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24.09.2014

Frank Kaufmann: Lärmpausen am Flughafen Frankfurt

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Als wir im März dieses Jahres auf Initiative der SPD-Fraktion hier über die geplanten Lärmpausen am Frankfurter Flughafen diskutierten, wurden viele Vorurteile formuliert, beispielsweise auch, mehr Nachtruhe für den Einzelnen könne unter anderem deshalb gar nicht erreicht werden, weil die Fluglärmereignisse nur anders verteilt, nicht aber verhindert würden.

Meine Damen und Herren, heute, ein halbes Jahr später, nach Vorlage der Modelle zu den Lärmpausen durch den Verkehrsminister ist festzustellen: Mehr Nachtruhe ist möglich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Angesichts der Tatsache, dass sich mit der Inbetriebnahme der Landebahn Nordwest die jährliche Zahl der Flugbewegungen nicht nur nicht erhöht hat, sondern sich auf einem Niveau deutlich unterhalb des Maximums aus der Zeit mit nur zwei parallelen Landebahnen eingependelt hat, ist die Inbetriebnahme der neuen Landebahn Nordwest als Teil der Flughafenerweiterung selbst insgesamt nichts anderes als eine gigantische Lärmverschiebung. Trotz 100.000 durch Fluglärm neu belasteter Menschen im Rhein-Main-Gebiet bleiben die allermeisten bislang Belasteten dies auch weiterhin. Aufgrund der stagnierenden Zahl der Flugbewegungen ist in Summe nicht mehr Lärm erzeugt worden, aber Tausende Menschen zusätzlich werden durch diese Lärmverschiebung um ihren Nachtschlaf gebracht.

Wenn es also durch die Verschiebung der Flugbewegungen zwischen den Landebahnen zu einer größeren Fluglärmbelastung für viele Menschen kommt, dann muss es auch den umgekehrten Weg geben, dass es nämlich zu einer Verringerung der Fluglärmbelastung kommen kann, wenn man die Nutzung der Bahnen klug steuert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Genau dieser Idee folgt das Konzept der Lärmpausen, das deshalb den Vorwurf, es handle sich lediglich um ein Lärmverschiebemanöver, gut aushalten kann.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Aus unserer Sicht ist es nämlich sehr zu begrüßen, dass der Verkehrsminister die Initiative ergriffen hat und mit Fachleuten seines Hauses und Experten des Luftverkehrs alle Möglichkeiten hat prüfen lassen, wie der Flugverkehr in Frankfurt mit weniger Belastung für die Anwohner bewältigt werden kann. Ergebnis sind die vorgelegten Modelle für die Nutzungsregeln der einzelnen Runways. Es ist eine Verschiebung von Verkehrsmengen, die aber dazu führt, dass Lärmbelastungen reduziert werden.

Meine Damen und Herren, wenn Sie so kritisch dazwischenbemerken, will ich nur einen kleinen Hinweis geben: Diejenigen Menschen, die z. B. montagabends im Terminal laut rufen, die Bahn müsse weg, fordern auch nichts anderes als eine Lärmverschiebung, in diesem Fall zurück und zulasten der Menschen in Raunheim und Neu-Isenburg. Das müssen Sie sich auch einmal klarmachen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zurufe von der LINKEN)

Da jedes Modell für Lärmpausen nicht die Zahl der Flugbewegungen, allerdings ihre Auswirkungen auf die unmittelbare Umgebung verändern wird, ist es aus unserer Sicht selbstverständlich, dass sich die erarbeiteten Modelle einer breiten und im Ergebnis offenen Diskussion der Betroffenen – das sind die Kommunen und die Bürgerinitiativen und alle, die sich noch beteiligen wollen – stellen müssen. Die Aufgabe hierbei lautet, das in Beurteilung der Region optimale Modell für einen Probebetrieb auszuwählen.

Vorwürfe, wie man sie lesen und hören konnte, dass die Lärmpausen lediglich darauf angelegt seien, die Fluglärmgegner zu spalten oder einzelne Kommunen gegeneinander auszuspielen, sind total absurd, zumal wenn sie von denjenigen kommen, die – ich sprach es schon an – „Die Bahn muss weg!“ rufen.

