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15.12.2010

Andreas Jürgens: Gesetz zur Gleichstellung von Lebenspartnerschaften im hessischen Landesrecht

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stelle fest: Der anhaltende Widerstand von Schwarz-Gelb gegen die Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften geht weiter.

(Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Wir haben gerade den Bericht des Ausschusses gehört. Sie werden also unseren Gesetzentwurf ablehnen, einen Gesetzentwurf, mit dem wir eine Rückwirkung der Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften bei der Beamtenbesoldung und -versorgung erreichen wollten.

Ich darf, wie in der ersten Lesung, daran erinnern, dass wir unseren Gesetzentwurf schon zu Beginn dieser Wahlperiode vorgeschlagen hatten. Wir haben dies gemeinsam mit der SPD und der LINKEN in einem Änderungsantrag zu dem Gesetzentwurf der Regierungsparteien wiederholt. Beides wurde jeweils von der Mehrheit abgelehnt.

Wir vertreten weiterhin die Auffassung, dass die rückwirkende Geltung der Gleichstellung nach der einschlägigen europäischen Gleichstellungsrichtlinie an sich sogar zwingend ist. Diese hätte nämlich bis zum 02.12.2003 in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Da dies von Hessen erst in dieser Wahlperiode, fünfeinhalb Jahre zu spät, umgesetzt wurde, konnten sich die betroffenen Beamtinnen und Beamten direkt auf diese Richtlinie berufen und die entsprechende Besoldung und Versorgung einfordern. Das hat inzwischen auch eine Reihe von Gerichten zugesprochen, zuletzt das Verwaltungsgericht Wiesbaden. Wir haben darüber ausführlich gesprochen. Von einzelnen Bundesländern wurde die Rückwirkung auch in das Landesrecht übernommen.

Nun gibt es – damit haben Sie recht – in der ersten Lesung und auch in der Diskussion im Ausschuss unterschiedliche Aussagen von Sachverständigen und unterschiedliche Rechtsprechung darüber, welche Rückwirkungsfrist gelten soll. Aber die einzig überzeugende Begründung gibt es für den von uns gewählten Zeitpunkt.

(Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

– Das ist in der Tat nichts Neues. – Das wurde jetzt übrigens auch vom Europäischen Gerichtshof so gesehen. Meine Damen und Herren, natürlich kann jeder schwule Beamte und jede lesbische Beamtin, wenn sie in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebt, den Familienzuschlag erster Stufe rückwirkend vor den Verwaltungsgerichten einklagen. Ziel unserer Initiative aber ist es gerade, solche Klagen zu vermeiden, den betroffenen Bediensteten und auch dem Land Aufwand und Kosten zu ersparen. Denn gerade wenn es unterschiedliche Gerichtsentscheidungen gibt, kann der Gesetzgeber die rechtlichen Unklarheiten beseitigen. Das wollten wir damit erreichen,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Heike Hofmann (SPD))

damit es den einzelnen Bediensteten erspart bleibt, im Einzelfall Klage zu erheben.

Aber das Problem ist ein ganz anderes. CDU und FDP wollten gar keine Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaften im Beamtenrecht.

(Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Deshalb haben wir es beschlossen! Genau!)

In der 16. Wahlperiode haben Sie jeweils noch gegen unseren Gesetzentwurf gestimmt, den wir schon damals eingebracht hatten. Noch in der ersten Lesung unseres Gesetzentwurfs in dieser Wahlperiode äußerte die Mehrheit deutliche Ablehnung. Nicht zuletzt der Staatssekretär Dr. Kriszeleit hat für die Landesregierung ausdrücklich noch einmal darauf hingewiesen, eine vollständige Gleichstellung sei nicht notwendig. Erst durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Juni 2009 sahen Sie sich gedrängt, endlich zu handeln. Das geschah eben nicht aus eigenem Antrieb, sondern auf Druck von außen. An Ihrer grundsätzlichen Aversion gegen die Gleichstellung hat dies aber offenbar nichts geändert. Sie waren deshalb auch nicht bereit, nur einen Millimeter über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinauszugehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Heike Hofmann (SPD))

Meine Damen und Herren, nach unserer Überzeugung ist es nicht Aufgabe des Gesetzgebers, immer nur nachzuvollziehen, was die Rechtsprechung vorgibt, sondern Aufgabe des Gesetzgebers ist es, lösungsbedürftige Fragen zu regeln, soweit das mit den Mitteln des Rechts überhaupt möglich ist.

Mit Ihrer Ablehnung unseres Gesetzentwurfs machen Sie erneut deutlich, dass Ihnen die tatsächliche gesellschaftliche Gleichstellung und Anerkennung der eingetragenen Lebenspartnerschaften gegen den Strich geht. Ihre Argumente gegen die Rückwirkung sind ebenso blumig und ausweichend und im Ergebnis falsch wie Ihre Argumente, die Sie jahrelang gegen die Gleichstellung an sich vorgetragen haben. Ich darf nur an die mehrfach in diversen Landtagsdebatten von Herrn Kollegen Beuth vorgetragenen Argumente erinnern, Schwule und Lesben würden keinen Beitrag zum generativen Fortschritt oder zur Weiterentwicklung der Gesellschaft leisten und könnten deshalb nicht beanspruchen, mit der Ehe gleichgestellt zu werden.

(Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU) – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Meine Damen und Herren, es hat sich gezeigt, dass Sie mit solch verschrobenen Auffassungen den gesellschaftlichen Fortschritt, die Gleichstellung, letztlich nicht verhindern konnten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Meine Damen und Herren, selbstverständlich können Sie heute unseren Gesetzentwurf ablehnen. Sie haben dafür die Mehrheit. Aber damit werden Sie den Fortschritt beim Thema Gleichstellung nicht verhindern können, wie Sie auch sicher sein können, dass meine Fraktion dieses Thema bei jeder passenden Stelle im Landtag wieder zur Sprache bringen wird, bis eine volle Gleichstellung erreicht ist. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Präsident Norbert Kartmann:

Vielen Dank.

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