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09.05.2012

Frank Kaufmann: Fluglärmschlichtung jetzt

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir diskutieren und streiten heute nicht das erste Mal über den Flughafenausbau und seine Folgen; und sicherlich auch nicht das letzte Mal. Verehrter Kollege Dr. Wagner: Ein bisschen verstört hat mich die Diskussion schon, weil gerade durch Ihren Beitrag das inhaltliche Niveau derart abgesenkt wurde, dass man den Eindruck hatte, wir stehen völlig am Anfang.

Meine Damen und Herren, wir haben am 4. April in Leipzig eine vollständige Niederlage der Regierung und ihrer Koalitionsfraktionen erleben dürfen. Das Bundesverwaltungsgericht hat gesprochen: Die Revision des Beklagten wird zurückgewiesen. – Da gab es keine Einschränkung, da gab es keine Bedingungen. Das war eine komplette Niederlage auf ganzer Linie.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie alle haben sicherlich noch im Ohr, was der Kollege Wagner dazu gesagt hat. Es gibt weitere Äußerungen zu dem Urteil, und zwar der Herren Hahn und Rentsch. Sie schrieben in einer Presseerklärung: „Das Urteil ist ein Sieg dieser Landesregierung.“ Meine sehr verehrten Damen und Herren, daran merken Sie, dass das Niveau dieser Diskussion nicht besonders hoch sein kann. Eigentlich müsste jeder hier Anwesende lesen können. Wenn man völlig uneingeschränkt seinen Antrag abgeschmettert bekommt, dann ist man nach deutschem Sprachgebrauch Verlierer, nicht Sieger. Deshalb sollten Sie den Inhalt Ihres Kommentars noch einmal überdenken.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)

Meine Damen und Herren, wir haben kurz Folgendes in Erinnerung zu nehmen. Es gab einmal das Versprechen, ein Nachtflugverbot einzuführen. Dann folgte ein Wortbruch; der äußerte sich in der 17. Dann gab es die hochheilige Aussage derer, die diese „17“ zu verantworten haben, man habe das aus Rechtsgründen so machen müssen, und allen, die das kritisiert haben – dazu gehörte auch die Fraktion der GRÜNEN –, wurde bescheinigt, sie würden den Rechtsstaat verlassen. Selbst nachdem der Verwaltungsgerichtshof die „17“ vom Tisch gewischt hatte, ging es in gleicher Weise weiter, und man versuchte, mit der Revision die „17“ wieder durchzudrücken. Ich rede von der Zahl der Flugbewegungen in der sogenannten Mediationsnacht. Auch wenn der Kollege Müller den Kopf schüttelt: Das war der Inhalt der Revisionsschrift der Landesregierung. Wir können lesen; genau das stand da drin.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, in dem Antrag von CDU und FDP findet sich der schöne Satz:

Insbesondere begrüßt der Landtag, dass das Bundesverwaltungsgericht ein Verbot planmäßiger Flüge während der Mediationsnacht an einem internationalen Großflughafen für rechtlich zulässig und das berechtigte Schutzinteresse der Bürger vor Fluglärm in diesem Nachtzeitraum für vorrangig erklärt hat.

Warum sind Sie denn dann in Revision angegangen, um das zu verhindern? Wie viele Debatten hatten wir hier, seit der Revisionsantrag gestellt wurde? Bestimmt 20 Debatten. Der SPD, den GRÜNEN und gelegentlich auch den LINKEN wurde in diesen Debatten immer gesagt, sie würden den Rechtsstaat verlassen. Auf einmal jubeln Sie, meine Damen und Herren von der CDU und der FDP. Auch an die Landesregierung gerichtet, frage ich Sie: Glauben Sie sich denn eigentlich selbst noch, was Sie hier erzählen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Am 4. April, am Tag der Urteilsverkündung, konnten wir von Herrn Hahn und Herrn Rentsch, also vom stellvertretenden Ministerpräsidenten und dem Möchte-bald-Verkehrsminister

(Zurufe von der CDU und der FDP)

hören bzw. lesen – ich zitiere –:

Hinsichtlich der sogenannten Nachtrandstunden werden die schriftlichen Urteilsgründe erst sorgfältig ausgewertet werden müssen, bevor man konkrete Schlüsse daraus zieht.

Der Kollege Christean Wagner, ebenfalls Jurist, den wir eben als Redner gehört haben, hat sich am 4. April wie folgt geäußert

Für alle weiteren Schritte werden wir nun die schriftliche Begründung des Urteils abwarten müssen. Erst dann können wir darüber entscheiden, in welcher Form wir den Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahr 2007 abändern müssen. Hier geht Sorgfalt vor Schnelligkeit, erklärte Wagner.

(Präsident Norbert Kartmann übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren, da darf man doch wohl einmal fragen: Was ist denn jetzt bei Ihnen los? Am 3. Mai, also knapp einen Monat später, erklärt nämlich die CDU-Fraktion – ich zitiere –:

Das Leipziger Urteil erlaubt, das Mediationsergebnis einer absoluten Nachtflugbeschränkung rechtssicher umzusetzen. Das wird die zuständige Behörde nun mit der Planklarstellung ohne Zeitverzögerung tun.

