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09.05.2012

Frank Kaufmann: Gesetz zur Einrichtung eines Regionalfonds im Rahmen der Allianz für Fluglärmschutz

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben heute Morgen schon einmal über die Problematik der Fluglärmbelastung diskutiert, und wir haben da sehr eindeutig festgestellt: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hier im Landtag und in ganz Hessen an allen Orten steht dafür, dass wir die Fluglärmbelastung der Menschen im Rhein-Main-Gebiet verringern wollen. Wir wollen also weniger Fluglärm. Dieser Gesetzentwurf schafft nicht weniger Fluglärm; denn, verehrter Herr Kollege Milde, Stille kann man nicht kaufen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Einzige, was man machen kann: Man kann sich Ohrenschützer im weiteren Sinne kaufen. Insoweit vertreibt der Gesetzentwurf nicht den Fluglärm, sondern er sorgt dafür, dass die Menschen sich abkapseln müssen. Aber der Mensch ist kein Guppy und möchte nicht im Aquarium leben müssen. Dennoch gibt der Gesetzentwurf Geld dafür aus, Prämien für die Vertreibung der Menschen aus ihrer angestammten Heimat zu zahlen. Aber die Menschen würden gern hier weiter leben und gut leben. Deshalb ist er keine Hilfe.

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf ordnet die Menschen nachrangig den Geschäftsinteressen von Fraport und der Luftverkehrswirtschaft insgesamt ein. Er soll damit zugleich die Fehler bei der Abwägung und die Fehlentscheidung für die Nordwestbahn versuchen zu verdecken. Denn das, was Sie immer so wunderbar vor sich hertragen – das sei jetzt alles vom Bundesverwaltungsgericht genehmigt –, stimmt zwar. Aber das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Verhandlung sehr deutlich gesagt: Das Gericht hat zu überprüfen, ob es Verfahrensfehler gegeben hat oder bei der Abwägung alle Aspekte berücksichtigt wurden. Es hat nicht zu entscheiden, ob diese Entscheidung inhaltlich richtig ist. – Das ist sie ganz eindeutig nicht; denn sonst hätten Sie es auch nicht nötig, mit einem solchen Gesetzentwurf wie dem jetzt auf die Schnelle gemachten, über die Fraktionen vorgelegten, damit es im Vorfeld keine Anhörung geben musste und in Ihrem Sinne keine Zeit verloren ging, nachzubessern, wenn es denn eine richtige Entscheidung gewesen wäre, was den Flughafenausbau anging.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Meine Damen und Herren, wenn man sich den Gesetzentwurf etwas genauer anschaut, kann einem gleich mal wieder der Begriff „Wortbruch“ in den Kopf kommen, weil Sie dort nämlich Dinge hineinschreiben, die gegenwärtig überhaupt nicht beurteilt werden können. Zum Beispiel ein ganz gravierender Punkt ist die Entschädigung zum Thema Freiraumnutzung. Wenige in der Öffentlichkeit, aber die Fachleute wissen, dass die Dritte Ausführungsverordnung zum Fluglärmgesetz, die genau die Parameter der Freiraumnutzung definieren sollte, bis zum heutigen Tag nicht existiert. Insoweit kann man dafür überhaupt keine Bewertung finden.

(Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Wenn Sie sagen: „Das macht nichts, wir geben jedem, der einen Garten hat, entsprechend Geld“, dann helfen Sie den Menschen aber nicht, denn leiser wird es dadurch nicht, sondern Sie helfen ausschließlich dem Betreiber des Flughafens, nämlich Fraport, der spätestens dann, wenn die Verordnung erlassen ist, dies genau regeln müsste. Übrigens: Warum fehlt die Verordnung? Weil Schwarz-Gelb in Berlin sie offensichtlich nicht hinkriegt, weil man auch dort lieber den Interessen der Luftverkehrswirtschaft folgen will als den Interessen der lärmgeplagten Bevölkerung rund um die Flughäfen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Aber dieser Gesetzentwurf, der durchaus auch Vertreibungsprämien vorsieht, hat auch geheime Mechanismen. Er führt z. B. dazu, dass der einst so hoch gelobte, famose Lärmindex dann so tut, als ob es leiser würde. Denn wenn ich die Menschen aus der Region vertreibe, ihnen Geld dafür gebe, dass sie wegziehen, dann habe ich anschließend eine kleinere Zahl von Betroffenen und damit einen Lärmindex, der suggeriert, es sei leiser geworden. Nur, das stimmt nicht.

