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15.12.2011

Ellen Enslin: Stärkung der hessischen Kommunen

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Natürlich werden einige der Änderungen in der Hessischen Gemeindeordnung und in der Hessischen Landkreisordnung den Kommunen die Arbeit erleichtern. Herr Kollege Bauer hat das schon genannt. Dazu gehört natürlich auch die Möglichkeit der öffentlichen Bekanntmachung über das Internet. Aber es sind etliche Änderungen geplant, die zusätzliche Einschränkungen bringen werden.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Mit der Senkung der Einleitungsquoren je nach Größe der Stadt wird es eine kleine Verbesserung bei den Bürgerentscheiden geben. Aber die Zustimmungsquoren werden leider nicht entsprechend geändert.

Dass ein Bürgerentscheid nur noch bis zum Aufstellungsbeschluss möglich sein soll, wird die Bürgerbeteiligung schwächen. Denn erst nach dem Aufstellungsbeschluss findet in den Kommunen die inhaltliche Diskussion über den Bebauungsplan statt.

Mit der Genehmigungspflicht für die Kassenkredite haben die Regierungsfraktionen die gesamte kommunale Familie gegen sich aufgebracht.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Denn damit wird ein wichtiges Finanzierungsinstrument entzogen werden, auf das die Kommunen derzeit noch nicht verzichten können.

Nun hätte man meinen können, dass durch die zusätzliche Anhörung zur wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen noch die Chance bestanden hätte, dass sich die Mitglieder der Koalitionsfraktionen der besonderen Bedeutung der Kommunen bei der Energiewende bewusst werden. Diese Chance wurde leider vertan.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der vorgelegte Entwurf stellt keine Verbesserung für die Kommunen dar. Das Gegenteil ist sogar der Fall.

(Beifall der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Die auferlegte Bedingung, grundsätzlich nach privaten Dritten suchen zu müssen, die Begrenzung auf das Gemeindegebiet bzw. die Verpflichtung zur interkommunalen Zusammenarbeit werden für mehr Bürokratie sorgen und sind sehr zeitaufwendig.

Außerdem ist das eine Einladung an die privaten Energieversorger, die hessischen Kommunen und ihre Energieversorgungsunternehmen zu verklagen. Denn sie können dann bei jedem Projekt ihr Veto einlegen. In diesen Zwangsgesellschaften werden die Kommunen dann nicht mehr alleine die strategische Ausrichtung vorgeben können, sondern sie werden sich dann mit einem Partner abstimmen müssen.

Die hessische Subsidiaritätsklausel wird im Vergleich zu anderen Bundesländern besonders restriktiv ausgelegt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Nancy Faeser und Timon Gremmels (SPD))

Die neue Regelung wird zur Folge haben, dass sich kommunale Unternehmen aus anderen Bundesländern munter auf dem Energiesektor werden ausbreiten können. Die hessischen Kommunen dürfen aber auf ihrem ureigenen Gebiet nur noch unter erschwerten Bedingungen agieren.

Man muss sich das einmal anschauen. In Niedersachsen ist z. B. das Gemeindewirtschaftsrecht gerade wieder in die entsprechende Richtung liberalisiert worden. Da regiert Schwarz-Gelb. Sie hätten vielleicht einmal nach Niedersachsen schauen sollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Nancy Faeser und Timon Gremmels (SPD))

Es ist unverständlich, warum die Mitglieder der Regierungsfraktionen so stur an der Benachteiligung der kommunalen Unternehmen festgehalten haben. Immerhin geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die Energieerzeugung und -versorgung durch die Kommunen grundsätzlich zulässig ist. Die kommunalen Unternehmen würden in den nächsten Jahren gerne jährlich 400 Millionen Euro investieren, von denen besonders das örtliche Handwerk profitieren könnte. Denn die kommunalen Unternehmen wollen die Wertschöpfung in der Region stärken.

Ihr Motto „Privat vor Staat“ wird vollends zur Farce, wenn sich ausländische Staatsunternehmen, wie z. B. Vattenfall, bei den Kommunen bei lukrativen Energieprojekten einklagen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Besonders ärgerlich ist der Umstand, dass ihnen die Früchte harter kommunaler Vorarbeit, wie z. B. die Standortrecherche, ohne eigenes Zutun förmlich in den Schoß fallen sollen. Unser Vorschlag zur Änderung des § 121 Hessische Gemeindeordnung, der leider abgelehnt wurde, hätte faire Wettbewerbsbedingungen und Chancengleichheit gegenüber den Stadtwerken aus anderen Bundesländern und sogar auch gegenüber ausländischen Staatsunternehmen gebracht – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Nancy Faeser und Heike Hofmann (SPD))

Abschließend bleibt nur festzustellen: Mit diesem Gesetzentwurf sind die Regierungsfraktion weit hinter den Erwartungen der Kommunen und der Bürgerinnen und Bürger zurückgeblieben.

Anstatt mehr Bürgerbeteiligung zu ermöglichen, wird diese eingeschränkt. Die Kommunen erhalten bei den Kassenkrediten weniger Spielräume, und anstatt der Energiewende einen kräftigen Schub zu verleihen und die Rolle der Kommunen zu stärken, werden diese behindert.

Abschließend möchte ich noch auf einige Bemerkungen eingehen, die unter anderem der Kollege Rock zur Energiewende gemacht hat. Ihr Selbstverständnis von kommunaler Selbstverwaltung lässt tief blicken, wenn Sie den Kommunen aus reiner Fürsorge einen privaten Aufpasser zur Seite stellen wollen.

Vizepräsident Lothar Quanz:

Frau Enslin, die Redezeit ist zu Ende.

Ellen Enslin:

Kommunale Selbstverwaltung hat mehr Vertrauen verdient. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Vizepräsident Lothar Quanz:

Vielen Dank für Ihren Beitrag.