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06.10.2009

Andreas Jürgens zur Einrichtung eines nationalen Mechanismus aller Länder gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im Grunde genommen ist das, was wir heute debattieren, ein Endpunkt des beschämenden Umgangs Deutschlands mit einer internationalen Konvention.

Dem Vorblatt des Gesetzentwurfs können Sie entnehmen: Es geht darum, dass das sogenannte Fakultativprotokoll zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und unangemessener Behandlung bei Freiheitsentzug – das es schon seit längerem gibt – durch ein Verfahren der Überprüfung in den einzelnen Staaten unterlegt werden soll. Das ist der Kernbereich dessen, über was wir heute reden: der sogenannte nationale Präventionsmechanismus. Es soll eine Gruppe von Leuten eingerichtet werden, die Einrichtungen besuchen, dort nach dem Rechten sehen und Verbesserungsvorschläge unterbreiten sollen.

Deutschland hat dieses Protokolls erst vier Jahre nach seiner Verabschiedung unterzeichnet, weil sich vor allem die CDU-regierten Bundesländer geweigert haben, in nennenswertem Umfang an der Etablierung eines solchen nationalen Präventionsmechanismus mitzuwirken, und zwar mit einer ähnlichen Argumentation, wie sie Frau Hofmann eben angeführt hat: Es gibt verschiedene andere Rechtsbehelfe in Deutschland, die es woanders nicht gibt, deshalb wird kein Bedarf gesehen, einen solchen Präventionsmechanismus in Deutschland einzurichten.

Erst nachdem das Ganze auf der Ebene der Justizministerkonferenz so kleingekocht worden war, dass es als Mechanismus kaum noch erkennbar war, gab es schlussendlich eine Zustimmung, und wir werden jetzt die Zustimmung zu dem Staatsvertrag erleben. Man muss es sich einmal vorstellen: Da wird eine Gruppe von vier Leuten eingerichtet, die ehrenamtlich tätig sind, die das also, wenn wir Glück haben, nebenberuflich machen. Sie sind dafür zuständig, in der Bundesrepublik Deutschland 195 Justizvollzugsanstalten, ungefähr 500 psychiatrische Einrichtungen mit Zweigstellen an noch viel mehr Orten, eine unübersehbare Anzahl von Arrestzellen in Polizeistationen und eine noch größere Zahl von geschlossenen Abteilungen in Krankenhäusern, in Pflegeeinrichtungen und sonstigen Einrichtungen zu besuchen, nach dem Rechten zu sehen und Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten. Ich glaube nicht, dass irgendjemand hier im Raum ist, der glaubt, dass diese vier ehrenamtlich tätigen Leute auch nur in nennenswertem Umfang in der Lage sein werden, diese horrende Aufgabe zu stemmen. Ich will diesen Menschen nicht von vornherein ihr Engagement absprechen, selbstverständlich werden sie sich bemühen, aber eine bessere Ausstattung dieser Gruppe wäre auf jeden Fall notwendig, um den Erfordernissen des Fakultativprotokolls zu entsprechen.

Wir werden dem Staatsvertrag zustimmen, weil es im Augenblick keine Alternative gibt. Wir werden aber sehr wohl beobachten, wie die Arbeit dieser Gruppe funktioniert. Wir werden auch schauen, ob dort tatsächlich vernünftige Arbeit geleistet werden kann – nicht, weil die Leute unwillig sind, sondern weil sie als ehrenamtlich Tätige einfach nicht in der Lage sind, diese horrende Aufgabe zu stemmen. Dann werden wir möglicherweise sehen, was man verbessern kann.

Das Ganze ist, wie ich finde, ein beschämendes Beispiel für den Umgang mit internationalen Konventionen, mit dem internationalen Kampf gegen Folter, den wir immer für richtig gehalten haben. Es ist leider nur eine kleine Maus dabei herausgekommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Danke, Herr Dr. Jürgens.