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25.03.2010

Frank Kaufmann: Landesregierung kämpft gegen das Nachtflugverbot

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Verkehrsminister, morgen läuft die vom Bundesverwaltungsgericht gesetzte Frist zur Vorlage der Begründung der Revision des Landes gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 21. August letzten Jahres nach der vom Land begehrten nochmaligen Verlängerung jetzt wohl endgültig ab. Die Schriftsätze müssen also erarbeitet sein und die Argumentation festgelegt. Die Regierung allerdings hüllt sich in Schweigen, obwohl bei der sonst gepflegten Öffentlichkeitsarbeit eigentlich ein lautes Verbellen der eigenen Großartigkeit zu erwarten gewesen wäre. Mindestens eine Regierungserklärung zur Rechtfertigung wäre doch eigentlich zu diesem Thema zu erwarten gewesen.

(Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Doch es herrscht Funkstille. Was mag nur der Grund für die ungewohnte Zurückhaltung sein, Herr Kollege Dr. Arnold?

Wir GRÜNE glauben nicht, dass bei der Regierung und insbesondere beim Verkehrsminister sich so etwas wie späte Einsicht breitgemacht haben könnte, nämlich die Einsicht, dass es grob unanständig ist, vor Gericht zu ziehen, um sein eigenes, obendrein wiederholt bekräftigtes Versprechen brechen zu dürfen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb liegt der Grund für die Schweigsamkeit wohl eher in der Absicht der Regierung, ihren Betrug an der Öffentlichkeit und insbesondere an den Menschen, die rund um den Flughafen leben und auch nachts gern schlafen wollen, solange es geht zu verschleiern. Es ist auch nicht so ganz einfach zu begründen, dass man ein Urteil des höchsten hessischen Verwaltungsgerichts angreift, gerade weil es von der Regierung verlangt, ihr gegebenes Versprechen einhalten zu müssen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb muss man feststellen, Herr Posch, dass Sie wohl einräumen müssen, dass Sie Ihr Versprechen des Nachtflugverbots nie ernsthaft einhalten wollten. Ein solches Verhalten, ein Versprechen zu geben, schon in der Absicht, es nicht einhalten zu wollen, nennt man gemeinhin Betrug. Im Geschäftsleben ist das übrigens eine Straftat. Die Landesregierung jedoch ficht dies überhaupt nicht an, lässt sie sich doch durch einen Anwalt vertreten, der von Anfang an rechtliche Zweifel an der Zulässigkeit des Nachtflugverbots äußerte.

Meine Damen und Herren, ist das nicht bereits der Kern des Skandals? Ein ausgewiesener Gegner des Nachtflugverbots wird von der Landesregierung engagiert, um vor Gericht diejenigen zu vertreten, die einst das Nachtflugverbot hoch und heilig versprochen haben. Da das so ist, braucht man sich über die wahren Absichten der Regierung wohl nicht weiter Gedanken zu machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Die politische Betrugshandlung wird erkennbar vorsätzlich begangen.

Der Verwaltungsgerichtshof will den Wortbruch der Regierung nicht durchgehen lassen. Er begründet sein Veto mit der Gesetzeslage und leitet seine Gründe schlüssig aus Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ab. Wenn also die Behauptung unserer Regierung und der Koalition zutrifft, es gehe ihnen nur um möglichst rasche abschließende Rechtssicherheit, die allein das oberste Gericht schaffen könne, nämlich das Bundesverwaltungsgericht, ja, dann, Herr Kollege Dr. Arnold, dann müsste die Revisionsbegründung sinngemäß eine Bestätigung des Kasseler Urteils begehren. Allerdings ist das genaue Gegenteil der Fall – nicht wahr, Herr Minister. Sie werden uns gewiss gleich die Gründe detailliert erläutern, warum Sie Ihr eigenes Versprechen des Nachtflugverbots, welches der VGH in seinem Urteil deutlich stärkt, nunmehr mit der Revision zu Fall bringen wollen. Das Streben nach Rechtssicherheit für das Nachtflugverbot kann es jedenfalls gewiss nicht sein.

Meine Damen und Herren, man sollte in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass das Nachtflugverbot das immer wieder beschworene Versprechen war für eine Kompensation, also für einen Ausgleich der mit dem Ausbau zusammenhängenden wachsenden Fluglärmbelastung am Tag. Sie alle kennen die unzähligen Zitate. Man darf auch nicht vergessen, dass das Nachtflugverbot, also ein Verbot planmäßiger Flugbewegungen in der Zeit von 23 bis 5 Uhr, vom Flughafenbetreiber Fraport höchstselbst beantragt worden war, und zwar zu einem Zeitpunkt, als die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts allgemein bekannt und damit auch berücksichtigt worden war.

