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22.04.2008

Andreas Jürgens zur Anerkennung eingetragener Lebenspartnerschaften im hessischen Landesrecht

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich möchte einleitend wiederholen, was ich bereits in der letzten Wahlperiode namens meiner Fraktion festgestellt habe: Eingetragene Lebenspartnerschaften homosexueller Paare haben inzwischen große gesellschaftliche Akzeptanz erreicht. Schwule und lesbische Paare sind heute selbstverständlicher Bestandteil des öffentlichen Lebens. Ich möchte hinzufügen: Das ist auch gut so.

Mit unserem Gesetzentwurf, den wir Ihnen auch in der neuen Wahlperiode vorlegen, wollen wir diese gesellschaftliche Realität im Recht umsetzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Seit 2001 gibt es die eingetragene Lebenspartnerschaft im Bundesrecht, und wir meinen, es ist längst überfällig, ihr auch in Hessen die Anerkennung nicht länger zu versagen. Nach unseren Vorstellungen – das ist Bestandteil des Gesetzentwurfes, den wir Ihnen heute vorlegen – sollen alle Rechte und Pflichten, die an das Bestehen einer Ehe geknüpft werden, analog auf eingetragene Lebenspartner erstreckt werden. Dies gilt vor allem auch für die Lebenspartner schwuler Beamter und die Lebenspartnerinnen lesbischer Beamtinnen.

Auch eingetragene Lebenspartner begründen eine grundsätzlich auf Dauer angelegte Lebens- und Schicksalsgemeinschaft. Sie wollen ihre auf Liebe gegründete Verbundenheit und die Lebenspartnerschaft ebenso verfestigen, wie Eheleute dies durch die Eheschließung tun. Sie versprechen sich ebenfalls gegenseitig Beistand, Fürsorge und Verantwortung für den gemeinsamen Lebensweg – genauso wie Eheleute. Deshalb ist es aus unserer Sicht konsequent, ihnen auch die gleichen Rechte und Pflichten einzuräumen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt, um ein Beispiel herauszugreifen, Regelungen in den Laufbahnverordnungen, wonach Beamte nicht wegen der Pflege eines nahen Angehörigen unangemessen benachteiligt werden dürfen – ich verkürze das sinngemäß. Es gibt aus unserer Sicht keinen sachlichen Grund, die Pflege eines eingetragenen Lebenspartners anders zu behandeln als die eines Ehegatten. Es ist aus unserer Sicht auch nicht gerecht, wenn eingetragene Lebenspartner zwar inzwischen nach dem Bundesrecht bei der gesetzlichen Krankenversicherung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die gleichen Rechte haben und beitragsfrei mitversichert sind wie Ehegatten auch, bei der Beamtenbeihilfe aber nach wie vor leer ausgehen.

Es ist ebenfalls nicht gerecht, dass im Bundesrecht zwar inzwischen bei der gesetzlichen Rentenversicherung Lebenspartner eine Hinterbliebenenrente beziehen können, Beamtinnen und Beamte ihren Lebenspartnern aber keine Versorgung zukommen lassen können. Es ist nicht gerecht, wenn heterosexuelle Beamte Beihilfe und Versorgung für ihre Ehegatten erhalten können, homosexuelle aber nicht. Wir meinen, die homosexuellen Beamtinnen und Beamten sollten ihrem Dienstherrn genauso viel wert sein und genauso viel Fürsorge wert sein wie ihre heterosexuellen Kollegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, gegenwärtig ist die Rechtslage in Hessen durchaus uneinheitlich. Es gibt verschiedene Rechtsvorschriften, die Rechtsfolgen an den Begriff der Angehörigen knüpfen, und durch die bundesgesetzliche Regelung sind davon automatisch inzwischen auch die eingetragenen Lebenspartnerschaften umfasst. Außerdem gibt es eine Reihe von einzelnen Vorschriften, z. B. das Verwaltungsverfahrensgesetz, bei denen in den letzten Jahren eine Gleichstellung von Lebenspartnerschaften und Eheleuten stattgefunden hat. Wir wollen das aber systematisch vereinheitlichen und in allen Vorschriften verankern. Das ist der Sinn unseres Gesetzentwurfes.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir sehen im Übrigen auch weiterhin keine Benachteiligung der Ehe durch eine Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaften. Wir sehen uns da in völliger Übereinstimmung mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juli 2002 – damals gegen die bundesgesetzliche Regelung des Lebenspartnerschaftsgesetzes. Ich zitiere:

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden:

Der besondere Schutz der Ehe in Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz hindert den Gesetzgeber nicht, für die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft Rechte und Pflichten vorzusehen, die denen der Ehe gleich- oder nahekommen. Dem Institut der Ehe drohen keine Einbußen durch ein Institut, das sich an Personen wendet, die miteinander keine Ehe eingehen können.

Genau so ist es. Natürlich könnte man darüber streiten, wenn heterosexuelle Partner eine Lebenspartnerschaft eingehen und diese rechtlich mit der Ehe gleichgestellt werden sollte, dass dies eine Benachteiligung der Ehe ist oder ihrem besonderen Schutz nicht gerecht wird.