Mit der Erarbeitung und Vorstellung der Modelle für die Lärmpausen wird vielmehr ein vielfach schmerzlich vermisster Dialog zwischen Regierung und Region, Luftverkehrswirtschaft und Fluglärmbetroffenen in dem schwierigen Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichen Interessen des Luftverkehrs und Belastungen für die Region wieder intensiviert. Nach unserer Auffassung ist das ein wichtiger Schritt zu einem besseren Miteinander, auch, wenn man diversen Stellungnahmen noch nicht eine hinreichende Offenheit für einen solchen Dialog anmerkt – vielleicht wird es ja noch besser.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Insoweit halte ich die bislang überwiegend aus dem politischen Raum laut gewordene Kritik der Opposition an den Lärmpausen für kaum mehr als eine weitgehend hilflose Mäkelei. Hier wird sehr deutlich, dass die Opposition in der Sache nichts vorzubringen weiß, allerdings mit Eifer das Verfahren kritisiert. Da hört man, man habe sowieso schon immer gewusst, dass das alles nichts bringe, man trägt die Schmähkritik vor, hält sich aber selbst mit eigenen Vorschlägen vornehm zurück. – Meine Damen und Herren, so hilft man den Menschen in der Region nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Allerdings wird diese Art von Kritikansatz dem Fortgang der Sache glücklicherweise nicht im Wege stehen: Wichtige und kenntnisreiche Akteure aus der Region wie beispielsweise der Vorsitzende der Fluglärmkommission und weitere Bürgermeister betroffener Kommunen haben das Verfahren ausdrücklich begrüßt, die Initiative gelobt und konstruktive Mitarbeit zugesagt.

Besonders hervorzuheben scheint mir dabei, dass von vielen der gerade Angesprochenen insbesondere vermerkt und auch unterstrichen wurde, dass das Verkehrsministerium mit Staatsminister Al-Wazir an der Spitze den Weg zu den Lärmpausen initiativ gegangen ist und es wesentlich vorangebracht hat. Das ist eine Erfahrung mit dem Hessischen Verkehrsminister, die viele in der Region gern auch schon in der Vergangenheit gemacht hätten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier wird eine politische Vereinbarung mit Engagement und Sachverstand und auch mit der insbesondere den GRÜNEN eigenen Hartnäckigkeit in die Wirklichkeit transportiert. Sie wird begleitet von einer Luftverkehrswirtschaft, die schrittweise zu erkennen beginnt, dass auch für ihre Interessen die Rücksichtnahme auf die Belange der Flughafenanrainer mehr Vorteile bringt, als die bisher ausschließlich betriebene Lobbypolitik der Maximalforderung. Dass in diesem Themenbereich für die Wirtschaft noch ein längeres Stück an Erkenntnisgewinn zurückzulegen ist, entnehmen Sie alle beispielsweise der veröffentlichten Stellungnahme der VhU, aber auch dem gerade heute Mittag vorgelegten Antrag der FDP.

Insgesamt erweist sich der Koalitionsvertrag von CDU und GRÜNEN, der gerade in Flughafenfragen mit besonderer Skepsis rezipiert wurde, als tragfähig und zukunftsweisend.

Mit der Präsentation der Modelle des unter der Überschrift „Nachtruhe“ im Koalitionsvertrag beschriebenen Konzepts der Lärmpausen haben wir gezeigt, dass wir trotz unserer grundsätzlich unterschiedlichen Auffassung zum Flughafenausbau es als schwarz-grüne Koalition schaffen, nach vorne gerichtete Aktivitäten zur Verringerung der Belastungen, die die Region durch Flugverkehr am Flughafen Frankfurt ertragen muss, zu ergreifen und umzusetzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Natürlich – das ist kein Geheimnis – halten wir GRÜNE den Flughafenausbau, und zwar insbesondere den Bau der Landebahn Nordwest, für einen Fehler, der allerdings in der Vergangenheit, wie Sie wissen, von CDU, SPD und FDP in diesem Haus gemeinsam begangen wurde und für dessen Korrektur derzeit keine rechtlichen und politischen Möglichkeiten bestehen. Daher müssen wir folglich unsere Politik auf diesen vorgefundenen Tatsachen gründen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auf dieser Grundlage haben wir mit der Präsentation der Modelle für die Umsetzung der Lärmpausen einen guten Schritt gemacht, dem weitere folgen sollen. Meine Damen und Herren, gemeinsam mit unserem Koalitionspartner sehen wir es als vorrangiges Ziel unserer Politik an, die mit dem Betrieb des Flughafens einhergehenden Belastungen für Mensch und Umwelt in einem höchstmöglichen Maß rasch wirksam zu verringern.

Demgemäß stehen Schritt für Schritt auch die weiteren Punkte, die der Koalitionsvertrag beschreibt, zur Umsetzung an. Dann ist auch viel Raum für oppositionelle Aktivitäten, von denen ich mir wünschte, dass sie unsere Ansätze durch konstruktive Kritik noch besser machen, als sich lediglich in Störmanövern zu ergehen.

Wir wollen jedenfalls, dass die Menschen in ihrem realen Alltag ein Mehr an Lebensqualität gewinnen und nicht nur, dass sie neben dem Flughafen lediglich unerfüllbare Forderungen und Versprechungen hören. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsident Wolfgang Greilich:

Vielen Dank, Herr Kaufmann.