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14.05.2009
Portraitfoto von Angela Dorn vor grauem Hintergrund.

Angela Dorn zum Thema: Finanzaufsicht bündeln - Finanzplatz Frankfurt stärken

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Francis Fukuyama, der spätere Berater von Georg Bush, rief Anfang der Neunzigerjahre „The end of history“ aus. Er war der Überzeugung, dass mit dem damaligen Stand des Neoliberalismus die ideale Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung erreicht sei.

Heute erkennen wir: Die Geschichte ist keineswegs am Ende. Im Gegenteil, sie muss neu geschrieben werden: von den entfesselten Märkten des Neoliberalismus hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft, mit umfassender ökologischer, ökonomischer und sozialer Regulierung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Situation erfordert entschlossenes und vorausschauendes Handeln und – als GRÜNE betonen wir das – nachhaltiges Handeln, damit wir nicht in die nächste Krise rennen.

So wie in der Wirtschaftspolitik muss auch auf dem Finanzmarkt eine nachhaltige Umgestaltung erfolgen. Wir brauchen eine neue Finanzmarktverfassung mit verlässlichen Rahmenbedingungen für alle Marktteilnehmer.

Die globale Krise zeigt, dass die Politik der Liberalisierung und Deregulierung auf den Finanzmärkten zwar kurzfristige Profite für wenige geschaffen hat, aber letztendlich zu katastrophalen Ergebnissen für alle geführt hat.

Meine sehr geehrten Herren von der FDP-Fraktion, auch ich gratuliere Ihnen zu Ihrer – wenn auch späten – Einsicht in die Notwendigkeit, dass wir kontrollierte und transparente Märkte brauchen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

Aus GRÜNER Sicht sind drei wesentliche Eckpunkte für eine neue Finanzmarktordnung zu nennen.

Zum Ersten. Wir brauchen mehr Transparenz im Bankgeschäft durch eine umfassende Finanzmarktaufsicht.

Hier kann ich viele Gemeinsamkeiten mit dem Antrag der SPD-Fraktion und auch gewisse Übereinstimmungen mit dem Antrag von CDU und FDP feststellen. Auch wir stimmen mit Ihrer Bewertung der Zweckgesellschaften überein. Auch wir fordern vernünftige Ansätze bei den Bilanzvorschriften zur Vermögensbewertung. Auch wir wollen die Einrichtungen zur Finanzmarktaufsicht stärken. Auch wir wollen, dass diese Einrichtungen am Finanzplatz Frankfurt verzahnt werden. Auch wir denken, diese Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftsstrafsachen sollte endlich umgesetzt werden.

Aber, meine Damen und Herren, gerade von der CDU und der FDP, die besten Aufsichtsinstitutionen sind ohne Kontrolle und ohne Sanktionsmöglichkeiten wirkungslos.

Deswegen reicht es eben nicht, wenn die Aufsichtsbehörden der Bundesrepublik den Banken auf Augenhöhe begegnen, wobei mir durchaus bewusst ist, dass dies eine Forderung der BaFin selbst ist. Aber es drängt sich die Frage auf: Waren die Aufsichtsbehörden bisher unterhalb des Bankenmanagements angeordnet? Haben sie sozusagen ehrfurchtsvoll zu den Bankenmanagern hinaufgeblickt?

Meine Damen und Herren, nein, Aufsichtsbehörden können – wie es der Name schon sagt – nur dann sinnvoll arbeiten, wenn sie die Aufsicht haben, also nicht auf Augenhöhe, sondern oberhalb der Banken angeordnet sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb reicht es auch nicht, auf das G 20-Finanzministertreffen zu verweisen, so wichtig die Willensbekundungen dort waren. Wir brauchen ganz konkrete Ergebnisse und Beschlüsse. Aus dieser Motivation heraus liegt Ihnen unser Änderungsantrag vor, meine sehr geehrten Damen und Herren der Koalition. Denn neben der Verzahnung der Einrichtung in Frankfurt ist es ebenso von großer Bedeutung, dass die Aufsichtsbehörden ihre Kompetenzen erweitert bekommen. Setzen Sie sich daher ganz konkret auf Bundesebene für die Erweiterung der Kontrollkompetenzen auf dem grauen Kapitalmarkt ein, wie es schon mein Vorgänger erwähnt hat.