Überhaupt scheint aufseiten der Ausbaubefürworter mit dem Begriff „Nachtflugverbot“ absichtlich Verwirrung betrieben zu werden. Das scheint Teil der Kommunikationsstrategie zu sein. Ich will einmal die Äußerungen aufreihen, die Sie zu den bekannt kurzen Frankfurter Nächten von sich gegeben haben. Zunächst war von einer Null die Rede, nämlich einem Nachflugverbot. Ein Verbot ist ein Verbot. Dann kamen die ersten Ausnahmen in die Debatte, als ob Verbotenes im Ausnahmefall doch erlaubt sein sollte. Dann ließ sich die Planfeststellungsbehörde ein Gutachten erstellen; das kam auf bis zu 71 notwendige nächtliche Flugbewegungen. Daraus wurden im Planfeststellungsbeschluss 17 Flüge, wie wir alle wissen. Die Lufthansa verlangt dagegen mehr als 20 Flugbewegungen in der Mediationsnacht, während der Verwaltungsgerichtshof – ich sagte es bereits – die Debatte wieder auf die Null bzw. nahe an die Null zurückgeführt hat. Kürzlich forderte Fraport-Chef Schulte jüngst zehn Flugbewegungen pro Kurznacht – sozusagen als Kompromiss –, weshalb der Lufthansachef jetzt stinksauer auf ihn ist.

(Zuruf des Dr. Walter Arnold (CDU))

In dieser Debatte wird merkwürdigerweise von allen Forderern wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass es ein natürliches Gewohnheitsrecht der Luftverkehrswirtschaft gebe, den Menschen den guten Schlaf zu rauben. Ich sage: Das gibt es nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Genau dies sieht der Verwaltungsgerichtshof und mit ihm bislang auch das Bundesverwaltungsgericht glücklicherweise genauso. So sagt der VGH in seinem Urteil in Sachen Lufthansa – ich zitiere –:

Insoweit ist von ganz erheblichem Gewicht, dass die Beigeladene

– gemeint ist die Fraport AG –

ihren Antrag auf Feststellung des Plans für die Erweiterung des Flughafens Frankfurt am Main ausdrücklich mit der Maßgabe gestellt hat, dass keine planmäßigen Flüge in der Zeit von 23 bis 5 Uhr stattfinden. Daraus ergibt sich zwingend, dass die mit dem Ausbau verfolgten Ziele, insbesondere die Sicherung und Stärkung der Drehkreuzfunktion, auch ohne planmäßige Frachtflüge in der Mediationsnacht erreicht werden und dass der Flughafen mit dieser Regelung im internationalen Wettbewerb bestehen kann.

Das sagt der VGH in seinem Urteil wörtlich. Das Bundesverwaltungsgericht sagt: Der Begriff „Nachtruhe“ indiziert, dass der durch die übliche Geschäftigkeit verursachte Taglärm verstummen und sich durch eine Lärmpause in der Nacht vom Tag unterscheiden soll. – Es sagt weiter: Deshalb bedeutet jeder zusätzliche Flug eine zusätzliche Belastung, jeder Flug, der unterbleibt, eine Entlastung.

Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund und weil damit deutlich wird, dass der Kampf der Landesregierung gegen das Nachtflugverbot vor Gericht bislang nicht so recht erfolgreich war, verfolgt diese nun eine Doppelstrategie.

(Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Sie unterstützt eine Änderung des Luftverkehrsgesetzes, um im Ergebnis einem Nachtflugverbot die Grundlage zu entziehen, damit die Gerichte hierüber gar nicht mehr entscheiden dürfen. Durch diese Aktivitäten wird der Tatvorsatz der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen nochmals deutlich: ein Nachtflugverbot mit aller Macht zu verhindern und die Menschen rund um den Flughafen weiterhin hinters Licht zu führen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Weil dem so ist, fordern wir GRÜNEN: Hören Sie endlich mit diesen schmierigen Betrugsversuchen auf. Sagen Sie ausnahmsweise einmal die Wahrheit. Warum gehen Sie in Revision, und was wollen Sie mit diesem Verfahren wirklich erreichen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Schönen Dank, Herr Kollege Kaufmann.