Inhalt

13.12.2011

Frank Kaufmann: Nachtflugverbot

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, von Goethe stammt die Feststellung, dass Frankfurt voller Merkwürdigkeiten steckt. Das haben wir an den Beiträgen zu dieser Debatte wieder ablesen können. Dazu braucht man sich nur durchzulesen, was Herr Rhein gestern gesagt hat, und sich anzuhören, was er heute erklärt.

Nur, Herr Ministerpräsident, wenn ein Minister der Landesregierung eine völlig andere Position vertritt als ein anderer und dies auch äußert, ist es nach der Verfassung Ihre Aufgabe, klarzustellen, was für die Landesregierung gilt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Man muss feststellen, dass solch ein klärendes Wort in der heutigen Debatte immer noch fehlt. Vielleicht können wir es noch erleben.

Eine weitere Merkwürdigkeit: Ich glaube, Herr Rentsch war es, der gemeint hat, wir würden gar nicht über den Zeitraum der Nacht reden. Meine Damen und Herren, daran erkennen Sie die Verwirrung der Begriffe. Gesetzlich beginnt die Nacht um 22 Uhr abends und endet um 6 Uhr morgens.

Das, was die Menschen in der Region umtreibt, hat sehr wohl sehr viel mit der Nacht zu tun. Wir haben es uns hier nämlich angewöhnt, zu glauben, dass die Nacht nur diesen sechsstündigen Zeitraum, den wir gern „Mediationsnacht“ nennen, umfasst. Aber z. B. alle die, die Kinder haben, die schlafen wollen, wissen, dass diese nicht erst um 23 Uhr mit dem Schlaf beginnen wollen und nicht um 5 Uhr schon wieder munter sind. Das heißt doch, dass wir über mehr Probleme reden und vieles schon beiseitegeschoben haben.

Jetzt möchte ich noch einmal das Thema Taskforce aufgreifen. Die Welt wimmelt geradezu von Taskforces und anderen Arbeitsgruppen. Die CDU-Fraktion hat eine eingerichtet, und der Herr Minister hat eine angeregt. Es fragt sich, wer jetzt noch kommt und eine macht.

(Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Die Taskforce, die unter der Leitung des Geschäftsführers des Umwelthauses tagt – das wurde uns kürzlich mitgeteilt –, wird voraussichtlich nicht vor dem Herbst 2012 erste Ergebnisse liefern können.

Meine Damen und Herren, machen Sie sich bitte klar, was das bedeutet. Wir sorgen dafür, dass die Menschen in der Region mit Lärm überschüttet werden, und dann wollen wir sie mit der Aussage beruhigen: Wir machen etwas, wir haben eine Taskforce eingerichtet; aber im nächsten Jahr wird erst einmal alles so bleiben, wie es ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Nein, es wird sogar immer schlimmer werden, weil die Zahl der Flugbewegungen laut Plan weiter ansteigen soll.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Jetzt ist – deshalb muss ich mich noch einmal kurz mit juristischen Dingen befassen – ein Antrag von CDU und FDP gekommen. In diesem Antrag steht unter Nr. 2 der Satz:

Aus Sicht des Landtags war ein absolutes Nachtflugverbot aufgrund einer Änderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts rechtlich leider nicht durchsetzbar.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Dieser Satz enthält eindeutig die Unwahrheit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erstens. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, auf das Sie immer Bezug nehmen, stammt aus dem Jahr 2006. Ich habe es schon x-mal gesagt und wiederhole es hier: Im Jahr 2007 hat Fraport in Kenntnis aller Urteile des Bundesverwaltungsgerichts letztmalig ein Nachtflugverbot beantragt.

Zweitens. Das Urteil, das Sie gern heranziehen, verbietet ein Nachtflugverbot an keiner Stelle, sondern es erlaubt es unter bestimmten Bedingungen. Sie führen die Menschen hier mit filibustrischen Argumenten aus der Juristenkiste hinters Licht, indem Sie einen Umkehrschluss ziehen und behaupten, Sie hätten aufgrund dieses Umkehrschlusses so handeln müssen. Das ist schlicht falsch; das finden wir an keiner Stelle.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Damit ist auch das zweite Argument falsch, das belegen soll, dass hier schnell eine Rechtssicherheit hergestellt worden ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat den Planfeststellungsbeschluss nämlich umfassend zu prüfen. Wir nehmen einmal an, es konzentriert sich auf die Frage des Nachtflugverbots.

Es gibt im Prinzip drei Möglichkeiten: Erstens. Es restituiert den Planfeststellungsbeschluss, indem 17 Nachtflüge zugelassen werden. Das will die Regierung, das will die Mehrheit, und gleichzeitig behaupten sie, sie wollten die Nachtruhe. Das ist die Unwahrheit.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Zweitens. Das Bundesverwaltungsgericht kann auch erklären, ein Nachtflugverbot sei zulässig. Dann gibt es keine Nachtflüge. In allen anderen Fällen – das wissen die Juristen genau – wird es keine Rechtssicherheit geben, sondern es wird entsprechend dem, was der Verwaltungsgerichtshof in Kassel erklärt hat, heißen: Ihr müsst ein neues, ergänzendes Verfahren durchführen und eine neue Zahl – der Verwaltungsgerichtshof in Kassel sprach von „nahe null“ – feststellen. – Genau das ist der Punkt.

(Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Das ist der Grund, warum Sie an dieser Stelle so unruhig sind: Es wird Nacht für Nacht bewiesen, dass es diesen berühmten unabweisbaren standortspezifischen Nachtflugbedarf in Frankfurt nicht gibt, zumindest in all den Nächten nicht, in denen Herr Posch oder seine Leute keine Ausnahmegenehmigung erteilen. Glücklicherweise ist das eine ganze Anzahl von Nächten. Der standortspezifische Nachtflugbedarf ist eine Chimäre, der Sie hinterherlaufen. In der Realität hat sich erwiesen, dass es ihn nicht gibt. Deswegen muss die Nachtruhe bleiben. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Vielen Dank, Herr Kaufmann.