Außerdem brauchen wir eine ausreichende Qualifizierung der Aufsichts- und Verwaltungsratsmitglieder. Für all das braucht die BaFin auch eine personelle und finanzielle Ausstattung. Auch dafür müssen wir uns konkret einsetzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kommen wir nun zum zweiten Eckpunkt einer neuen Finanzordnung. Wir fordern eine persönliche Verantwortlichkeit des Führungspersonals und des Managements von Aktiengesellschaften. Wer bewusst und gewollt Risiken eingeht, sollte dann auch die Konsequenzen persönlich tragen, und zwar nicht nur im Erfolgs-, sondern eben auch im Misserfolgsfall.

Als drittens ein Thema, das mir besonders wichtig ist und das in dieser Debatte und auch sonst leider häufig fehlt: der explizite Blick auf den Verbraucherschutz. Wir haben deswegen unseren Dringlichen Antrag eingebracht, der den Schutz der Verbraucher auf den Finanzmärkten aufgreift. Es gibt eine Studie des Bundesverbraucherministeriums. Dort wurde festgestellt, dass jährlich durch falsche Finanzberatung Verluste in Höhe von 20 Milliarden Euro entstehen. Das ist ein Skandal. Hier ist die Politik gefordert. Wie bei Lebensmitteln müssen die Verbraucher eben auch wissen, aus welchen Bestandteilen Finanzprodukte bestehen und welche Risiken sie mit sich bringen.

(Axel Wintermeyer (CDU): Zum Glück gibt es da keine Gentechnik!)

– Wenn Sie das so sehen, ja. – Um dieses einfache Prinzip durchzusetzen, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein. Einmal müssen die Institutionen der Finanzmarktaufsicht den Verbraucherschutz zu einem ihrer zentralen Anliegen machen. Dieser Bereich wird bisher noch völlig nachrangig behandelt. Dann ist es sehr wichtig, dass im Finanzsektor die provisionsunabhängige Beratung ausgebaut wird. Da teilen wir auch die Einschätzung der Sozialdemokraten, dass gerade die hessischen Sparkassen während der weltweiten Finanzmarktkrise einen stabilisierenden Einfluss hatten. Wir sagen aber auch ganz deutlich: Auch die Sparkassen müssen ihre Beratungsqualität ausbauen, denn ich erinnere daran, dass auch hessische Sparkassen Lehman-Zertifikate ohne eine ausreichende Aufklärung über die Risiken verkauft haben. Da müssen wir etwas tun. Lassen Sie uns dies gemeinsam mit den Sparkassen tun, um auch für andere interessierte Banken eine Initiative für eine faire Finanzmarktberatung zu starten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Gernot Grumbach (SPD))

Besonders wichtig ist, dass Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Anlageprodukte besser verstehen und beurteilen können. Dafür haben wir bereits eine sehr gute und unabhängige Verbraucherberatung, die hessische Verbraucherzentrale. Sie ist zwar sehr beliebt und wird oft gelobt, doch leider ist sie völlig unzureichend mit Personal und Geld ausgestattet. Die Kürzungen der CDU im Zuge der „Operation düstere Zukunft“ waren und sind ein Skandal. Sie sind ein Affront gegen den Schutz von Verbrauchern. Frau Lautenschläger, denken Sie um. Stimmen Sie unserem Haushaltsantrag zu. Wir möchten, dass die Verbraucherzentrale Hessen besser ausgestattet ist und haben deswegen 1,5 Millionen Euro mehr vorgesehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Gernot Grumbach (SPD))

Insgesamt müssen Finanzprodukte wieder einfacher und verständlicher gestaltet sein. Es gilt der ganz einfache Lehrsatz der Ökonomie: Je höher die Rendite, desto höher das Risiko. In den letzten Jahren wurden leider viele sogenannte Finanzinnovationen auf den Markt gebracht, die genau diesen Zusammenhang durch merkwürdigste Konstruktionen verschleiern sollten. Und nicht zuletzt muss die zivilrechtliche Haftung für Anlagen auf dem grauen Kapitalmarkt verbessert werden, sodass der Anleger seine Ansprüche auch im Falle einer Insolvenz oder Vermögensveruntreuung geltend machen kann.

Es heißt, jetzt zu handeln, und nicht nur Willensbekundungen von sich zu geben. Lassen Sie uns unseren Einfluss auf die Bundespolitik dahin gehend geltend machen. Lassen Sie uns innerhalb unserer hessischen Zuständigkeit als Vorbild vorangehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Gernot Grumbach (SPD))

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Vielen Dank, Frau Kollegin Dorn.

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