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27.09.2012

Frank Kaufmann: Fluglärmbelastung vermindern – Nachtflugverbot gewährleisten

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Angesichts der Tatsache, dass ich stimmlich nach wie vor etwas gehindert bin, habe ich für den Fall, dass ich nicht mehr weiter reden kann, dieses Schild mitgebracht,

(Der Redner hält ein Schild hoch)

um Ihnen zu zeigen, dass kein Zweifel an unserer Position besteht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP) und Dr. Walter Arnold (CDU))

Ich beginne mit einer Klarstellung. Der Ausbau des Flughafens mit einer weiteren Landebahn war falsch. Das Versprechen auf zusätzliche Arbeitsplätze war bisher nachweislich ein Märchen. Die Belastung durch zusätzlichen Lärm hat sich als deutlich zu hoch erwiesen. Dies alles wird in der Feststellung gebündelt, dass die Region die Akzeptanz gegenüber dem Flughafen verloren hat, und das zu Recht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Wir GRÜNEN, die immer die gesamte Auseinandersetzung auch unter dem Aspekt betrieben haben, stets für Deeskalation einzutreten

(Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

und gleichzeitig den Lärm zu reduzieren, setzen uns auch weiterhin für tatsächliche Hilfen für die Menschen in der Region, insbesondere im engeren Rhein-Main-Gebiet, ein. Deswegen wollen wir dort mehr Lärmschutz erreichen.

Die Schwarzen wie die LINKEN wollen offensichtlich nicht den Menschen in der Rhein-Main-Region helfen, sondern im Wesentlichen sich selbst.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

DIE LINKE versucht es mit hemmungslosem Populismus. Lesen Sie einmal Ihren Antrag durch, Frau Kollegin. Der Kollege Schaus hat gerade eben ein bisschen um einige der Formulierungen herum argumentiert, weil sie ihm mittlerweile offensichtlich zu peinlich geworden sind.

Aber die Umstellung der Kurzstreckenflüge auf die Bahn bis zum 9. Dezember des Jahres 2012 erreichen zu wollen, was ein richtiges Ziel ist, ist Angabe und dummes Zeug, Herr Kollege. Das kann niemand, insbesondere weil die rechtlichen Grundlagen dafür fehlen,

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

es sei denn, Sie würden es schaffen, einen Dauerstreik des Personals z. B. der Lufthansa zu organisieren. Davon würde ich Ihnen aber abraten, abgesehen davon, dass ich nicht glaube, dass Sie es organisieren könnten.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Sie müssten ja Flugbewegungen, die derzeit zugeordnete Slots haben, zurückziehen, das heißt verbieten. Dafür bräuchten Sie eine Rechtsgrundlage. Die haben wir leider nicht; die Vernunft gibt es im Luftverkehrsrecht derzeit nicht. Wir arbeiten daran, dass wir sie bekommen, aber bis zum 9. Dezember trauen auch wir GRÜNEN uns das, obwohl wir uns ansonsten durchaus für stark halten, nicht zu, verehrter Herr Kollege Schaus.

Jetzt komme ich zur CDU. Warum Sie nicht helfen wollen, haben wir schon x-mal diskutiert.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Sie präsentieren in der Regel weiße Salbe, Vertröstungen, Ankündigungen, aber seitdem die Bahn eröffnet worden ist – es wird demnächst ein Jahr her sein –, ist es für die Betroffenen immer lauter und unerträglicher geworden und keineswegs leiser.

Meine Damen und Herren, ich will mich jetzt dem auch aufgerufenen Antrag meiner Fraktion zuwenden. Wir haben anhand der nun vorliegenden schriftlichen Begründung des Bundesverwaltungsgerichts versucht zu analysieren, welche Möglichkeiten – Sie erinnern sich: tatsächliche Hilfe für die Menschen, Reduzierung des Fluglärms – damit zu erreichen sind. Als Erstes muss man allerdings feststellen: Das Bundesverwaltungsgericht hat der hessischen Landesregierung und den sie tragenden Fraktionen nochmals sehr deutlich nachgewiesen, dass Sie in dem Verfahren den Wortbruch bis zur letzten Minute fortgesetzt haben und das Nachtflugverbot nicht wollten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

– Herr Kollege, rufen Sie nicht dazwischen: „Das ist doch falsch“, lesen Sie die Randnummer 8 in der schriftlichen Begründung. Dort finden Sie es schwarz auf weiß.

Der zweite Punkt hat mich etwas betrübt. In der Urteilsbegründung konnte ich auch schwarz auf weiß finden, dass sich die Fraport AG am Ende dem Wortbruch durch eigene Antragstellung angeschlossen hat, indem sie in der Revision den gleichen Antrag wie die Landesregierung gestellt hat, das heißt die vollständige Zurückweisung des Kasseler Urteils und damit die 17 Flugbewegungen haben wollte. Das ist ein deutlicher Widerspruch gegenüber dem, was hinsichtlich der Antragstellung immer erklärt wurde. Damit geht insoweit ein massiver Glaubwürdigkeitsverlust der Fraport AG einher.

Meine Damen und Herren, wir haben in diesem Hause – wie viel Male, weiß ich gar nicht mehr – mit Ihnen darüber gestritten, dass Sie die Revision erst nicht machen und dann dringend zurückziehen sollten. Dafür haben Sie uns immer wieder beschimpft und gesagt, nur auf diese Weise könne man rasch Rechtssicherheit schaffen.

(Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Das Bundesverwaltungsgericht bescheinigt Ihnen schriftlich mit dem kurzen Satz: „Die Revision des Beklagten ist unbegründet“, dass Ihre Argumentation völlig falsch war. Aufgrund einer unbegründeten Schrift wird ein Gericht keine Rechtssicherheit herstellen, das ist vielmehr durch die Revisionsanträge diverser Betroffener geschehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP) und des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP))

Das Land hätte den Menschen in der Region – da sind wir als Politiker alle ein Stück weit gefragt – lieber deutlich machen sollen, dass wir an ihrer Seite stehen und nicht, dass Sie eine Mehrheit und eine Landesregierung haben, die bis zur letzten Minute nach wie vor für mehr Fluglärm gekämpft haben.

Meine Damen und Herren, jetzt komme ich zu den Hilfen. Es ist schon vieles diskutiert worden, Stichwort: „An- und Abschwellen des Fluglärms in den Nachtrandstunden“. Als Erstes kann man glücklicherweise unterstreichen: Die Nacht beginnt abends um 22 Uhr und endet morgens um 6 Uhr. Das ist Selbstverständlichkeit und Gesetzeslage. Man muss es leider immer wiederholen, weil viele so tun, als ob die verkürzte sogenannte Frankfurter Mediationsnacht schon alles wäre. Das ist sie nicht.

(Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Das Bundesverwaltungsgericht hat bezogen auf die beiden Stunden ausdrücklich gesagt: Man darf die Nacht nicht zum Tage machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, genau das fordern wir. Wenn wir am vergangenen Dienstag – ich nehme aktuelle Zahlen, das ist zwei Tage her – in der Zeit nach 22 Uhr, also nach Beginn der Nacht, insgesamt 55 Starts registrieren konnten, dann ist es eine Tatsache, dass Sie die Nacht zum Tage gemacht haben.

(Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

– In zwei Stunden, verehrter Herr Kollege, und zwar Starts und Landungen, nämlich Flugbewegungen. 55 Starts in einer Stunde entsprechen einer Tagesspitze. Damit haben Sie die Nacht zum Tage gemacht. Genau darüber ist zu streiten. Daran zeigt sich ganz einfach und empirisch, das heißt in der Realität, dass Sie das vom Gericht, selbst von der Planfeststellungsbehörde nach Interpretation des Gerichts festgestellte und notwendige An- und Abschwellen eben nicht beachten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

– Das Gericht hat es so gesehen, wie es in der Urteilsbegründung steht. Es ist so, wie ich es Ihnen gerade dargelegt habe.

Meine Damen und Herren, ich will noch einige wenige Sätze – viel Redezeit bleibt mir nicht mehr – zu dem Punkt, den der Kollege Schaus so ausgiebig breitgetreten hat, sagen. Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion, erklären Sie uns doch bitte mal, warum Sie, wenn die Landesregierung einen so schlechten Lärmaktionsplan vorlegt – da stimme ich Ihnen hundertprozentig zu, der taugt nichts –, von derselben Regierung jetzt einen besseren erwarten. Das ist doch Unfug.

(Zuruf des Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Man sollte lieber die gesetzliche Grundlage nehmen. In § 47 steht, dass er in einem, wenn Sie so wollen, Dialogverfahren erarbeitet wird. Der Entwurf ist grottenschlecht, aber es ist völlig falsch, wenn Sie fordern, den Lärmaktionsplan zurückzuziehen. Wir müssen die Bevölkerung hier und heute – ich hoffe, das tun alle Redner – auffordern und bitten, sich mit Stellungnahmen, mit Hinweisen einzubringen – Sie wissen, bis Mitte Oktober ist dafür noch Zeit –, um den Plan tatsächlich zu verbessern, die Forderungen einzubringen und wirksam werden zu lassen, die natürlich zu stellen sind. Das Ding taugt schon deshalb nichts, weil die Daten Asbach uralt sind. Das bestreitet niemand, es geht nur um die Forderung: Ihr müsst zurücknehmen und etwas Neues vorlegen. – Mein Vertrauen in die Landesregierung geht nicht so weit wie das Ihre,

(Zuruf des Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

dass in der zweiten Runde etwas Vernünftiges herauskommen könnte, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Die letzte Bemerkung – ich habe das schon an anderer Stelle gesagt –: Sie argumentieren in Ihrem letzten Punkt – der Kollege Schaus sprang gar nicht darauf an – auf Schließung der Bahn wegen Vogelschlags. Das ist der blanke Populismus.

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.

Frank Kaufmann:

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Der Vogelschlag ist ein Problem, aber es ist völlig falsch, ein Bild zu zeichnen, das mit Ereignissen in New York vergleichbar ist. Selbst im Worst Case, das heißt bei einem GAU – beide Triebwerke fallen im Endanflug durch Vogelschlag aus –,

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Bitte letzter Satz.

Frank Kaufmann:

wird jedes Flugzeug 200 m vor dem Aufsetzpunkt diesen nach allen Erwartungen sicher erreichen können. Insoweit ist das Argument für die Schließung der Bahn falsch. Nehmen Sie bitte richtige Argumente, dann ist die Chance, dass die Bahn geschlossen wird, größer. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Vielen Dank, Herr Kollege Kaufmann.