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28.05.2015

Aktuelle Stunde: Kai Klose – Hessen in der Mindestlohnfalle – 18.000 Mini-Jobs weg, bewaffnete Zollkontrollen und bürokratischer Wahnsinn

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Seit Januar gibt es nach jahrelanger Auseinandersetzung endlich auch in Deutschland einen bundesweiten Mindestlohn. Der Einsatz und die Hartnäckigkeit, insbesondere der Gewerkschaften an diesem Punkt, zahlen sich für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus, und zwar in Euro und Cent. Das dient der Gerechtigkeit. Es ist ein echter Fortschritt im Kampf gegen Lohndumping, und es ist volkswirtschaftlich grundsätzlich richtig.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU)
Diesen Mindestlohn gibt es jetzt gerade einmal knapp fünf Monate lang. Die Hessen-Agentur hat in ihrer kürzlich vorgelegten Studie darauf hingewiesen, dass in Hessen mehr als 130.000 Beschäftigte von der Einführung dieses Mindestlohns profitieren. Das ist die Zahl derer, die vor dem Jahreswechsel selbst in unserem wohlhabenden Bundesland weniger als 8,50 € die Stunde verdient haben. Es sind 130.000 Menschen mehr, die endlich von ihrer Arbeit leben können. Da frage ich mich: Was haben Sie, meine Damen und meine Herren von der FDP, eigentlich dagegen?
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))
Auch wenn, darauf weist die Hessen-Agentur ausdrücklich hin, aufgrund der kurzen Frist seit dem Inkrafttreten des Mindestlohns noch nicht ausreichend empirische Daten für eine vertiefte Analyse vorliegen, sind für Hessen durch das vergleichsweise hohe Lohnniveau keine fundamentalen negativen Auswirkungen auf die Beschäftigung zu erwarten. Im Gegenteil, im April gab es sogar weniger Arbeitslose als noch vor einem Jahr. Was aber zurückgegangen ist – das wurde schon mehrfach angesprochen – ist die Zahl der Mini-Jobs. Wenn es aber gelingt, Mini-Jobs in nennenswertem Umfang in sozialversicherte Beschäftigung umzuwandeln und Arbeitsplätze zu erhalten, und das stellt sogar die Vereinigung Hessischer Unternehmerverbände in ihrer Pressemitteilung fest, dann ist das doch genau der richtige Weg.
Meine Damen und Herren, genau im Blick behalten müssen wir gleichzeitig, ob es Nachsteuerungsbedarf, ob es Fehlentwicklungen gibt, denen zu begegnen ist. Wir müssen insbesondere Beschäftigte im Blick behalten, z. B. Beschäftigte der Gastronomie, die überdurchschnittlich vom Mindestlohn betroffen sind und damit ein durchaus höheres Risiko des Arbeitsplatzverlustes tragen. Zur Ehrlichkeit gehört aber eben auch, zu sagen, dass die Problematik gerade in diesem Bereich gar nicht unbedingt in der Lohnhöhe besteht, sondern vielmehr, sagen wir einmal, in der zuvor etwas großzügigeren Auslegung schon lange bestehender Arbeitszeitgesetze, die durch die neuen Dokumentationspflichten offenbar werden. Herr Kollege Decker hat darauf schon hingewiesen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Holger Bellino (CDU))
Herr Rentsch, dann zu Ihren „bewaffneten Zollkontrollen“. Es ist doch völlig klar, dass der Mindestlohn ohne Kontrollen seine Wirkung nicht entfalten kann. – Ja, diese Kontrollen macht der Zoll. Ja, auch Zollbeamte, übrigens nicht alle in diesem Land, tragen Waffen. Statt aber solch einen Popanz zu veranstalten, wie Sie das hier eben getan haben, hätte ich Ihnen empfohlen, einmal mit Ihrem Mitarbeiter zu sprechen, der vor wenigen Wochen gemeinsam mit mir einer Besuchergruppe der Gewerkschaft der Zoll- und Finanzbeamten begegnet ist, die uns von ihren Sorgen und Nöten genau in diesem Bereich berichtet haben. Ich finde, da sind Sie meilenweit über das Ziel hinausgeschossen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU)
So sind die Fakten. Wie man daraus dann eine Aktuelle Stunde mit dem Titel „18.000 Mini-Jobs weg, bewaffnete Zollkontrollen und bürokratischer Wahnsinn“ machen kann, bleibt Ihr Geheimnis. Es ist aber nicht das erste Mal, dass Sie inhaltliche Substanz durch allzu markige Überschriften ersetzen. Das hat bei der FDP System. Heute Morgen haben wir es wieder erlebet. – Vielen Dank.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))
Vizepräsidentin Heike Habermann:
Danke schön.