Meine Damen und Herren, dass das nicht stimmt, sehen Sie jeden Montag in Terminal 1. Kommen Sie doch auch einmal dahin, dann sehen Sie, was die Leute tatsächlich bewegt. Dort wird immer wieder gefordert: „Die Bahn muss weg“, weil man so verzweifelt ist, weil man mit all den Pflästerchen, die Sie jetzt im Gesetzentwurf vorgesehen haben, genau das Problem nicht reguliert sieht. Vielleicht hatten Sie einmal einen Zuhörer oder Spion da; denn die skandierten Sprüche, die in der Demonstration immer wieder, auch unterstützt von Trommlern, gerufen werden, lauten nicht nur: „Die Bahn muss weg“, sondern gehen sehr schnell in den Spruch „Bouffier muss weg“ über. Dieser findet noch deutlich größere Unterstützung.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Nur, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, wenn Sie glauben, dass Sie mit diesem Gesetzentwurf die Forderung „Bouffier muss weg“ irgendwie wegbekommen, dann irren Sie sich gewaltig. Wenn wir über den Gesetzentwurf diskutieren, dann darf auch noch eine Frage gestellt werden. Sie ist schon vom Kollegen Schaus angesprochen worden.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Ich spreche jetzt wieder die Regierungskoalition an: Warum quälen Sie die Menschen in der Rhein-Main-Region schon seit mehr als einem halben Jahr mit dem Fluglärm und kommen jetzt plötzlich auf die Idee, dass ganz schnell etwas gemacht werden müsse? Warum haben Sie nicht anständigerweise im Vorfeld alle diese Regelungen getroffen – Sie hatten jahrelang Zeit –, sodass zumindest für diejenigen, die den zusätzlichen passiven Schallschutz haben wollen, jetzt der Schutz tatsächlich wirksam werden könnte und es nicht noch lange Verfahren geben muss?

Meine Damen und Herren, es sieht so aus – Stichwort: erweitertes Casa-Programm, das auch im Zusammenhang mit diesem Gesetzentwurf genannt worden ist und das bei dem famosen Fluglärmgipfel des Ministerpräsident hochgejubelt wurde –, als ob Sie alle miteinander gemerkt hätten, und das ist eigentlich eine richtige Erkenntnis, dass die Entscheidung für die Nordwestbahn in der Lage, in der sie ist, genau eine falsche war. Bei dieser Entscheidung haben Sie sich auf eine breite Mehrheit hier gestützt; bis auf wenige Ausnahmen hat die SPD dem auch zugestimmt. Insoweit verwundert es nicht, dass auch sie jetzt versucht, irgendwie die Kurve zu kriegen, wie ich vermuten kann, unter dem Aspekt, hier will man den Schaden mindern. Aber das wird nicht gelingen.

Eine letzte Bemerkung noch in Richtung Finanzminister. Wir haben zum letzten wie zum vorletzten Haushalt immer wieder moniert, dass die Ausgaben für Zinsen im Landeshaushalt fälschlicherweise vorsätzlich zu hoch veranschlagt werden.

Mit Ihrer Finanzierungsaussage zu diesem Gesetzentwurf beweisen Sie diese vorsätzliche Falschveranschlagung, um sich ein geheimes Polster zu bilden; denn wenn man im Mai schon weiß, was man im Dezember noch abgelehnt hat, dann hat man vorsätzlich falsch kalkuliert. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Zuruf des Abg. Karlheinz Weimar (CDU))

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Schönen Dank, Herr Kollege Kaufmann.