Herr Kollege Dr. Wagner, haben Sie sich denn vor der Abgabe dieser Erklärung mit Ihrem Kollegen Dr. Arnold unterhalten, was denn für die CDU-Fraktion jetzt gilt, oder wollen Sie uns hier weiterhin mit Nebel umspülen, damit genau das passiert, was der Kollege Schäfer-Gümbel völlig zu Recht vermuten musste, dass Sie nämlich nach vielen Nebelkerzenwürfen erneut in ein rechtlich unsicheres Verfahren gehen wollen,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

damit die, die Sie im Stillen weiterhin unterstützen wollen, doch noch Honig daraus saugen können.

(Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Wer soll denn noch das Vertrauen haben, dass diese Regierung, dass diese Koalition das richtig macht – angesichts dessen, was wir gerade gehört haben? Meine Damen und Herren, Sie sind längst zu Ablenkungsbeschimpfungen übergegangen. Der Kollege Dr. Wagner hat uns das gerade vorgetragen. Der Kollege Müller, von dem ich vermute, dass er nach mir die Gelegenheit nehmen wird, das zu wiederholen, wird in seinen Presseerklärungen bereits wie folgt zitiert: „Die GRÜNEN haben Angst, dass ihnen im Landtagswahlkampf ein Thema genommen wird, und fordern deshalb nun eine möglichst langsame Umsetzung des Nachtflugverbots.“

(Demonstrativer Beifall bei der CDU und der FDP)

Sehr verehrter Herr Kollege Müller, Herr Kollege Wagner, der Sie gerade geklatscht haben: Die Landtagwahl wird nach Lage der Dinge kurz vor Weihnachten 2013 stattfinden. Manche wollen einen noch späteren Termin haben. Sie erklären mit dieser Aussage nichts anderes, als dass Sie bis zum Herbst 2013 an der Lärmbelastung der Menschen rund um den Flughafen nichts ändern wollen. Die Menschen interessiert aber nicht, was der eine oder der andere von Ihnen erzählt. Die Menschen interessiert einzig und allein, wie ihre Belastung reduziert wird. Dafür müssen Sie etwas tun.

(Lebhafte Zurufe von der CDU)

Insoweit haben Sie alle Freiheiten. Der Hinweis auf den Landtagswahltermin entlarvt Sie aber deutlich. Sie wollen nichts gegen den Fluglärm tun – ganz im Gegensatz zu uns. Wir wollen die Lärmbelastung der Bürgerinnen und Bürger deutlich verringern, und wir wollen, dass nicht länger mit Fliegern über die Köpfe der Betroffenen hinweggedonnert wird.

(Zurufe von der CDU)

Wir wollen, dass die Betroffenen endlich Gehör finden. Die Behauptung, die wir aus Ihren Reihen immer hören, Sie nähmen die Sorgen und Nöte der Menschen ernst, wirkt hohl, ja sogar zynisch, wenn man jetzt wieder erleben, dass Sie versuchen wollen, den Betroffenen die Beteiligungsmöglichkeiten trickreich abzuschneiden. Das kann nach unserer Meinung nicht sein, meine Damen und Herren von CDU und FDP.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Nach den Wortbrüchen der Landesregierung in der Vergangenheit ist es dringend notwendig, verloren gegangenes Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen.

(Zurufe von der CDU)

Das wird Ihnen – Herr Dr. Wagner, Ihrer Rede kann man das entnehmen – gewiss nicht gelingen. Genau deswegen haben wir gesagt: Wir brauchen ein neues Verfahren, denn bis in die letzten Tage, bis in den wunderbaren Fluglärmgipfel hinein beweisen Sie immer wieder, das Sie nichts verstanden haben.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Denn wer ex cathedra erklärt, er mache „07 kurz“ zu „07 lang“ – das ist eine Verschiebung von Flugrouten zulasten tausender Menschen –, ohne irgendjemanden vorher zu fragen und ihm Gehör zu geben, der zeigt doch, dass ihm die Sorgen und Nöte der Menschen letztendlich ganz egal sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Meine Damen und Herren, wir brauchen – das sei auch in Richtung SPD gesagt – eine Schlichtung, damit tatsächlich alle an einen Tisch kommen, die gleichen Informationen erhalten und gemeinsam einen Weg suchen können, damit es für alle erträglich wird. Einige von Ihnen haben ja halblaut zugegeben, dass Sie alle davon überrascht wurden, dass die Folgen des Ausbaus so gravierend sind. Das heißt, Sie haben einen Fehler gemacht. Sie haben auch das Vertrauen zerstört, dass in der Region mehrheitlich vorhanden war. Der Bogen wurde überspannt und ist gebrochen. Jetzt geht es darum, das Vertrauen zurückzugewinnen. Deshalb kann man nicht im gleichen Stil wie bisher fortfahren. Montag für Montag zeigen Ihnen das Tausende durch ihre Demonstrationen im Terminal 1.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Verehrter Herr Kollege Wagner, das sind nicht die Leute, auf die vorhin wegen ihres Verhaltens geschimpft werden musste, sondern das sind zutiefst Bürgerliche. Bei diesen Demonstrationen sehen Sie Pelzmäntel und ähnliche Statussymbole, Das waren einmal Ihre Wähler. Wenn Sie so weitermachen, könnte man sich dafür eigentlich bedanken. Wir wollen aber Frieden in der Region. Wir wollen, dass der Flughafen und die Umgebung des Flughafens miteinander auskommen.

(Zurufe von der CDU)

Dafür brauchen wir die Schlichtung, dafür brauchen wir ein Entgegenkommen aller Seiten, insbesondere auch der Luftverkehrswirtschaft, und dafür brauchen wir endlich eine Einsicht bei denjenigen, die dies hier verzapft haben. Das sind FDP, CDU und die Landesregierung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)