert wird.

Das generelle Ziel ist dabei, dass alle rund um den Flughafen wohnenden und nachts sicherlich auch schlafenden Menschen sieben Stunden Nachtruhe in jeder Nacht haben. Diese Regel soll, wenn es irgendwie geht, am besten gar nicht und ansonsten nur in besonderen Ausnahmefällen gebrochen werden. Sie soll auch ähnlich verlässlich sein wie das Nachtflugverbot, das wir mittlerweile – wie wir gehört haben – relativ gut umgesetzt haben.

Ich als GRÜNER sage dazu ganz bewusst für mich und in Richtung der LINKEN: Für mich ist die Verlängerung der Nachtruhe von sechs auf sieben Stunden ein wichtiger Schritt. Ganz nüchtern gesprochen: Es ist die halbe Miete auf dem Weg von den sechs Stunden der Mediationsnacht zur gesetzlich vorgegebenen Nachtruhe insgesamt. Deswegen finde ich den Schritt auch gut, denn sieben Stunden Ruhe sind mehr als sechs Stunden Ruhe.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ein entsprechendes Betriebskonzept soll im Laufe des Jahres 2014 erarbeitet werden, sodass die längeren Lärmpausen im Winterflugplan 2014 oder allerspätestens im Sommerflugplan 2015 umgesetzt sind. Entsprechend hat Herr Dr. Schulte auf der Bilanzpressekonferenz geäußert, dass er dies für möglich hält.

Deshalb fordere ich Sie alle auf: Sorgen Sie mit uns zusammen – Parlament und Regierung – für mehr Fluglärmschutz und für eine längere ungestörte Nachtruhe in der Region. Unterstützen Sie diese Aktivitäten. Gehen Sie runter von der Nörgelbremse. Wir GRÜNE werden jedenfalls trotz aller Anfeindungen, die ich durchaus erlebe, weiter engagiert für mehr Ruhe in der Region streiten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN )

Vizepräsidentin Heike Habermann:

Vielen Dank.