Bei Menschen, die als Homosexuelle keine Ehe eingehen können, hat das aber nach unserem Dafürhalten nichts mit einer Benachteiligung der Ehe zu tun, sondern es ist, was es immer war: eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität. Es ist höchste Zeit, dass wir mit dieser Diskriminierung Schluss machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Wir haben in der letzten Legislaturperiode schon einmal einen Gesetzentwurf zu diesem Thema eingebracht und über ihn debattiert. Der Redner der CDU-Fraktion hat damals gegen eine Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften mit Ehen eingewandt, die eingetragenen Lebenspartnerschaften leisteten – ich zitiere – „keinen generativen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft“. Daran ist natürlich so viel richtig, dass eingetragene Lebenspartner, Homosexuelle, keine gemeinsamen Kinder haben können. Das Bestehen einer Ehe ist aber weder eine hinreichende noch eine notwendige Voraussetzung dafür, dass Kinder geboren werden, wie jeder von uns weiß.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Was ist mit Eheleuten, die gewollt oder ungewollt kinderlos bleiben? Die werden ja auch nicht von den für Ehen geltenden Regelungen ausgeschlossen, obwohl sie keinen „generativen Beitrag“ leisten wollen oder leisten können. Diejenigen, die zwar leisten wollen, aber nicht leisten können, würden doppelt benachteiligt. Das ist nach unserem Dafürhalten kein taugliches Argument, weiterhin eine Ungleichbehandlung aufrechtzuerhalten.

Ich bin guten Mutes und hoffe, dass auch bei der CDU-Fraktion seit der damaligen Debatte über den Gesetzentwurf ein Lernprozess eingesetzt hat, der dazu führt, gemeinsam für eine Gleichstellung von Schwulen und Lesben einzutreten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Wir sehen uns in unserer Haltung im Übrigen auch in Übereinstimmung mit der jüngsten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs. Dieser hat mit Blick auf die Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen entschieden, dass der Ausschluss von hinterbliebenen Lebenspartnerinnen und -partnern von einer Hinterbliebenenrente gegen das Verbot der Benachteiligung wegen der sexuellen Identität verstößt. „Niemand darf wegen seiner sexuellen Identität benachteiligt werden.“ Dieser Satz ist Bestandteil des europäischen Gleichbehandlungsgrundsatzes.

Meine Damen und Herren, wir in Hessen sollten nicht abwarten, bis der Europäische Gerichtshof dem hessischen Landesgesetzgeber sagt: „Das, was du machst, ist Unrecht.“ Wir sollten von uns aus handeln, eine Gleichstellung herbeiführen und das Unrecht beseitigen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Wir würden damit einen Weg gehen, den andere Bundesländer schon eingeschlagen haben. Es ist ja nichts Neues, was wir hier vorschlagen. Inzwischen konnte in Bremen und in Berlin eine Gleichstellung erreicht werden. Das überzeugt zwar vielleicht noch nicht jeden in diesem Hause, aber auch in Niedersachsen hat der Landtag kurz vor Ende der letzten Wahlperiode einstimmig – mit den Stimmen aller Fraktionen! – beschlossen, dass die dortige Landesregierung aufgefordert wird, einen Entwurf für die Anpassung des niedersächsischen Landesrechts vorzulegen. Ich zitiere einen Satz aus dem Beschluss des Niedersächsischen Landtags.

Das Ziel ist es, Lebenspartner im gesamten niedersächsischen Recht mit Ehegatten gleichzustellen.

Das ist, soweit ich weiß, auch Bestandteil der Koalitionsvereinbarung von CDU und FDP in Niedersachsen. Diese Gleichstellung wollen wir auch im hessischen Landesrecht erreichen. Wir wollen also nichts anderes als das, was in anderen Ländern bereits gemacht wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

In Hamburg wurden Lebenspartnerschaften mit Gesetz vom 11. Juli letzten Jahres – also noch vor der schwarz-grünen Koalition – weitgehend gleichgestellt, auch bezüglich der Beamtenbeihilfe. Für Hamburg gilt allerdings die Besonderheit, dass alle Regelungen betreffend Besoldung und Versorgung erst im Zusammenhang mit einer generellen Neuordnung des Besoldungsrechts überarbeitet werden sollen. Aber auch Hamburg ist auf dem Weg zu einer generellen Gleichstellung.

Die Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften ist aus unserer Sicht nicht aufzuhalten. Der Drang der Menschen nach Freiheit, nach Toleranz und gegen Diskriminierung ist stark genug und wird sich nach unserer Überzeugung früher oder später sowieso durchsetzen. Wir sollten als hessischer Landesgesetzgeber aber dafür sorgen, dass in Hessen schon jetzt mit der Benachteiligung von Schwulen und Lesben Schluss gemacht wird. Wir sollten das Gesetzgebungsverfahren aus unserer Sicht nicht übereilt, aber durchaus zügig vorantreiben. Ich bitte alle Fraktionen des Hauses um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf und um gemeinsame fruchtbare Diskussionen im Ausschuss.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Präsident Norbert Kartmann:

Vielen Dank, Herr Abgeordneter.

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